Einen wichtigen Akzent für die politische Meinungsbildung hat das JuZe Naturns mit dem Diskussionsabend zu den Europawahlen gesetzt, bei dem die Südtiroler Kandidaten für das Europäische Parlament die Gelegenheit hatten, ihre Positionen darzulegen.
Ein Zeichen setzen wollte man auch mit dem Datum der Veranstaltung. Der 09. Mai ist Europatag! Vor genau 69 Jahren wurde an diesem Tag der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Und dieser Tag sollte heute vor allem daran erinnern, dass Europa seit dieser Zeit in Frieden und Einheit lebt. Mit einem kurzen geschichtlichen Rückblick eröffnete der Präsident des Vereins Zeno Christanell und Moderator den interessanten Abend. Er zeichnete den Weg von der EGKS hin zur heutigen Union, um einen Einblick, des manchmal auch schwierigen Pfades, auf gesamteuropäischer Ebene zu geben. Mittlerweile bilden 28 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Sprachen, eigenen Kulturen und Traditionen die Union.
Zum Einstieg stellten Zeno Christanell und seine Mitmoderatorin Jana Unterholzner den überraschend zahlreich erschienenen Zuhörern die Gäste des Abends vor. Herbert Dorfmann, Kandidat der Südtiroler Volkspartei und auf Europäischer Ebene in der Fraktion der EVP, ist bereits seit zwei Legislaturperioden Europaparlamentarier und bekräftigte bei seinem Einstiegsstatement, dass er gerne weiterhin an den notwendigen Maßnahmen zur Stärkung der Europäischen Union mitarbeiten und mitgestalten wolle. Die Triebfeder für seine Kandidatur sei ein Umdenken in der Klimapolitik, so der zweite Gast Energie-und Klimaexperte Norbert Lantschner, der als Kandidat der Südtiroler Grünen und für die europäische Fraktion der Grünen am 26. Mai antritt. Als letzte brachte die Rechtsanwältin und Steuerberaterin Renate Holzeisen, die, früher bei den Grünen, nun für das Team Köllensperger auf der Liste +Europa in Verbindung mit der EU-Fraktion ALDE antritt, ihr wichtigstes Steckenpferd ein, nämlich die Forderung nach „mehr Transparenz“ auf europäischer Ebene. Beim Thema „Carbon Tax“ im Hinblick auf die CO²-Emissionen und die klimatischen Auswirkungen, sprach sich Lantschner ganz klar für die Einführung einer solchen Steuer aus und vertrat die Meinung, dass über zwanzig Klimagipfel nur schwache Ergebnisse hervorgebracht hätten. Er unterstrich, dass Klimaschutz nicht zum Null-Tarif zu haben sei und daher der Kohlestoff dringend besteuert werden müsse. Auch Holzeisen sprach sich für diese Steuer aus. Für sie höre die Freiheit dort auf, wo Natur und die Gesundheit verletzt werden. In ihren Augen würde eine solche Steuer, wenn sie kommen würde, der Industrie nicht schaden – die Einführung dieser Besteuerung könnte durch wirtschaftspolitische Steuerungsmittel wie Zölle und Abkommen mit anderen Ländern geregelt werden. Auch der SVP Kandidat und EU-Parlamentarier Dorfmann sah die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Besteuerung des CO² und betonte die Wichtigkeit internationaler Übereinkommen wie das Pariser Abkommen für eine wirkungsvolle Klimapolitik. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass die Europäische Unioin das Ziel der Zwei-Grad-Erwärmung in den letzten fünf Jahren erreicht habe und die großen CO²-Werte in den Bereichen Industrie, Gebäude (Kühlung und Erwärmung), sowie bei Verkehr und in der Landwirtschaft sänken – die einzige Ausnahme und somit das große aktuelle Problem, so Dorfmann sei vor allem der Transport. Ein Einwurf aus dem Publikum war dann der Einstieg in das Thema „soziale Gerechtigkeit“. Die Frage, die der Zuhörer gestellt hatte, bezog sich auf die Erfolge von Salvini, den Gelbwesten und anderen Bewegungen in ganz Europa; den Grund hierfür schrieb der Zuhörer dem Umstand zu, dass es den „Menschen ganz unten“ nicht gut gehe. Um dem Nationalismus und den um sich greifendem Populismus entgegenzuwirken, benötige es konkrete Maßnahmen, um das Leben der Menschen in Europa zu verbessern, darin waren sich alle Kandidaten einig. Lantschner kritisierte, dass die großen Konzerne zu großen Einfluss hätten und plädierte für ein Europa der Menschen und nicht der Banken und dass die bestehenden Systemfehler dahingehend korrigiert werden müssten. Auch Holzeisen sprach sich dafür aus, dass man es ermöglichen müsse, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben, aber dafür sei es notwendig, den Steuerdruck zu senken und dass alle Länder die Vereinbarungen einhalten und ihre Hausaufgaben machen (Geldwäscheverordnung). Dorfmann sah ebenso das große Problem in der Steuerpolitik. Obwohl die Kosten für die Arbeitgeber immer mehr steigen, ändere sich nichts am Lohn der Arbeitnehmer. Am Beispiel Italiens sehe man die außer Kontrolle geratene Verschuldung durch den immer steigenden Finanzbedarf, so Dorfmann. Um dem entgegenzuwirken müsse man die Staaten mit diesen Problemen durch die sogenannte „Austerità“ (Sparpolitik) reformieren und effizienter machen. Ein weiteres behandeltes Thema war die Migration. Hier, so Lantschner, hätte sich Europa in den letzten Jahren schlecht präsentiert. Es müsse solidarischer werden und die Möglichkeit legaler Einwanderung sei notwendig, so der Grünenpolitiker. Auch wenn die Wahrheit unbequem sei, wies Dorfmann darauf hin, dass Europa in Zukunft Migration brauchen werde. Jedoch solle jeder Staat das Recht haben, zu sagen wer und wie viele in das jeweilige Land kommen. Holzeisens Wunsch in dieser Thematik wäre die Feststellung der Fluchtursachen und eine Landkarte der Fluchtgebiete und der Gründe dafür. Die Demokratie sei, so Holzeisen, ein sehr sensibles Konstrukt, deren Werte respektiert werden müssten.
Zum Abschluss brachte der Moderator Zeno Christanell die Frage eines Zuhörers ein, wie die Vision der Kandidaten für die Union in zwanzig Jahren sei. Lantschner wünscht sich ein Europa, welches human ist und sich nicht abschottet, sowie eine gemeinsame Sicherheits-und Verteidigungspolitik. Europa 2040 soll vor allem ein Europa der Menschen sein. Die Kandidatin vom Team Köllensperger erhofft sich für die Zukunft ein vereinigtes Europa und dass insbesondere die Grenzen in den Köpfen der Menschen abgebaut werden. Vor allem sollten Sprachkenntnisse gefördert werden und für Südtirol wünscht sie sich eine multilinguale Schule. Dorfmann wünscht sich für die mittelfristige Zukunft, die stark von Veränderungen geprägt sein wird (Aufschwung der asiatischen Länder), dass Europa ein starker Akteur bleibt und im Spiel der Mächte neue Chancen für die hier lebenden Menschen schafft. Frieden und Freiheit sollen auch in Zukunft bewahrt und geschützt werden.