Der Winter ist im kontinentalen Klima der Alpen der auslesende Faktor im Artenspektrum der höheren Tiere. In der nahrungsknappen Zeit müssen Tiere Strategien beherrschen, um unter den unwirtlichen Bedingungen in ihrem Lebensraum zu überleben. Das Aufrechterhalten der konstanten Körpertemperatur eigenwarmer Tiere und der anderen Lebensfunktionen ist energieintensiv. In diesem Beitrag zeige ich ein paar Überlebensstrategien auf, die sich im Laufe der Evolution bei Singvogelarten herausgebildet haben. Grundsätzlich gilt die Regel, dass der Stoff- und der Energieumsatz umso höher sind, je kleiner ein eigenwarmes Tier in seiner Körpergröße ist.
IT Sintesi: Stategie di svernamento
In ambienti di alta montagna come le Alpi l´ inverno rappresenta il fattore selettivo che decide sulla presenza o assenza di specie vegetali e faunistiche. In questo contributo vengono trattate le diverse e a volte sbalorditive strategie di adattamento di diverse specie ornitiche a questa stagione ostile alle condizioni di vita in biocenosi estreme:
la strategia della modifica della dieta alimentare da insetti a semi oleiferi delle Cincie come specie sedentarie, la strategia dell´evasione dall´inverno per migrazione delle specie migratorie come le Rondini, il fenomeno fantastico dell´orientamento e della memoria derivante da un alto gradino di sviluppo del cervello durante l´evoluzione, la strategia dell´approvvigionamento della Nocciolaia, la strategia della iperattività del Regolo, la strategia del pendolarismo giornaliero del Gracchio alpino, la strategia dell´immersione sott´acqua del Merlo acquaiolo, le diverse forme anatomiche del becco nella famiglia dei Fringuelli (Fringillidae) come artiglio per inserirsi in nicchie trofiche riservate fino alla sorprendente strategia della covata invernale per abbondanza di cibo come nel caso del Crociere e del Gipeto barbuto.
Wolfgang Platter,
vormaliger Direktor des Nationalparks Stilfserjoch
Die Vögel gehören mit den Säugetieren zu den zwei Klassen mit Eigenwärme, das heißt sie haben eine eigene Regulierung zur konstanten Körpertemperatur weitestgehend unabhängig von der Umgebungstemperatur, in der Fachsprache Homoiothermie. Demgegenüber sind die drei anderen Klassen der Wirbeltiere Fische, Lurche und Kriechtiere wechselwarme Tiere ohne eigene Regulierung ihrer Körpertemperatur. Die Körpertemperatur der wechselwarmen, poikilothermen Arten gleicht sich an die Außentemperatur an. Bei tiefen Wintertemperaturen drosseln die wechselwarmen Tiere ihren Stoffwechsel und Energieverbrauch sowie die anderen Lebensfunktionen stark bis hin zur energiesparenden Winterstarre.
Zurück zu den Vögeln und ihren Überwinterungsstrategien. Diese Überlebensstrategien sind vor allem an das verfügbare bzw. fehlende Nahrungsangebot angepasst. Unter den Vögeln gibt es in punkto Ernährung reine Vegetarier, die sich aus Samen und oder Früchten ernähren, dann auch reine Insekten- und Fleischfresser. Zwischen diesen zwei Gruppen gibt es Mischformen. Und manche Vogelarten sind Nahrungsopportunisten, welche sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung aufnehmen. Besonders in der Brutzeit nehmen sonst rein vegetarisch lebende Vogelarten auch Insekten auf, um den Eiweißbedarf ihrer Jungen zu decken.
Insektennahrung ist im kalten Alpenwinter nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Eine erste erfolgreiche Überlebensstrategie im Alpenklima heißt deshalb Nahrungsumstellung.
