von Simon Laganda
Wer im Leben nicht selbst für sein Gedächtnis, seine Erinnerung, sorgt, der wird mit dem letzten Glockenschlag der eigenen Beerdigung vergessen sein. Kaiser Maximilian formulierte sinngemäß so den Wert der Erinnerungskultur und des eigenen Personenkultes. Welcher Art Erinnerung ist, das entscheidet aber der, der sich erinnern möchte.
Maximilian wurde in Wiener Neustadt am 22.03. 1459 geboren; in erster Ehe war er mit Maria von Burgund, in zweiter Ehe mit Bianca Maria Sforza verheiratet. Durch beide Eheschließungen ist es ihm gelungen, sein Reich zu erweitern. Er verstarb am 12. 01. 1519 in Wels und wurde in Wiener Neustadt begraben.
Maximilian hat für seine Erinnerung gesorgt. Er erkannte, dass das Bild Emotionen hervorruft, dass man über das Bild mit seinen Untertanen kommunizieren kann. Er war der Erste, der seine Bilder in dieser Hinsicht instrumentalisierte. Neben seinen Hofmalern, es seien hier Jörg Kölderer, Hans Burgkmair und Bernhard Strigel erwähnt, bediente er sich auch zahlreicher Schreiber und pflegte auch selbst zu schreiben. Er schmückte aus und heroisierte; die „ewige gedechtnus“ war ihm wichtig.
Um seinen Reichtum zu präsentieren, ließ er den Prunkerker bauen und mit goldenen Schindeln zieren und schuf mit „dem goldenen Dachl“ eines der bekanntesten Wahrzeichen Innsbrucks. In der Hofkirche ließ er ein Grabmonument errichten, das er mit ehernen Figuren umgab. Die „Schwarz Mander Kirche“ ist ein weiteres Kulturdenkmal, dessen Ausstattung wir ihm verdanken.
Maximilian war ein begeisterter Jäger. Er soll im Juli 1496 an einem einzigen Tag 13 Gämsen, einen kleinen Bären und einen Hasen erlegt haben. Besonders angetan hatte es ihm die Gämsenjagd. Als er sich bei einer Gämsenjagd in der Martinswand bei Zirl derart verstieg, dass es weder Weiterkommen noch Zurückgehen gab, war es ein junger Bauernbursche, der den Kaiser aus der Wand holte. Jahre später schmückte er diese Erinnerung derart aus, dass von einem Engel die Rede war, der dem Kaiser den Weg aus der Wand aufzeigte. Heute nennt manch Politiker so eine verzerrte Darstellung alternative Wahrheit.
Den Vinschgau besuchte der Kaiser mehrere Male; aber im Gedächtnis blieb Maximilian den Vinschgern aus anderem Grund. Einmal war die Kaiserin allein mit ihrem übergroßen Gefolge hier. Am 2. Dezember 1493 brach Bianca Maria Sforza von Mailand auf. Ihr Weg führte sie mit einem Geleit von 600 Pferden und 60 Maultieren, welche ihre Ausstattung zu transportieren hatten, nach Innsbruck. Sie verfasste ein Reisetagebuch. Vereinzelt sprechen aber auch Chroniken von ihrem Besuch. Der Mailänder Herzog hatte ein besonderes Interesse an dieser Verbindung und begleitete Bianca Maria gemeinsam mit seiner Frau, Beatrice D’Este bis nach Como, also bis an die Grenze des Mailänder Herzogtums. Der Brautzug kämpfte sich hinauf bis auf das Wormser Joch – den Umbrailpass – und weiter bis in das Kloster St. Johann. Dieses dürfte angesichts der Größe des Brautzuges überfordert gewesen sein. Jedenfalls schimpft Bianca Maria in ihren Aufzeichnungen, dass die Nonnen schlechten Wein aufschenkten und ebenso schlechtes Brot reichten. Einige ihrer Gefolgsleute blieben ohne Abendessen und mussten auf Bänken schlafen.
Am nächsten Tag kam der Zug nach Mals, wo die Edelfrau vom Churer Bischof und einer Reihe Adeligen begrüßt wurden. Bianca Maria lobt die dortige Gastfreundschaft und ihre Unterkunft in der Fröhlichsburg. Über den Reschenpass setzte sich anderentags ihre Reise fort.
Der zweite Besuch der nunmehrigen Kaiserin erfolgte im Beisein von Maximilian. Im Malser Droßturm sollen sich der Herzog von Mailand und Maximilian mit ihren Frauen getroffen haben. Im dortigen Anger, hätte der Kaiser über die Vielzahl von Obstbäumen gestaunt und reichlich davon gekostet. Die beiden Herren sollen in Glurns die Vereinbarungen zur Heiligen Liga festgeschrieben haben. Dabei ging es um ein Abkommen zwischen dem Dogen von Venedig, dem Herzog von Mailand, dem Papst und Maximilian. Dieser Zusammenschluss war als Bollwerk gegen Frankreich gedacht. Gekommen ist es für Maximilian und damit auch für den Vinschgau anders.
Im Zuge des so genannten Schwabenkrieges gab es eine Schlacht an der Calven, im Gebiet zwischen Taufers, Laatsch und Glurns. Maximilian setzte Ulrich von Habsberg als Oberbefehlshaber ein, der die Lage gänzlich falsch einschätzte. Er verbot den Glurnsern die Stadttore zu schließen, sah keinen Grund, Brücken aus Sicherheitsgründen abzureißen und meinte, die Schlacht an der Calven wäre geschlagen, bevor sie begonnen hatte.
Ein Mailänder Astrologe sagte dem Kaiser voraus, dass er die Schweizer bis zum 22. Mai 1499 besiegen werde. Dies gelang nicht. Am 23. Mai 1499 kam es an der Calven zur wohl grausamsten Schlacht, die im Obervinschgau je geschehen ist. Die Anzahl der Todesopfer ging in die Tausende.
Drei Tage nach der Calvenschlacht soll der Kaiser in Mals angekommen sein und beim Anblick des Schlachtfeldes geweint haben. Er war es, der die Verantwortung dafür zu übernehmen hatte, dass im Mai 1499 „die Anzahl der Witwen im Vinschgau mit an die 1000“ angegeben wurde, dass Mütter und Großmütter mit ihren Kindern und Enkeln auf den Wiesen nach essbaren Pflanzen und Wurzeln suchten.
Seine Wiedergutmachungsmaßnahmen scheinen dürftig. Er hat St. Veith am Tartscher Bühel wiederaufbauen lassen und für diese Kirche einen Altar gestiftet. An den Außenflügeln ist die Verkündigung Mariens dargestellt. Der Engel, der die Frohbotschaft überbringt, zeigt wohl nicht zufällig die Züge Maximilians.
Als Engel machte er für die Vinschger damals wohl eher eine mäßige Figur, zumal durch sein Tun das Tal bis nach Kastelbell gebrandschatzt wurde und die Wiedererrichtung einer Kirche niemandes Hunger stillte.
Das Heldentum, mit welchen sich Kaiser Maximilian bereits zu Lebzeiten gerne umgab, werden ihm im Vinschgau wohl wenige seiner Zeitgenossen abgenommen haben. Trotz der ausgeprägten Gastfreundschaft seiner Frau gegenüber ist man dem Kaiser zwiespältig gegenübergetreten.