Buchbesprechung
Miku Sophie Kühmel:
Kintsugi.
Roman. Fischer: 2021. 304 S.
Ein Ferienhaus am See, ein schwules Paar, zwei Vertraute zu Besuch. Das Setting ist beschaulich, lässt aufatmen, die Zeit dehnt sich. Kühmel gestaltet ihr Debüt anschmiegsam, einer aufregenden Erzähltechnik folgend: Alle vier kommen zu Wort. Obwohl sie selbstgefällig um sich rotieren, besinnen sie sich aufeinander. Sie geben den Lesenden ein vierfaches Bild von sich und ihrer engen Verbindung. Damit erzeugt die Autorin Hochspannung. Lässt lange wabern, verschiebt geduldig die Puzzlestücke. Beseelt und mitunter brachial peinigen sich Max und Reik, ihr Freund Tonio und dessen Tochter Pega im Dunst von Cognac und Grüntee. Vatergefühle, Besitz, Freiheit, Enttäuschung und prickelnde Begierde lassen sie aufeinander zu treiben, gibt es den unausweichlichen Knall? Welche Gewalt kann sie in Stücke reißen? Kintsugi ist wie die Kapiteltitel japanisch und umschreibt das Kunsthandwerk, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu reparieren. Wer in dieses Buch hineinfindet, wird bald eingeschnürt durch die konfliktreiche Liebe der vier. Man kittet, doch die Bruchstellen sind nicht zu verdecken. Sie werten auf, nicht ab. Ein selten hingebungsvoll erzählter Roman, durch den auch die Abwesenden und das Unausgesprochene schimmern. Wie Kire, das japanische Konzept für den belebenden Schnitt, der teilt, eint, reiht. Für jene, die eine besondere Lektüre suchen.
Maria Raffeiner