Strategie Nahrungsumstellung
Diese Strategie beherrschen etwa verschiedene Vertreter aus der Familie der Meisen (Paridae). Im Sommer vorwiegend bis ausschließlich Insektenfresser, stellen sie im Winter auf Sämereien um und decken aus der Körnernahrung ihren Eiweiß- und Fettbedarf. Alle haben wir schon die auf den herbstlichen Samenständen der Sonnenblumen geschickt und kopfunter hängenden und turnenden Kohlmeisen (Parus major – ital. Cinciallegra) beobachtet oder die vorsichtigen, scheueren und kleineren Blaumeisen (Cyanistes caeruleus – Cinciarella) beim flüchtigen Besuch am Futterhäuschen entdeckt, wie sie mit einem Hanfkern abfliegen. Durch die Nahrungsumstellung von Insekten auf Körner können diese Vogelarten als sogenannte Standvögel ganzjährig bei uns verweilen.
Strategie Ausweichen
Eine zweite Strategie heißt Ausweichen in andere Nahrungsgründe. Viele Arten von insektenfressenden Vögeln werden zu Zugvögeln und unternehmen weite Flurgreisen in südliche Überwinterungsgebiete und zurück in ihre sommerlichen Brutgebiete bei uns oder weiter nördlich. Beispiele dafür sind etwa die Mehlschwalbe (Delichon urbica – Balestruccio), die Rauchschwalbe (Hirundo rustica – Rondine) oder der Mauersegler (Apus apus – Rondone comune) als Flugjäger von Insekten. Bei den Zugvögeln gibt es Kurzstreckenzieher und Langstreckenzieher.
Kurzstreckenzieher bleiben bei ihrem Vogelzug dies- und jenseits des Mittelmeeres, überqueren die Sahara nicht und kommen im Frühjahr auch schon Ende Februar, Anfang März aus ihren Winterquartieren zu uns zurück. Beispiele für Kurzstreckenzieher sind die Bachstelze (Motacilla alba – Ballerina bianca), die Schafstelze (Motacilla flava – Cutretolla) oder der Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus – Codirosso comune). Langstreckenzieher, welche das Mittelmeer und die Sahara überqueren und bis in das äquatoriale Afrika fliegen, sind etwa der Kuckuck (Cuculus canorus – Cuculo). Er kehrt erst Mitte Mai in die Alpen zurück. Die Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla – Capinera) ist sowohl Kurz-, als auch Langstreckenzieher. Der erd- und rindenfarbig getarnte Wendehals (Jynx torquilla – Torcicollo) ist aus der Familie der Spechte die einzige Zugvogelart. Alle anderen einheimischen Specht-Arten sind Standvögel. Der Wendehals ist ein sogenannter Erdspecht. Seine Hauptnahrung sind Ameisen, die er vom Boden aufliest. Weil Ameisen im Winter an der Bodenoberfläche nicht zur Verfügung stehen und sich in tiefere Erdschichten und in die Wärme ihres Nestes als Insekten-Dauerstaat zurückziehen, ist für den Wendehals die Nahrungskette im Winter bei uns unterbrochen. Notgedrungen musste er mit dieser seiner Nahrungsnische Erdameisen im Laufe der Evolution zum Zugvogel werden. Auch der Wendehals ist ein Langstreckenzieher und kehrt erst wieder im Mai in unsere Streuobstwiesen und Parkbäume zurück. Der Wendehals ist außerdem ein Höhlenbrüter. Sein Schnabel ist nicht kräftig genug, um sich selbst Bruthöhlen zu zimmern. Daher nimmt der Wendehals aufgelassene Spechthöhlen oder ausgefaulte Astlöcher im Altholz an. Im heutigen, intensivierten Obstbau mit Niederstammbäumchen fehlen Streuobstwiesen mit Hochstämmen und alten Ästen fast völlig und der Wendehals hat Wohnraumnot.
