Kultur: Transzendenz

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Blick vom über 3304 Meter hohen, einstmals vergletscherten Gipfel der Laaser Spitze auf die Südseite der Jennwand. Überall wird Johannes der Täufer als Wasserpatron verehrt. Der Name "Hanswand" wird aus dem Rätoromanischen abgeleitet, aus Jan für Hans wird Jenn.
Die Laaser Spitze wurde früher auch "Orgelspitze" genannt; darin steckte noch der alte Name für "Orken". Als "Norggen" oder „Nörggelen“ tummeln sie sich auf unseren Bergen, sind ungemütliche, tückische Berggeister, die sich polternd und krachend auf die Menschen stürzen.

Transzendieren bedeutet wörtlich "Übersteigen". Zeit wird sichtbar und übersteigt unser gewohntes Denken. Gemeint ist auch der Übergang von Gesteinsschichten verschiedenen Alters. Sofort werden Theorien über den Lauf der Weltgeschichte aufgestellt.

Auf der Laaser Spitze habe ich mich mit dem Gianni über den Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner unterhalten. Wird bei ihm die Frage nach dem Jenseits gestellt?
Nebenbei erzählt der Reinhold, dass er sich beim Berggehen ständig von einem Du begleitet fühlt. Wie von einem Schutzengel.
Das Übersteigen, also die Trans­zendenz, ist die Seele dieser Überwelt. Das Überwinden der Höhenmeter verändert das Denken.

Während der Reinhold mit der Besteigung aller Achttausender unterwegs war, besorgte Siegfried de Rachewiltz zusammen mit der ARUNDA eine gewaltige "Blockarbeit". Mit dem Buch "Flickwerk" entstand auf 340 Seiten eine Pyramide mit Aufgefundenem und Wiederverwertetem. Das reicht vom Wasserblech bis zu den wärmenden Fäustlingen aus dem Ersten Weltkrieg.

Gianni Bodinis erstaunliche Fotos habe ich als "theologische Augenblicke" bezeichnet. Theologisch, weil dem Fotografen die Sonne als oberste Gottheit gilt. Weil das Licht auch auf die weibliche Mondgöttin fällt, wird er zusätzlich zum Priester der Mondgöttin. Im "Augenblick" ist sowohl das schöne Bild als auch das Klicken der Fotokamera enthalten.
Das Liebespaar Claudia und Gianni flüchtete vor Jahrzehnten aus der Millionenstadt Mailand und zog nach Martell, in eine alte Mühle. Auch das ist Transzendenz. Hier auf dem Land gibt es noch Natur und vor allem Wasser! Seitdem durchforstet der Gianni die bäuerliche Kultur und zeigt den Bergbauern mit Lichtbildern den Reichtum unserer Heimat.

Der Reinhold Messner spürt beim Berggehen im Rücken einen Begleiter, ein Du. Das erinnert an die Philosophie von Ferdinand Ebner und Martin Buber; ein Katholik und ein Jude treffen sich mit dem gleichen Anliegen: Begegnung im Du.
Dazu gehören ebenfallls die beiden Du-Sucher Gottfried Masoner und der "Bettelmaler" Alois Kuperion, denen die ARUNDA ein ganzes Buch gewidmet hat. Auf Anregung vieler Freunde wie Paul Preims, Roland Kristanell, Norbert Florineth, Inge und Michael Höllrigl und vieler anderer.

Matteo, der Sohn von Claudia und Gianni, der Cellist, streicht mit dem Bogen über die Saiten seines Instrumentes. Musik ist die schönste Transzendenz. Es klingt sanft und schmeichelnd, ­sonnenbeschienen. Wie das Licht auf dem Bergrücken zwischen Laaser Spitze und Jennwand.

 

Hans Wielander

 

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