Uinaschlucht - Die goldene Uhr überführt die Raubmörder vom Mitterloch

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Der Tod des aus Döbeln in Sachsen stammenden Arztes Viktor Schieck in der Uinaschlucht erregte im Jahr 1888 großes Aufsehen. Zwei Hirten wurden des Mordes bezichtigt und verurteilt. Die goldene Uhr des Opfers, die Goldmünzen Napoleon D’or und andere Gegenstände hatten auf ihre Spur geführt.

von Magdalena Dietl Sapelza

Der Urenkel des Mordopfers, der pensionierte Arzt Hansjürgen Eulitz aus Berg (D), knüpfte im Frühjahr 2017 den Kontakt zum ehemaligen Wirt auf der Sesvennahütte Luis Pobitzer. Eulitz wollte die Stelle in der Uinaschlucht sehen, an der sein Urgroßvater Viktor Schieck im Jahre 1888 einem Raubmord zum Opfer gefallen war. Pobitzer, der als Hüttenwirt und langjähriger Funktionär im Alpenverein die Gegend gut kennt, führte ihn und seinen Begleiter Anfang September zum Tatort in die Uinaschlucht.
Es war das Jahr 1888. Der 34-jährige Arzt Viktor Schieck praktizierte in Döbeln und lebte dort mit seiner 27-jährigen Frau Margaretha und drei kleinen Kindern in glücklichen Familienverhältnissen. Er war Teil der wohlhabenden Gesellschaft. Neben seinem Beruf als Arzt galt seine Aufmerksamkeit der Botanik. Dieses Interesse führt ihn im Sommer 1888 zu einer privaten Expedition in die Alpen. Er s63 mord2startete im Frühsommer und wollte am 26. August wieder zu Hause sein. Ein Ziel war Tirol, wo er neue Erkenntnisse über die Flora und Fauna der Bergwelt gewinnen wollte. Er hatte seine Tagestouren genau geplant und die Wegstrecken festgelegt. Als Viktor Schieck am 26. August und danach nicht wie vereinbart zurückgekehrt war, machte sich sein Bruder Arthur Schieck auf die Reise um den Vermissten zu suchen. Anhaltspunkte waren Postkarten, die dieser regelmäßig nach Hause geschickt hatte. Die letzte Karte an seine Frau trug den Poststempel vom Santa Maria im Münstertal mit dem Datum 11. August 1888. Das war das letzte Lebenszeichen von Viktor Schieck. In Mals brachte Arthur Schieck in Erfahrung, dass sein Bruder am Abend des 10. August 1888 im „Gasthof zur Post“ übernachtet hatte und dann am Morgen im „Gasthof zum Bären“ eingekehrt war. Dort hatte er einen halben Liter Wein getrunken und war dann zu Fuß in Richtung Schlinig weitergezogen. Arthur Schieck wusste, dass Schuls und Tarasp auf dem Reiseplan seines Bruders standen.
Er machte bei der Gendarmerie in Mals eine Vermisstenanzeige. Diese war mit der Meldung überfordert und bleib vorerst untätig. Auf eigene Faust veröffentlichte Arthur Schieck dann eine Anzeige im „Tiroler Volksblatt“. (Die Zeitschrift ist von 1862 bis zu deren Verbot 1923 durch die faschistischen Machthaber in Bozen erschienen). In der Anzeige wies er unter anderem auf die wertvolle goldene Taschenuhr mit goldener Kette hin, die sein Bruder getragen hatte und versprach eine Belohnung für Hinweise.
Bei der Taschenuhr handelte es sich um eine Glashütter Remontoiruhr, die bei der Pariser Weltausstellung 1846 als innovatives Stück mit einer Goldmedaille dekoriert worden war und die der Mode der damaligen Zeit entsprach. Diese Anzeige las zufällig der Uhrmacher Julian Jörg in Meran.