Phänomen Orientierung
Phänomenal und Bewunderung auslösend sind die Gedächtnisleistungen und das Orientierungsvermögen von Zugvögeln. Zugvögel können sich mit ihrem Gehirn ein Grobbild von Großlandschaften einprägen und merken. Unter den Zugvögeln gibt es Tag- und Nachtzieher. Nachtzieher sind beispielsweise verschiedene Arten von Wildgänsen oder auch die Nachtigall (Luscinia megarhynchos – Usignolo). Lange Zeit hat man angenommen, dass sich Nachtzieher an den Sternenbildern orientieren. Aber diese Annahme reicht nicht aus, zumal Nachtzieher auch bei Schlechtwetter mit bedecktem Himmel ziehen, ihre Flugroute nicht verfehlen und ihren Zielort auffinden. Nach heutigem Forschungsstand nehmen wir an, dass das Finden und Einhalten der richtigen Flugroute eine kombinatorische Leistung aus visueller Orientierung über die Augen und eine Art „Radarsteuerung“ durch das Magnetfeld der Erde ist. Wie Versuche mit dem Rotkehlchen (Erythacus rubecula – Petirosso) gezeigt haben, haben zumindest verschiedene Zugvogelarten neben dem Sonnen- oder Sternenkompass auch noch einen Magnetkompass zur Verfügung. Der Auslöser des Vogelzuges kann edogene (hormonelle) Ursachen haben oder wetterbedingt sein. Dementsprechend unterscheidet man auch „Instinktvögel“ von Wettervögeln“.
Aus neueren Forschungen wissen wir, dass Gedächtnis und Orientierung im Vogelgehirn oben im sogenannten Hippocampus verortet sind. Und dieser Hippocampus bringt uns auf eine nächste Überwinterungsstrategie: die Vorratshaltung.
Strategie Vorratshaltung
Einen besonders großen Hippocampus hat der Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes – Nocciolaia). Der Tannenhäher, dialektal bei uns die Zirbmgratsch, ist ein sogenannter Streuhorter. In einem Jahr mittlerer Ernte sammelt er etwa 100.000 Zirbelnüsse. 80% findet er in der gänzlich veränderten Schneelandschaft wieder, die restlichen keimen büschelweise. Daher wird der Tannenhäher auch als Zirbenwaldgärtner bezeichnet, weil er durch seine Sammeltätigkeit wesentlich zur Verjüngung des Zirbenwaldes beiträgt. Da er bis zu fünftausend Verstecke wiederfindet, beweist der Tannenhäher hohe Intelligenz. Er gehört zur Familie der Rabenvögel (Corvidae). Raben gelten unter den einheimischen Vogelfamilien als ähnlich intelligent wie unter den exotischen Vögeln die Papageien. Die hohe Intelligenz des Tannenhähers ist auch anatomisch aus der Größe seines Hippocampus im Gehirn dokumentierbar. Einen großen Hippocampus haben z.B. auch die Brut-schmarotzer wie der Kuckuck. Er muss sich Ort, Lage und Fortschreiten des Geleges und der Brut von Wirtsvögeln genauestens einprägen können, um sein Wirtsei im richtigen Augenblick und erfolgversprechend dazu zu legen.
