Modellregion Nationalpark Stilfserjoch

geschrieben von

Der Nationalpark Stilfserjoch ist etwas Besonderes: der einzige Nationalpark in Südtirol, einer von 13 Nationalparks in den Alpen und einer von 24 Nationalparks in Italien. 1935 gegründet, ist der Park mit 130.734 ha auch eines der ältesten und größten Naturschutzgebiete Europas. Unter dem Faschismus von oben eingesetzt, wurde er lange von der Bevölkerung abgelehnt. Heute wird daran gearbeitet, aus dem Park eine Modellregion für nachhaltiges Leben in den Alpen zu machen.

von Heinrich Zoderer

Die Sehnsucht nach Wildnis, exotischen Naturlandschaften, nach bäuerlicher Ursprünglichkeit ist sehr groß. Alte Kulturgüter, einsame Bergseen, abenteuerliche Wanderwege, tiefe Schluchten, seltene Bergblumen und Bergkräuter, wilde Tiere, hohe Berggipfel mit einmaligen Rundblicken ziehen Menschen an und vermitteln Naturerlebnisse, die vor allem eine städtisch geprägte Bevölkerung sucht. Aber auch die einheimische Bevölkerung genießt die Ruhe und Erholung in der Bergwelt. Nicht zuletzt durch die Coronakrise, ist uns bewusst geworden, dass wir ein Teil dieser gewaltigen und faszinierenden Natur sind, die uns ernährt und beschützt, uns aber auch s88 4 Monika Schwembacherbedrohen kann. Naturschutz, Artenschutz, sowie ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen, diese Forderungen gelten heute nicht nur in Natur- und Nationalparks, sondern in allen Landschaften der Erde. Früher gab es große Gegensätze zwischen Wirtschaftsverbänden und Naturschutzorganisationen. Stand für die einen der Schutzgedanke im Mittelpunkt, so versuchten die anderen in erster Linie und unter allen Umständen einen wirtschaftlichen Gewinn zu erreichen. Unterschiede gibt es immer noch, trotzdem fällt auf, dass heute ganz viele und sehr unterschiedliche Institutionen und Verbände daran arbeiten, vielfältige Landschaften und alte Kulturgüter zu erhalten und ein Wirtschaften im Einklang mit der Natur zu ermöglichen. Dieser Paradigmawechsel hat dazu geführt, dass heute niemand mehr die Auflösung des Nationalparks fordert, sondern viele an der Gestaltung des Parks arbeiten. Der Nationalpark soll zu einer Modellregion für ein nachhaltiges Wirtschaften und Leben werden, zu einem Vorzeigeprojekt wie der Mensch und die Natur in den Alpen zusammenarbeiten. Dabei spielen der Tourismus und die Landwirtschaft eine entscheidende Rolle. An diesem Prozess beteiligt sich nicht nur die Nationalparkverwaltung, sondern auch der Bauernbund und der IDM, der Sonderbetrieb des Landes, der sich für Innovation, Development (eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung) und Marketing einsetzt, um lokaler Unternehmen zu stärken und wettbewerbsfähig zu machen. Neben dem Schutz der Tier- und Pflanzenwelt und der Erforschung der besonderen Ökosysteme, wurde durch die Errichtung der Nationalparkhäuser, von Wander- und Themenwegen großer Wert auf die Umweltbildung und das Erleben der Natur gelegt. In den letzten Jahren gab es mehrere Workshops und Treffen rund um die touristische und landwirtschaftliche Entwicklung im Nationalpark. Ein strategisches Ziel ist es regionale Produkte und Wirtschaftskreisläufe zu fördern. 2018 wurde eine erste Broschüre mit regionalen Produkten von Produzenten aus dem Nationalpark veröffentlicht. In Zukunft soll es eine Online Plattform geben, mehr Bauernmärkte, Hofführungen und spezielle Souvenirpakete mit Produkten aus dem Nationalpark. Durch Patenschaften soll die Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus gestärkt werden, in Nationalparkabenden und Genusswochen soll auf die Schönheiten und die Besonderheiten in landschaftlicher und kulinarischer Hinsicht hingewiesen werden. IDM Südtirol und das Amt für den Nationalpark Stilfserjoch hat in Zusammenarbeit mit dem Ökoinstitut Südtirol einen Fragebogen entwickelt, um den im Parkgebiet ansässigen Beherbergungsbetrieben eine Bewertung ihres Nachhaltigkeitsgrades zu ermöglichen. Betreut wird dieses Projekt von Lukas Stecher, Mitarbeiter der IDM und von Stefanie Winkler vom Amt für den Nationalpark Stilfserjoch. Für die Betriebe soll es eigene Qualitätskriterien, ein eigenes Gütesiegel mit Herkunftsbezeichnung geben wie z.B. das in Südtirol verwendete Qualitätssiegel „Roter Hahn“ oder „Qualität Südtirol“ bzw. das Qualitätssiegel der Bioverbände Bioland oder Demeter.

 

Monika Stocker Schwembacher
Botschafterin für bäuerliche Produkte

s91 martellDamit diese Überlegungen wachsen und sich entwickeln können, braucht es Pioniere. Eine davon ist die Bäuerin Monika Stocker Schwembacher vom Niederwieshof am Eingang des Martelltales. Hinter Morter, dort wo die Straße recht kurvenreich ist, liegt auf der rechten Seite der Niederwieshof, umgeben von Obst-, Kirsch-, Himbeer-, Johannisbeer- und Marillenfeldern. Monika Schwembacher hat vor 10 Jahren einen ESF Kurs der Bäuerinnenorganisation in der Haushaltungsschule Kortsch besucht. Der Kurs dauerte mehrere Monate. In 156 Stunden wurden die Bäuerinnen darin geschult für private Feiern, Betriebsfeiern oder öffentliche Veranstaltungen unter dem Titel „Bäuerinnen Brotzeit – gsund und guat“ ein Buffet mit regionalen Produkten zu präsentieren, das schön aussieht und köstlich schmeckt. Später besuchte sie einen Kurs über die Milchverarbeitung. Heute macht Monika Schwembacher regelmäßig Hofführungen, sie ist Brotzeit-Bäuerin, Referentin für Koch- und Backkurse, Botschafterin für die Südtiroler Milch und für bäuerliche Produkte. Bei Festen, Betriebs- und Vereinsfeiern und Ausstellungseröffnungen zaubert sie ein Buffet mit verschiedenen Produkten. In Kindergärten und Schulen bereitet sie zusammen mit den Kindern eine gesunde Jause vor, beim Erdbeerfest ist sie präsent, genauso wie beim Radtag am Stilfserjoch. Im Herbst des letzten Jahres war sie sogar in Rom im Umweltministerium, um ihre veredelten Produkte aus dem Stilfserjoch Nationalpark zu präsentieren, zusammen mit Produzenten von den anderen Nationalparken Italiens. Unter dem Titel „Sapori dei Parchi – der Geschmack der Parke“ soll eine Online Plattform mit Produkten von allen 24 italienischen Nationalparks präsentiert werden. Beim Rundgang verkostete auch Umweltminister Sergio Costa die Windbeutel mit Marteller Erdbeermousse und andere Produkte von Monika Schwembacher.

Gelesen 907 mal
Mehr in dieser Kategorie: « Alles beginnt mit unserer Milch…

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.