Der Julian Jörg hatte von seinem 77-jährigen Vater Johann Jörg, der Uhrmacher in Mals war, den Auftrag erhalten, die goldene Uhr zu reparieren, weil dieser wegen seines Alters selbst keine Reparaturen mehr machte. Die Uhr gehöre einem Jäger, dem sie heruntergefallen sei, so die Erklärung dazu. Die Uhr hatte eine Beule am Deckel. Auch die Zapfen der Uhrwelle waren gebrochen. Julian Jörg schöpfte Verdacht. Nachdem er im Deckel auch das eingravierte Monogramm V.S. entdeckt hatte, informierte er die k.k. Gendarmerie und das Bezirksgericht Meran. Die Uhr konnte eindeutig als Viktor Schiecks Uhr identifiziert werden. Nun begann die Suche nach dem vermeintlichen Jäger. Die k.k. Gendarmerie Mals nahm sich der Sache an. Die Uhr führte zu keinem Jäger, sondern zu den beiden Schafhirten, Jakob Kuen (72 Jahre alt) aus Tarsch und Joseph Schöpf (34 Jahre alt) aus Mals. Beide hatten den Sommer über auf der Rasass Alpe gemeinsam Schafe gehütet. Kuen und Schöpf waren von ständigen Schulden geplagt und galten als mittellos. Deshalb hatte es erstaunt, dass sie unmittelbar nach dem Verschwinden von Viktor Schieck plötzlich ihre Schulden bezahlen konnten und französische Goldmünzen Napoleon D’or in ihrem Geldbeutel hatten. Solche Münzen hatte Schieck bei sich gehabt. Schöpf war zudem im Besitz eines Fernglases des Vermissten. Und in der Wohnung von Kuen fand man Schiecks Reisepass sowie seinen Kompass. Die beiden Verdächtigen wurden verhaftet. Die Schlinge der Indizien zog sich langsam zu. Krampfhaft versuchten die beiden sich daraus zu befreien und erklärten schließlich, dass sie den Wanderer bereits tot aufgefunden und ihm dann die Wertgegenstände abgenommen hätten. Sie kamen nicht umhin zu beschreiben, wo der Tote lag.


L’omicidio
L’omicidio di Viktor Schieck, un medico di Döbeln in Sassonia, nella Gola di Uina suscitò grande scalpore nel 1888. Due pastori furono accusati del crimine e condannati. L‘orologio d‘oro della vittima, le monete Napoleoni d‘oro e altri oggetti avevano portato sulle loro tracce.


Sofort begleiteten Landjäger einen Untersuchungsrichter in die Uinaschlucht und zu jenem Ort im Mitterloch, den Kuen und Schöpf beschrieben hatten. Dort fanden sie die Leiche von Viktor Schieck. Diese wies nach den Wochen im Hochgebirge bereits Verwesungsspuren auf. Die sterblichen Überreste wurden nach Sent im Kanton Graubünden gebracht. Dort unternahm ein Arzt genaueste Untersuchungen. Er stellte fest: Die Wunden an Kopf und Händen wiesen auf eine Gewalteinwirkung hin. Die Knochenbrüche am Körper waren nach dem Tode erfolgt. Die Abschürfungen am Körper erklärte der Arzt mit Schleifspuren. Schieck war höchstwahrscheinlich auf einen Felsvorsprung geschleift und dann ins Mitterloch hinuntergestürzt worden. Die beiden Hirten waren mit Vorwürfen s63 mord3konfrontiert, die ihre Verteidiger nicht mehr entkräften konnten.
Die goldene Uhr, die Münzen, die anderen Gegenstände aus dem Besitz des Toten und die Expertise des Arztes belasteten die Hirten. Zu ihren Ungunsten wirkten sich auch ihre widersprüchlichen und tollpatschigen Aussagen aus, mit denen sie sich im Laufe der Befragungen durch den Staatanwalt im Bozner Gerichtsprozess immer mehr verhedderten. Ein Geständnis legten die beiden Hirten nie ab. Doch der Staatsanwalt war sich seiner Argumentation für den Schuldspruch sicher. Nach dreitägiger Verhandlung wurden Kuen und Schöpf am 22. März 1889 in Bozen von den Geschworenen einstimmig zum Tode durch den Strick verurteilt. Die Justiz kannte keine Gnade.

 

„Il piacere dell’assassino“
Il pronipote dell‘assassinato Hans Jürgen Eulitz è tornato a casa con impressioni e foto della scena del crimine a Mitterloch. Nel suo bagaglio c‘erano anche i resoconti dei giornali dell‘epoca, raccolti da Luis Pobitzer. Un resoconto dettagliato di Virginia Ritter, ad esempio, è intitolato „Il vagabondaggio è il piacere dell‘assassino“.

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