Strategie Hyperaktivität
Eine andere Strategie wenden die Goldhähnchen an. Die Goldhähnchen sind die kleinsten Vögel Europas. Sie sind noch zarter als der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes – Scricciolo). Das Körpergewicht der Goldhähnchen liegt bei 5 Gramm. Es gibt die zwei einheimischen Arten Wintergoldhähnchen (Regulus regulus – Regolo) und Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapilla – Fiorrancino). Dem Wintergoldhähnchen fehlt im Gesicht als Unterscheidungsmerkmal der weiße Überaugenstreif des Sommergoldhähnchens. In seinem Verbreitungsgebiet kommt das Wintergoldhähnchen noch weiter nördlich bis in die fennoskandischen Staaten vor, das Sommergoldhähnchen nur bis Norddeutschland und Südengland. Beide Goldhähnchen-Arten tragen sowohl ihre Stimmfühlungslaute als auch ihren Gesang in so hohen Frequenzen vor, dass diese der Obergrenze des menschlichen Hörvermögens nahekommen. Die Goldhähnchen wirken quicklebendig und sind immer in Bewegung. Ihr hoher Aktivitätsrhythmus bedingt auch einen hohen Energieverbrauch. Und so verbringen die Goldhähnchen den allergrößten Teil ihrer Aktivitätsstunden während des Tages damit, Nahrung zu suchen und zu sich zu nehmen. Bei seinem hohen Stoffwechselumsatz und Energieverbrauch durch das Schwebfliegen muss das Goldhähnchen täglich gleich viel oder mehr als sein eigenes Körpergewicht an Nahrung aus Kleininsekten finden und aufnehmen, um in den nächtlichen Ruhestunden ohne Energieaufnahme nicht zu verenden. Vor allem im Winter diese Menge an Läusen und Kleininsekten zu finden, kein leichtes Unterfangen. Das Wintergoldhähnchen sucht dazu bevorzugt hängende Fichtenzweige in der Gipfelregion dieser Baumart ab. Schneebedeckte Zweige fliegt es häufig von unten an und hängt sich dann kopfunter in die Nadeln.
Ein wahres Meisterstück ist der Nestbau des Goldhähnchens. Das Nest ist ein tie-fer, dickwandiger Napf, der nicht auf einer Unterlage steht, sondern in einer Astgabel oder zwischen zwei kleinen Ästen, die z. T. eingewoben sind, aufgehängt ist. Dieses Hängenest ist ein stabiles Gebilde, in dem selbst bei starkem Regen die Jungen nicht gefährdet sind, weil die Nestmulde auch dann trocken bleibt. Bei großen Wassermengen kann sich das Nest so vollsaugen, dass das Gewicht des Nestes das Fünffache des Trockengewichtes erreicht. Selbst bei anhaltendem Regen rutschen die Nester nicht aus ihrer Aufhängung. Die Wärmeisolation der Nestwand ist hervorragend, sodass das Weibchen während der Brut bei jeder Witterung bis zu 25 Minuten fortbleiben kann, ohne dass die Eier auskühlen. Die Widerstandsfähigkeit des Nestes beruht auf seinem hohen Anteil von Spinnseide. Die Goldhähnchen entnehmen dieses Baumaterial den Eierkokons von Spinnen und den Gespinsten mancher Raupen.
Strategie Pendeln
Eine weitere erfolgreiche Überlebensstrategie haben die Alpendohlen (Pyrrhocorax graculus – Gracchio alpino) entwickelt.
Als Schwarmvögel pendeln sie im Winter bei Schlechtwettereinbrüchen von ihren Schlafplätzen in den Felsen oberhalb der Baumgrenze täglich in die Talsohle, fallen auf Hausdächer ein und nehmen etwa in den Obstanlagen faulende Äpfel aus Fallobst als Nahrung auf. Abends kehren die Alpendohlen aber täglich zu ihren Schlafplätzen im Hochgebirge zurück.
Auch haben sich die Alpendohlen als Kulturfolger dem Menschen genähert. So wissen sie genau, dass etwa auf Schutzhütten immer Speiseabfälle als Nahrung für sie anfallen. In der Beobachtung der Menschen gelten die Alpendohlen bei uns als Vorboten von Schneefall, fallen ihre Tagesausflüge in die Talsohle doch auffallend oft mit Schlechtwettereinbrüchen zusammen.
