Vinschgau - Zehn Anfragen um die Aufnahme eines Hundes hat die Mitarbeiterin im Tierheim
Nadja Tappeiner kürzlich innerhalb einer Woche bekommen. Sie arbeitet für den Verein „EO Tierheim Naturns“, der vor fünf Jahren mit seinen Tieren von Plaus nach St. Walburg in Ulten übersiedeln musste. Seither wird ein geeigneter Standort im Vinschgau gesucht.
von Magdalena Dietl Sapelza
Nadja Tappeiner ist mit den zehn Anfragen überfordert. Auch emotional setzt ihr das Ganze zu, denn sie vermutet: Nur in zwei Fällen handelt es sich um wirkliche Notfälle, und zwar um eine schwere Krankheit des Hundebesitzers und um den Tod der Besitzerin. „Für solche Notfälle ist das Tierheim eigentlich da“, betont sie. Bei den anderen Anfragen hat sie das Gefühl, dass es einzig und allein darum gehe, die Tiere loszuwerden, weil sie lästig geworden sind. Und das komme in jüngster Zeit oft vor. Als Gründe genannt werden Trennung, Allergie, Wohnungswechsel, Mangel an Zeit, Krankheit usw. „Meist fadenscheinige Ausreden“, meint Tappeiner. Es sei ein großes Übel, dass sich Menschen aus einer Laune heraus, oft weil es sich die Kinder wünschen, einen Hund oder andere Haustiere anschaffen, ohne sich bewusst zu sein, welche Verpflichtungen auf sie zukommen. Ihnen ist nicht klar, dass sie dann ein Tierleben lang Verantwortung zu tragen haben. Tappeiner ärgert sich darüber, dass viele Menschen mit Tieren umgehen, als handle es sich um Gegenstände, die man sich nach Belieben anschaffen und dann wieder wegschmeißen kann. Ein nächstes großes Übel sei die falsch verstandene Tierliebe jener Menschen, die Hunde aus dem Süden Italiens aufnehmen, mit denen sie dann hoffnungslos überfordert sind. Vieles läuft dabei über soziale Netzwerke. Auch die Vermittlungen durch unerfahrene Privatpersonen zusammen mit unseriösen Vereinen werden zu einem immer größeren Problem. Eingefangene und traumatisierte Streuner fühlen sich ihrer Freiheit beraubt und können sich einer neuen Umgebung nur schwer oder gar nicht anpassen. Deren Halter:innen geben auf. Die Tiere landen im Tierheim, oder, wenn dort kein Platz ist, irgendwo auf der Straße. Denn die Tierheime platzen aus allen Nähten.
Tierheim in Ulten ist Provisorium
Das Tierheim in St. Walburg in Ulten, geführt vom ehrenamtlichen Verein „EO Tierheim Naturns“, ist neben den Heimen in Niedervintl und in der Sill in Bozen das dritte Tierheim in Südtirol. Der Verein „EO Tierheim Naturns“ wurde 2007 von engagierten Tierschützerinnen und Tierschützern gegründet. 2008 konnte die Struktur zur Unterbringung der Tiere in den Apfelwiesen der Steinstraße in Plaus bezogen werden. Der Standort war ideal. Vor fünf Jahren kam es nach internen Schwierigkeiten zur Kündigung des Mietvertrags in Plaus durch die Besitzerin und ehemalige Vizepräsidentin des Vereins. Der Vorstand, der sich inzwischen neu formiert hatte, war gezwungen, eine neue Bleibe für die Tiere zu suchen. Susanne und Egon Gruber, die in St. Walburg in Ulten eine Hundepension betreiben, stellten einen leerstehenden Schlachthof mit weitläufigem Grundstück zur Verfügung. Die damalige Ultner Bürgermeisterin Beatrix Mayrhofer stellte sich dahinter und dann auch der heutige Bürgermeister Stefan Schwarz. Doch das Ganze ist ein Provisorium auf Zeit. Der Vereinsname „EO Tierheim Naturns“ wurde beibehalten, um Mitglieder und Spender:innen, von denen das Tierheim hauptsächlich getragen wird, nicht zu verunsichern. Der Verein erhält auch öffentliche Beiträge. „Doch ohne Spenden könnten wir nicht überleben“, erklärt die Vizepräsidentin des Vereins Barbara Reiner. Der Verein zählt heute rund 400 Mitglieder. Darunter sind eine Vielzahl an Freiwilligen, die das Tierheim aktiv mit Futterspenden- Sammlungen, mit unterschiedlichen Verkaufsaktionen, mit Marktauftritten und anderen Aktionen unterstützen.
