Die „Korrnr“ vom Schimpfwort zum Stolz Vinschgaus

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Die Geschichte der „Korrnr“ ist die Geschichte von Armut, Realteilung, Besitzlosen und von Vorurteilen.

von Ludwig Fabi

s64 CD2Sowohl der Künstler und Dichter Luis Stefan Stecher mit seiner Sammlung „Korrnrliadr in lyrischen Gedichten“ und der Musiklehrer Ernst Thoma mit der Vertonung derselben Gedichte, haben die ehemalige Randgruppe der „Korrnr“ eine literarische und musikalische Aufmerksamkeit gewidmet, welche mittlerweile die Vinschger Seele mit Stolz erfüllt, wenn „Korrnrgedichte und -liadr“ vorgetragen und gesungen werden.

Die „Korrnr“, waren ein Wandervolk, welches im 18. und 19. Jahrhundert durch den Vinschgau und die benachbarten Regionen zogen. Sie machten bis zu 30 % der lokalen Bevölkerung aus und wurden als soziale und vor allem besitzlose Randgruppe von der restlichen Bevölkerung nur wenig geschätzt. Demnach sollen die „Korrnr“ gestritten, gestohlen und gelogen haben, während sie von einem Ort zum anderen zogen und handelten bzw. tauschten. Dabei waren „Korrnr“ längst keine Fremden. Ihre Abstammung war dieselbe wie die der restlichen Bevölkerung. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie keinen Hof oder andere Eigentümer besaßen. Die Realteilung dieser Zeit, bei dem der Besitz auf alle Kinder der Familie zu gleichen Teilen überging, die Bevölkerungszunahme und die aufkommende Armut konnte nicht alle Familien ernähren und so mussten einige von Haus und Hof. Durch kleinere Arbeiten wie das Besenbinden oder Körbe flechten versuchten sie durch die Runden zu kommen. Bis in die Zwischenkriegszeit des 20. Jhd. waren sie so unterwegs, ehe sie sich aufgrund des Umsiedlungsabkommen 1939 (Option) zwischen den italienischen Faschisten und den deutschen Nationalsozialisten s64 IMG 6902vorwiegend außerhalb des Vinschgaus niederließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten sie ihr Glück im Ausland, wo sie sich jenseits von Vorurteilen eine neue Existenz aufbauen konnten.

Diesem eigentümlichen kleinen Völkchen und derer Geschichte widmete der Maler und Poet Luis Stefan Stecher im Jahr 1978 einen lyrischen Gedichtband mit der Bezeichnung „Korrnrliadr“. Dort hat er viele Lebensweisheiten der „Karrnr“ eingebaut, die nachdenklich machen aber auch humorvoll sind. Ende der 1970er Jahre fielen diese Texte dem Vinschger Sänger und Komponisten Ernst Thoma zu. Thoma berührte vor allem der besondere Charme der „Korrnliadr“, der sich aus dem Zusammenspiel der Tragik der Geschichte und der Herzlichkeit, die der Vinschger Dialekts trotz seiner Härte transportierte, ergab. So hinterlegte Thoma einige der lyrischen Gedichte mit einer eigenen Melodie und begleitete sie mit Gitarre. Seine Vertonungen werden seitdem von ihm selbst oder in Begleitung, aber auch von Gesangsfreudigen im Vinschgau und in anderen Teilen Südtirols und Tirols mit viel Passion gesungen. Weitere Musikgruppen wie Titlá, Opas Diandl und Dominik s64 IMG 4938Plangger interpretierten die „Korrnliadr“ wieder neu. Jüngstes Projekt dazu ist die Gruppe „Flouraschworz“ welche derzeit erfolgreich mit zeitgenössischen Interpretationen durch den deutschsprachigen Raum tourt. Die Beliebtheit der „Korrnliadr“ ergibt sich laut dem Volkskundler Thomas Nussbauer wohl daraus, dass die Texte einen wichtigen Aspekt des Obervinschger Identitätsbewusstsein, wie die gemeinsame Geschichte und die Sprache, erfassen und eine ideale Verbindung von Humor, Regionalgeschichte und Regionalidentität bilden.

 

Quellen:
Luis Stefan Stecher – Korrner Liadr Folio- Verlag 2009
Ramona Zueck - Korrnrliadr - Ein lyrisch-musikalischer Umschwung in der Geschichte einer Tiroler Minorität

 

"Korrnr"
Sia l'artista e poeta Luis Stefan Stecher, con la sua raccolta "Korrnrliadr in poesie liriche", sia l'insegnante di musica Ernst Thoma, con l'ambientazione delle stesse poesie, hanno dedicato attenzione letteraria e musicale all'ex gruppo marginale dei "Korrnr", che ora riempie l'anima della Val Venosta di orgoglio quando vengono recitate e cantate le "poesie dei Korrnr".

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