Strategie Schnee-Iglu
Von den vier einheimischen Raufußhühner-Arten Haselhuhn, Auerhuhn, Birkhuhn und Schneehuhn steigt das Schneehuhn am höchsten in die Berge auf. Sein Lebensraum sind die Geröllhalden und vegetationsoffenen Hochlagen weit oberhalb der Wald- und Baumgrenze. Es ist in diesem Extremlebensraum ganzjähriger Standvogel und hat viele Anpassungen entwickelt. Bekannt ist seine mehrmals jährlich ablaufende Gefiedermauser vom Sommer- in das Winterkleid und umgekehrt. Tarnfarbe vor den Fressfeinden Steinadler und Rotfuchs, aber auch Kälteschutz sind die Gründe für diesen Stoffwechsel und Energieaufwand, welche mit dem Wechsel des Federkleides verbunden sind. Befiederte Füße und Hornstifte an den Zehen vergrößern die Auftrittsfläche und verhindern das Einsinken in den Neuschnee. Einschränkung der Bewegungsaktivität vermindert den Energieverbrauch. Und wenn es am windgefegten, aperen Grat, dem einzigen Ort mit spärlicher Nahrung aus zellulosereichen und schwer verdaulichen Blättern und Knospen zu kalt wird, lässt sich das Schneehuhn einfach einschneien und wärmt sich mit seinem luftig aufgebauschtem Gefieder unter der isolierenden Schneedecke seines Iglus. Es kann stunden- bis tagelang in dieser Schutzbehausung verharren und vermeidet energieintensives Fliegen. Wenn es allerdings von Wintersportlern wie Skitourengehern gestört wird, fliegt es ab und kann bei wiederholten Störungen auch an seine Letalitätsgrenze kommen.
Strategie Abtauchen
Ein Alleinstellungsmerkmal und eine exklusiv reservierte Nahrungsnische hat die Wasseramsel (Cinclus cinclus – Merlo acquaiolo) gefunden. Sie ist ganzjähriger Standvogel an sauberen, auch rasch fließenden Gebirgsbächen und verteidigt ihren Bachabschnitt gegen arteigene Eindringlinge. Die Wasseramsel taucht in das Wasser und wendet unter Wasser mit Füßen und Schnabel Kieselsteine, um an deren Unterseite die Larven von verschiedenen Fliegenarten wie Eintagesfliegen oder Köcherfliegen abzusammeln. Im Laufe der Evolution hat diese Vogelart noch weitere Anpassungen an den Lebensraum Fließgewässer entwickelt: Das Gefieder ist dichter als bei anderen Singvogelarten. Die große Federdichte erhöht die Wirkung als Isolator. Mit dem öligen Sekret der Bürzeldrüse wird das Gefieder imprägniert und dadurch wasserabweisend. Die Nasenöffnungen am Schnabelansatz können durch Häute verschlossen werden, eine Anpassung an das Tauchen. Die relativ kurzen und gerundeten Flügel fungieren unter Wasser als Ruder. Die Muskulatur des Auges ist für das Sehen unter Wasser besonders kräftig entwickelt. Die kräftigen Zehen mit spitzen Krallen gestatten es, sich an den glatten Steinen besser zu halten und kräftig abzustoßen. Im Gegensatz zu den meisten Vögeln sind bei der Wasseramsel die Knochen nicht hohl, sondern mit Mark gefüllt. Dadurch wird deren spezifisches Gewicht erhöht und der Auftrieb beim Tauchen vermindert. Das spezifische Gewicht ist auch dann noch nicht hoch genug, um den Vogel beim Tauchgang mühelos unter Wasser zu halten. Daher nutzen Wasseramseln die Strömung aus. Sie stemmen sich mit schräg nach unten geneigtem Kopf, schräg nach oben gestelltem Rücken und Schwanz und mit etwas abgespreizten Flügeln gegen die Strömung und werden so auf den Bachgrund gedrückt. Auf dem Grund laufen sie gegen die Strömung. Sie brauchen nur ihre Körperhaltung etwas zu verändern und schießen dann wie Korken an die Wasser-oberfläche.
