Vinschgau - EURAC - Mit einem Rucksack voller Boden kehrt der Bodenexperte Michael Steinwandter zurück ins Tal. Den Boden er einer Wiese auf 2.500 Metern in Form eines quadratischen Bodenziegels entnommen, um ihn jetzt im Labor in Bozen genauer zu untersuchen. Steinwandter gehört zum Team des Biodiversitätsmonitorings Südtirol von Eurac Research. Im Rahmen des Projekts erforschen die Expertinnen und Wissenschaftler von Eurac Research im ganzen Land unsere Artenvielfalt in vielen verschiedenen Lebensräumen, um Auswirkungen von Klimawandel und Landnutzungsänderungen frühzeitig zu erkennen. In dieser Serie stellen wir die einzelnen Erhebungspunkte im Vinschgau und erste Ergebnisse vor.
Alpine Lebensräume
Über ein Viertel der Landesfläche Südtirols liegt in einer Höhe von über 2.200 Metern. Hier kämpfen Pflanzen und Tiere mit widrigen Umweltbedingungen. Größere Gehölze fehlen weitestgehend, stattdessen dominieren niederliegende Gräser, Kräuter und Zwergsträucher. Es überwiegen hier bei allen untersuchten Tier- und Pflanzengruppen Spezialisten, also Arten, die fast nur in diesem Lebensraum vorkommen und die an die besonderen ökologischen Bedingungen angepasst sind. All das macht die alpinen Lebensräume zu den spannendsten, die im Biodiversitätsmonitoring Südtirol untersucht werden. Jedes Jahr werden zwölf Standorte oberhalb der Waldgrenze untersucht – sechs davon, also die Hälfte, lagen heuer im Vinschgau: zwei am Fuße der Jennwand oberhalb von Göflan, zwei beim Stilfser Joch, und zwei oberhalb von Kurzras, in der Nähe der Lazaun Hütte.
Bodenlebewesen
Für seine Bodenerhebungen bringt Steinwandter allerlei Utensilien mit ins Feld: Schaufel, Spaten, Fallen, Stangen und eine Blockform, um Bodenproben zu entnehmen. Im Labor in Bozen untersucht er vor allem Bodenlebewesen, die er durch Wärme aus dem Bodenblock extrahiert. In den kommenden Herbst- und Wintermonaten wird Steinwandter all die extrahierten und gefangenen Lebewesen bestimmen und auswerten. Erste Ergebnisse gibt es bereits bei anderen untersuchten Gruppen.
Eine Welt der Spezialisten
Bei den Erhebungen der alpinen Flächen im Schnalstal konnte der Ornithologe das seltene und gefährdete Schneehuhn verzeichnen, bei der Jennwand den seltenen Mauerläufer. Beide Vogelarten sind Spezialisten des Gebirges und brauchen offene und felsdurchsetzte Landschaften. Auch bei der Heuschreckenuntersuchung in den Schnalser Flächen und am Stilfser Joch fanden sich in erster Linie Gebirgsspezialisten: die Sibirische Keulenschrecke und die Gewöhnliche Gebirgsschrecke sind an die kargen Bedingungen in diesen Höhen angepasst – weiter unten im Tal sucht man sie vergeblich. Sogar einige Tagfalterarten haben sich an diese schwierigen Bedingungen angepasst. Ein besonderer Spezialist unter ihnen, wie der Name bereits verrät, ist der Hochalpen-Perlmuttfalter. Auch einige weitere Arten, die wir an den untersuchten Gebirgsstandorten fanden, etwa der Bergweißling oder der Graubraune Mohrenfalter, fühlen sich in alpinen Gefilden am wohlsten.
Mag uns eine alpine Landschaft auch noch so lebensfeindlich erscheinen, ist sie doch Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, und viele dieser Arten findet man nur hier.
Julia Strobl, Eurac Research