Das Tierheim „EO Tierheim Naturns“ in Ulten hat die Lizenz für zehn Hunde und verfügt über acht Boxen. Eine Notfallbox muss immer frei bleiben. Sieben Hunde werden derzeit betreut. Darunter ist der einstige Kettenhund Ugo, ein Mischling aus dem Burggrafenamt, der befreit wurde, und dessen Kette im Halsgewebe eingewachsen war. Und darunter ist die einjährige Elli, eine Jagdhündin aus der Bozner Gegend, an der die Besitzerfamilie schon bald jegliches Interesse verloren hatte, und die entgegen ihrem Naturell immer eingesperrt war. Das sind nur zwei Beispiele für Tierbiografien. Tappeiner und ihre Kollegin Mara Raffeiner kümmern sich Tag für Tag abwechslungsweise um die Hunde, sie füttern sie, sorgen für ihre medizinische Behandlung, ermöglichen ihnen Auslauf und nötige Therapien, putzen ihre Boxen und schenken ihnen Zuwendung. Laufend sind sie auch mit bürokratischen Angelegenheiten beschäftigt und mit der Vermittlung von Hunden und Katzen. Dabei schauen sie genau hin. Sie informieren, organisieren mehrere Treffen zwischen Hund und Mensch, um sicher zu gehen, dass diese auch zusammenpassen. Sie geben auch Tipps, wenn jemand beispielsweise Probleme mit seinem Hund hat, und helfen mit nach Lösungen zu suchen, damit das Tier nicht im Tierheim landet.
Verein sucht neuen Standort
Seit längerem sind die Mitglieder im Vorstand des Vereins auf der Suche nach einem geeigneten Standort im Vinschgau. „Wir brauchen ein Tierheim in der westlichen Landeshälfte“, betonte Vereinspräsidentin Silvia Piaia bei einer Pressekonferenz in Meran vor rund einem Monat. Nach fünfjähriger ergebnisloser Suche richtete sie damit einen verzweifelten Hilferuf an die Verantwortlichen in der Politik. „Logistisch ist ein Tierheim im hintersten Ultental, das die ganze westliche Hälfte bedienen soll, einfach zu ungünstig gelegen“, erklärte Piaia. Sie machte darauf aufmerksam, dass das Tierheim eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft erfüllt, indem es Hunde und Katzen aufnimmt. Denn streunende Tiere könnten zum Problem werden. „Es geht hier nicht nur um das Wohlergehen von Tieren oder um die Interessen von ein paar Tierliebhabern, sondern auch um Fragen der Hygiene und der öffentlichen Sicherheit“, so Piaia. Die Verantwortlichen stehen in engem Austausch mit der Sanität, mit dem tierärztlichen Dienst und auch mit der Landespolitik. „Seit unserem Umzug ins Ultental haben wir unsere Zuverlässigkeit mehr als bewiesen. Wir arbeiten eng mit den verschiedenen lokalen Tierschutzvereinen und den öffentlichen Behörden zusammen, und das, trotz geringerer Kapazität, noch mehr als es die alte Führung in Naturns jemals getan hat“, sagt Piaia. „Wir füllen mit unserer ehrenamtlichen Arbeit ständig nur die Lücken des öffentlichen Systems. Wie die Zukunft aussieht, ist ungewiss, doch in einem Punkt sind wir uns einig: Aufgeben ist keine Option. Denn der Verein will weiterhin für Tiere da sein.“
Politik wird zum Handeln aufgerufen
Laut Piaia werde der Einsatz für Tiere durch die lokale Politik zu wenig unterstützt und zum Teil sogar behindert. In den letzten Jahren habe der Verein drei geeignete Grundstücke für ein neues Tierheim im Südtiroler Westen gefunden, doch alles sei an politischen Widerständen in den Gemeindestuben gescheitert. Die Politik wird nun erneut zum Handeln aufgerufen. Der Verein braucht keine großen Förderungen, sondern nur ein geeignetes Grundstück, damit die ehrenamtliche Arbeit zum Wohle der Gemeinschaft und der Tiere fortgesetzt werden kann. Seit der Pressekonferenz habe sich noch nichts getan, erklärt die Vizepräsidentin des Vereins Barbara Reiner. „Wir wünschen uns einen Platz im Vinschgau, an dem wir in Ruhe für Tiere da sein können und der für alle akzeptabel ist.“ Dank der guten Zusammenarbeit zwischen dem Verein, der EO UGDA, dem Tierschutzverein Vinschgau und RespekTiere und dank der sehr guten Kommunikationslinie mit dem Landestierheim sei es im Zeitraum Jänner 2022 bis Juni 2023 gelungen insgesamt 42 schwer vermittelbare Hunde unterzubringen, die vom Landestierheim hätten übernommen werden sollen. Diese Zahl allein zeigt, dass etwas passieren muss.