Der Schnabel als Werkzeug
Für die Vögel gilt die Regel „zeig her deine Füße und deinen Schnabel und ich sage dir wer du bist!“ Dermaßen spezialisiert sind die Schnabel- und Fußausformungen auf den Nahrungserwerb zugeschnitten. Besonders augenfällig sind die Adaptionen bei der großen und artenreichen einheimischen Vogelfamilie der Finkenvögel (Fringillidae). Der Schnabel des Stieglitzes oder Distelfinkes (Carduelis carduelis – Cardellino) ist eine schmale spitze Pinzette, um tief in die engen Samenstände der Disteln und Karden einzudringen und die Samen herauszuholen. Dabei nimmt der Stiglitz auch seine Füße zu Hilfe. Der breite Schnabel des Gimpels (Pyrrhula pyrrhula – Ciufolotto) ist eine hervorragende Beerenpresse, um Knospen oder das das Fruchtfleisch von Beerenfrüchten wie beispielsweise der Eberesche oder Vogelbeere zu zerquetschen und an deren Samen zu kommen. Dass der Gimpel dabei seine Füße zum Festhalten der schwankenden Triebe zur Hilfe einsetzen würde wie der Stieglitz, diese Verhaltensweise fehlt dem Gimpel völlig. Der klobige Schnabel des Kernbeißers (Coccothraustes coccothraustes – Frosone) ist im Ober- und Unterschnabel gebaut wie Schneidezange und Schraubstock. Damit hat sich der Kernbeißer exklusiv die Nahrungsnische der größten und härtesten Samenkörner erschlossen. Zum Knacken eines Kirschensteines müssen 27-43 kg Druck aufgewendet werden. Im Winter nimmt der Kernbeißer jetzt vor allem die Samen von Esche und Ahorn an, deren verholzende Wand er knacken kann. Der überkreuzte Schnabel des Fichtenkreuzschnabels (Loxia curvirostra – Crociere) funktioniert wie eine Spreizzange zwischen den Schuppen der verholzten Zapfen verschiedener Nadelhölzer und erschließt dem Kreuzschnabel die ölhaltigen Samen von Lärche, Fichte und Kiefer. Weil die Samen dieser Koniferen-Arten jetzt im Herbst und Winter am reichlichsten zur Verfügung stehen, hat der Fichtenkreuzschnabel sein Brutgeschäft in den Winter verlegt.
Strategie Winterbrüter
Nicht alle Vogelarten müssen im Winter hungern, darben oder mit geringerer Energie auskommen. Es gibt im Winter in manchen Nahrungsnischen sogar einen reich gedeckten Tisch. Das überreiche Angebot an ölhaltigen Samen von Nadelhölzern habe ich oben erwähnt. Und wenn das Nahrungsangebot gut und ausreichend ist, schreiten Vögel zur Brut. Der Fichtenkreuzschnabel ist eben deshalb zum Winterbrüter geworden, weil das Samenangebot in seiner reservierten Nahrungsnische dann am höchsten ist.
Mit der Verlegung seiner Brutzeit in den Winter ist der Fichtenkreuzschnabel nicht allein. Auch der Bartgeier (Gypaetus barbatus – Gipeto barbuto), zwar kein Singvogel, hat diese Strategie entwickelt. Weil für den Knochenfresser Bartgeier das Nahrungsnagebot aus Fallwild im ausapernden Winter am größten ist, hat der Bartgeier seine Eiablage und Brutzeit in den Hochwinter verlegt. Der Schlupf der Jungen erfolgt im ausapernden Winter, wenn Fallwild aus Lawinen und Abstürzen ausapert und die Röhrenknochen aus abgefressenen Skeletten exklusiv zur Verfügung stehen. Nur der Bartgeier kann sich, dank seiner aggressiven Magensäure, die im pH-Wert der Salzsäure entspricht, das eiweiß- und fettreiche Knochenmark konkurrenzlos vor anderen Kommensalen erschließen.
Das neue Nationalparkhaus avimundus Schlanders:
Ab dem Frühjahr 2021 werden alle interessanten Sachverhalte, alles Wissenwerte, Bekanntes und neu Erforschtes zu allen in Südtirol vorkommenden, brütenden und durchziehenden Vogelarten im neuen Nationalparkhaus avimundus in der Fußgängerzone in Schlanders zu bestaunen, zu bewundern und zu erfahren sein.