Franz-Tumler-Literaturpreis – Die Nominierungen: Teil 1
Magdalena Saiger:
Was ihr nicht seht.
Edition Nautilus, Hamburg 2023.
Diesen Text wird nie jemand lesen“ - heißt es gleich im ersten Satz des Romans. Ein spannender Einstieg in die Geschichte des namenlosen Erzählers, der der Zivilisation den Rücken kehrt, seine geschneiderte Geschäftskleidung an den Nagel hängt und einen Ausstieg aus dem elitären und lukrativen Kunstbetrieb wagt. In einer verlassenen Lagerhalle, im Hinterland bei der Autobahn, beginnt er nach präziser Planung und gewissenhafter Materialiensuche ein Kunstwerk zu erschaffen, das nie jemand sehen wird. Sein Vorhaben verwirklicht er mit bemerkenswerter Entschlossenheit. Eines Tages taucht eine weitere Figur auf, die vom Erzähler Giacometti genannt wird. Auch dieser widersetzt sich dem Lauf der Dinge auf seine eigene Art und Weise. Trotz des distanzierten Verhältnisses halten sie als Verbündete zusammen, vor allem gegen Anfeindungen von außen. Giacometti wird nicht der einzige Kontakt zur Außenwelt bleiben. In einer Sprache, die sachlich, trocken und mitreißend zugleich ist, beschreibt Magdalena Saiger das Künstlerleben des Erzählers, der abwechselnd wütend, philosophisch und ironisch zu den Leser:innen spricht. Saigers Debüt ist ein intensiver und komplexer Roman, der die Verwundbarkeit, Verlorenheit, Wut, aber auch innere Stärke des Erzählers thematisiert. Eine „Reise ins Labyrinth“, auf der Suche nach Wahrhaftigkeit.
Anna Alber
Über die Autorin
Magdalena Saiger ist 1985 geboren und lebt in Hamburg. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Madrid und promovierte an der Universität Hamburg in Geschichte. Mit dem Manuskript ihres Debütromans war Magdalena Saiger Preisträgerin des Hamburger Literaturpreises 2020 und ist nun für den Franz-Tumler-Literaturpreis 2023 nominiert.