Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Hildegard von Bingen, 17. September 2022
Mit Sorge blicken viele Menschen derzeit auf unseren Wald, nicht nur im Vinschgau, sondern in ganz Südtirol. Die Nester toter und absterbender Bäume werden nach dem Befall durch den Borkenkäfer in ihrer Flächenausdehnung immer größer. Es wird befürchtet, dass die verschiedenen und wichtigen Funktionen des Waldes massiv beeinträchtigt werden oder verloren gehen: seine Schutzfunktion, seine Nutzfunktion, seine Bedeutung als Lebensraum, Erholungsraum, Wasserspeicher und Kohlendioxidsenke.
Auch Südtirol ist ein Waldland. Von den 7.400 Quadratkilometern der Fläche unserer Heimat sind 3.753 km² gleich 51 % mit Wald bestockt. Die Hauptbaumart in unseren Südtiroler Wäldern ist mit 61 % Holzvorrat die Fichte, gefolgt von der Lärche mit 19 %, der Rotföhre mit 10 % und der Zirbe mit 6 %.
Vorausgehende Schadensereignisse
In den letzten vier Jahren haben v. a. drei Schadensereignisse in verschiedenen Teilen unseres Landes den Wäldern zugesetzt. Da fegte zunächst der Wirbelsturm Vaia mit hohen Windgeschwindigkeiten und riesiger Zerstörungsenergie am 28./29. Oktober 2018 über unser Land. Dazu kamen die Schneedruckschäden in den schneereichen Wintern 2019 und 2020. Der Sommer des heurigen Jahres war dann der zweitwärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen, gepaart mit Niederschlagsarmut und langen Trockenperioden. Die Waldbäume waren also mehreren Stressfaktoren ausgesetzt. Die Kombination und Häufung verschiedener Extremwetterlagen schwächt die Bäume und macht sie damit anfälliger für Schädlinge. Niederschlagsarmut und hohe Lufttemperaturen bedingen die Austrocknung der Böden, erhöhen die Dürregefahr für die Bäume und begünstigen die Entwicklung mehrerer Schädlingsgenerationen in ein und derselben Vegetationsperiode, so heuer beim Borkenkäfer.
Borkenkäfer
Die Borkenkäfer sind eine Unterfamilie der Rüsselkäfer. Borkenkäfer sind eine artenreiche Gruppe oft braun oder schwarz gefärbter Käfer, von denen sich viele Arten unter der Borke oder im Holz von Bäumen in selbstgebohrten Gängen fortpflanzen und die zum Teil großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Weltweit gibt es etwa 6000 Borkenkäferarten (Stand: 2014). In Europa sind zwischen 250 und 300 Arten heimisch. Sprechen deutschsprachige Forstpraktiker von „dem“ Borkenkäfer, ist fast immer der Buchdrucker (Ips typographus) gemeint.
Zwischenruf aus dem Allgäu
Der Aufruf des bayrischen Forstingenieurs Florian Kaiser Mitte Juli, in Südtirols Wäldern gegen den Borkenkäfer dringlich, massiv und zeitgerecht zu intervenieren, weil sonst ganze Hänge entwaldet würden, hat zu Verstimmung und Aufschrei geführt. Zurufe von außen wirken oftmals verstörend. Den Forstexperten im Südtiroler Landesdienst soll und darf auch nicht leichtfüßig, vorschnell und von außen die fachliche Kompetenz abgesprochen werden. Auch unsere Forstleute beherrschen ihr Handwerk. Die Frage, ob etwa die Waldeigentümer zur Schadenseingrenzung der Borkenkäferplage genug getan haben und tun, erlaube ich mir ganz unpolemisch aufzuwerfen. Und eine zweite Überlegung stelle ich als Frage in den Raum: Müssen – mittel- und langfristig gedacht – neben den wirtschaftlichen Überlegungen zu Gewinn oder Verlust bei der Waldpflege in Alarmsituationen wie der heurigen Borkenkäfer-Vermehrung nicht auch die ökologischen Argumente zum Erhalt des Waldes schlagend werden?
Fallbeispiel Laas
Für meine Heimatgemeinde Laas habe ich auf Anfrage vom Forstinspektorat Schlanders dankenswerterweise die geschätzten Schadholzmengen in den Wäldern des gesamten Gemeindegebietes erhalten. Ebenso den Anteil der aus dem Wald abtransportierten Schadholzmenge (zum Stand am 16. August 2022).
Wenn fast die Hälfte des Schadholzes noch im Wald liegt, mögen sich Teile davon sicher auch in schwer oder nicht zugänglichem Gebiet befinden, aber die Anstrengungen zum Beseitigen der Infektionsherde sollten meines Erachtens von Seiten der Waldeigentümer doch noch verstärkt werden. Derzeit einzige wirkungsvolle Bekämpfung des Borkenkäfers sind die Methoden der „sauberen Wirtschaft“. Wichtig ist, dass befallene Bäume schnellstmöglich eingeschlagen werden und das Holz aus dem Wald transportiert wird.
In unserem Tal sind die Wälder zum überwiegenden Teil Eigentum der Eigenverwaltungen für Bürgerliche Nutzungsrechte und damit öffentlicher Wald und Gemeinschaftsbesitz. Es sollte alles unternommen werden, die Schutzwälder gegen die Gefahr von Erosion, Steinschlag, Mur- und Lawinenabgänge bergseits unserer Wohnsiedlungen sowohl am Sonnenberg als auch am Nörderberg zu erhalten.