Nationalpark Stilfserjoch: Das Laaser Tal ein noch ruhiges Hochtal

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Gletscherstand im Laaser Tal im August 2018 Gletscherstand im Laaser Tal im August 2018

Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Margareth, Nothelferin, 20. Juli 2020

Das Laaser Tal ist ein orographisch rechtes Seitental der Etsch im Mittelvinschgau. Es verläuft nach Süden, ist nordexponiert und liegt in seiner gesamten Ausdehnung innerhalb des Nationalparks DJI 0228Stilfserjoch. Der Valdaunbach („Tolboch“) bewältigt bei einer Gesamtlänge von ca. 8,3 km vom Sandferner bis zur Mündung in die Etsch einen Höhenunterschied von 1.850 Metern, was einem durchschnittlichen Gefälle von 23% entspricht. Das Gletschertor liegt auf ca. 2700 m MH, die Mündung in die Etsch auf 850 m. Der Talbach überwindet dieses starke Gefälle nicht gleichmäßig, sondern in drei Steilstufen, wobei jene zwei bei den Wasserfällen am Ferner und bei der „Gurgl“ im Mittellauf besonders ausgeprägt sind. Der Bach hat ein hohes Erosionspotential.

Vegetationsstufen und Wald
Innerhalb von nur 8,5 km horizontaler Entfernung kann der Wanderer, wenn er die landwirtschaftlich genutzte Talsohle des Haupttales verlässt, die Vegetationsstufen vom montanen Fichten-Lärchenwald bis zu den Pionierpflanzen als Erstbesiedlern auf den Moränen und in den Gletschervorfeldern der nivalen Stufe erleben.
Der Laaser Wirtschaftswald am Nörderberg umfasst zwischen der Tschenglser und der Kortscher Katastralgrenze 1.800 Hektar Fläche. Der Holzvorrat wird zu 60% aus Fichten, zu 34% aus Lärchen und zu 6% aus Zirben aufgebaut.

Die Laaser Berge und der Marmor
20191207 142837DSC 0423Die Laaser Berge gehören zur Ortlergruppe. In dieser Gebirgsgruppe ragen nach Hanspaul Meanra 150 Gipfel über 3.000 Meter auf, davon 23 sogar über 3.500 m. Die höchste Erhebung in den Laaser Bergen ist die Vertainspitze mit 3.541 m. Sie liegt im Suldner Zaytal, gehört aber zum Gemeindegebiet Laas und weist heute noch einen Hängegletscher auf.
Im Talschluss des Laaser Tales fallen zwischen dem Rosskopf und der Einmündung des Zaytales am Sandferner die sogenannten 1842er-Moränen auf. Sie entstanden in der „Kleinen Eiszeit“, als bei einer Temperaturabkühlung in den Jahren von 1600 bis 1843 die Gletscher im gesamten Alpenbogen wuchsen und ihren Höchststand erreichten. Ein historisches Foto von der vormaligen Troppauer Hütte zeigt, dass der Laaser Ferner zur Jahrhundertwende 1800/1900 noch über die Fernerwand herabreichte und die Seitenmoräne des Rosskopfes wenig eingetieft war.
Das neue italienische Gletscherkataster von Claudio Smiraglia und Guglielmina Diolaiuti von der Universität Mailand (2015) gibt für den Laaser Gletscher eine Fläche von 426 Hektaren an, für 1980 505 ha. Die Abnahme von 79 ha Fläche in knapp 30 Jahren entspricht einem Flächenverlust von 18,5%.
Die Gesteine des Laaser Tales sind Urgesteine vulkanischen Ursprungs aus dem Ortlerkristallin, umgewandelt vor allem in Gneise und Phyllite aus der sogenannten „Laaser Serie“. Die Marmoradern und -linsen in der Jennwand sind hingegen Einschlüsse aus fast reinem Calciumcarbonat. Sie stammen aus Ablagerungen von Kalkschlämmen am Boden eines subtropischen Lagunenmeeres. Die Entstehung des Laaser Marmors als Sedimentgestein begann vor 500 Millionen Jahren am Meeresboden. Im Zuge der Auffaltung der Alpen wurden die Kalksedimente des Meeresbodens horizontal um mehrere Hundert Kilometer nach Norden DJI 0003DSC 1966verschoben und vertikal um mehrere Hundert Meter nach oben gedrückt. Dabei erfuhr das Ausgangsmaterial bei hohem Druck von mehreren Tausend Atmosphären und bei Temperaturen von mehreren Hundert Grad C in der variszischen und in der alpidischen Metamorphose zwei Umformungen. Das Kristallgitter des Gesteins wurde neu geordnet, alle fossilen Einschlüsse wurden zerstört. Marmor enthält deshalb im Gegensatz zu Dolomit keine Fossilien mehr. Die mikrokristalline Textur des Marmors aus der Jennwand verleiht ihm eine Härte von 3,5 auf der zehnteiligen Härteskala nach Friedrich Mohs. Kompaktheit, Frosthärte und die weiße Farbe machen den Laaser Marmor zu einem begehrten Figurenstein in der Bildhauerei und zu einem Dekorationsstein in der Innen- und Außenarchitektur.

Die Almwirtschaft
Seit in der Talsohle die Landwirtschaft von der milchviehhaltenden Landwirtschaft auf den Obst- und Gemüseanbau umgestellt worden ist, sind die Bestoßungszahlen mit Rindern auf den vormals zwei Galtvieh-Almen im Laaser Tal stark gesunken. Schafhaltung hat in Laas eine jahrhundertlange Tradition. Auch heute noch werden in Laas ca. 1.000 Schafe gehalten. Die Hälfte davon werden im Laaser Tal gesömmert, die andere Hälfte in der Transhumanz zur Sommerweide in das Ötztal getrieben.
Die Gebäude der Laaser Unteren Alm wurden im letzten Jahrzehnt von der Eigenverwaltung für Bürgerliche Nutzungsrechte in Stein und Holz neu errichtet. Die Obere Alm wird in den Sommermonaten von der lokalen Alpenvereinssektion als Verpflegungsstation bewirtschaftet.
Das Laaser Tal liegt auf der Route des „Marmorrundweges“ als Mehrtagestrekkings in den Gemeinden Martell, Stilfs, Prad, Laas und Schlanders. Derzeit gibt es seitens der Eigenverwaltung für Bürgerliche Nutzungsrechte Laas Bestrebungen, die Laaser Obere Alm zu einer Schutzhütte um- und auszubauen. Meiner Meinung nach sollte die Alm aber nicht zu einer Schutzhütte ausgebaut werden. Die Naturbelassenheit, die Ruhe, die ökologische Bedeutung für die Biodiversität von Lebensräumen und Arten in diesem noch nicht überlaufenen Hochtal sollten nicht einem kurzfristigen Profitdenken und dem Rummel der Massen geopfert werden. Notwendige sanitärhygienische Anpassungen der Almhütte sind auch ohne große Neu- und Zubauten bei Erhalt der wertvollen Holzarchitektur aus Rundholzbalken denk- und machbar.

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