Tierschutzverein Vinschgau arbeitet mit
Und passieren muss auch etwas in Sachen Kastration von Katzen. Der Tierschutzverein Vinschgau mit Präsidentin Anita Pichler kümmert sich mit ihrem Team unermüdlich darum. Mehrere Tierärzte und Tierärztinnen unterstützen sie dabei. Und Pichler wird nicht müde, die Katzenhalter diesbezüglich zu sensibilisieren. Denn in erster Linie wären diese aufgefordert, für die Kastration ihrer Tiere zu sorgen. Doch leider bleiben viele untätig. Die Folge ist jährliches Katzenelend in vielen Orten - verbunden mit unhygienischen Zuständen als Folge. Viele Katzenhalter warten auch bewusst darauf, dass der Tierschutzverein tätig wird, um sich die Kosten für eine Kastration zu sparen. Anita Pichler ist heuer wieder mit einer Vielzahl an Katzenkinder konfrontiert, die irgendwo in elendem Zustand aufgefunden und bei ihr abgegeben worden sind. Sie päppelt die Kleinen auf, lässt sie kastriert, mit einem Chips versehen und bemüht sich, sie zu vermittelt. Pichler tauscht sich regelmäßig mit den Verantwortlichen des Tierheims Naturns/Ulten aus. Und auch sie wünscht sich, dass ein neuer Standort gefunden wird.
Das sagt Landesrat Schuler dazu
Der zuständige Landesrat Arnold Schuler kennt das Problem. „Es ist ein Jammer, dass es mit der Struktur in Naturns sprich Plaus nicht geklappt hat, und es tut mir leid für die engagierten Leute, die das Heim dort gut geführt haben“, so Schuler. Er bemühe sich seit geraumer Zeit, dem Verein bei der Suche nach einem geeigneten Standort zu helfen. Er habe bereits einige Orte im Vinschgau angeschaut, habe aber erfahren müssen, dass es ganz schwierig sei, etwas Geeignetes zu finden. In der übernächsten Woche finde ein nächster Lokalaugenschein statt, so Schuler. Dem Team im „Verein EO Tierheim Naturns“ stellt der Landesrat ein gutes Zeugnis aus. „Die Verantwortlichen sind vertrauenswürdig und machen eine gute Arbeit.“ Grundsätzlich bemängelt Schuler, dass die verschiedenen Tierschutzorganisationen im Lande zersplittert sind und nicht mit einer Sprache sprechen. Schuler fordert die Verantwortlichen auf, sich zusammenzutun. Denn ein einziger Dachverband mit einem Ansprechpartner würde vieles erleichtern.
Infos:
Tierheim Naturns (in St. Walburg Ulten):
324 613 59 59, info@tierheimnaturns.org
Tierschutzverein Vinschgau:
333 541 88 10, vinschgau@tierschutzverein.it
Beide Vereine finanzieren sich zum Großteil mit Spenden. Sie sind dankbar und die Unterstützung durch die 5 Promille der Steuererklärung.