Kennen Sie die Wallstreet von Schlanders? Es ist die Göflanerstraße, ein kurzer Straßenabschnitt zwischen der Staatsstraße und dem Dorfzentrum mit der Fußgängerzone, ganz in der Nähe der Pfarrkirche, des Gemeindehauses und des Kapuzinerklosters.
von Heinrich Zoderer
In der Göflanerstraße in Schlanders befinden sich 2 Banken (früher sogar 3), 2 Eisdielen, 2 Handygeschäfte, 2 Architekturbüros, 2 Immobiliengeschäfte, 2 Bauernhöfe und 2 Bars. Außerdem 1 Hotel, 1 Restaurant, 1 Fischgeschäft, 1 Computergeschäft, 1 Blumengeschäft, der Dorfladen, 1 Optiker, das Jugendzentrum Freiraum, mehrere Modegeschäfte, 1 Friseur im Bekleidungsgeschäft Jack & King, das Kulturhaus, das Turkish Best Kebap, Kanzleien von Rechtsanwälten und Notaren, 1 Steuer- & Wirtschaftsberaterin, 1 Büro für Lohnbuchhaltung, das Grundbuch- und Katasteramt, das Bauservice Vinschgau, 1 Elektrogeschäft, 1 Wohlfühlshop, 1 Tatoo-Shop, das SVP Büro, das Büro des HdS, 1 Fahrradgeschäft und das 21st Temporary Store.
Das Temporary Store ist ein kleines Geschäft mit großen Schätzen. Wer hier eintritt, taucht ein in eine längst vergangene Welt. Man sollte sich Zeit nehmen, um zu schauen und sich entführen zu lassen. Wer sich darauf einlässt, findet stilvolle Möbel, wie z.B. einen Dokumentenschrank im Jugendstil, alte Truhen, Kredenzen, Kronleuchter aus Muranoglas, antike Bücher und Ansichtskarten, Bilder, Ikonen und seltene Gebrauchsgegenstände, Vintage Bekleidung mit dazu passenden Accessoires, altmodischen Schmuck und Handtaschen. Zudem entdeckt man hinter Glasvitrinen feines, hochwertiges Porzellan von verschiedenen europäischen Herstellern: Meissner Porzellan aus Deutschland, Herend aus Ungarn, Limoges aus Frankreich oder Capo di Monte, Porzellan aus edelster italienischer Handwerkskunst. Ebenso findet man antike Puppen, alte Apothekerflaschen und Sodaflaschen von der Firma Hell aus Schlanders, Setzkästen, lackierte und bemalte Holzdosen aus Russland, schöne Überfanggläser aus Böhmen, eine Vielfalt von filigranen handgeschliffenen Trinkgläsern, nostalgische Zuckerdosen, besondere Kaffee- und Teekannen und noch vieles mehr. Die bunte Welt im 21st Temporary Store ist so vielfältig, wie das Leben ihrer Besitzerin.
Eine Weltenbummlerin kehrt nach Schlanders zurück
Mit 52 Jahren eröffnete Andrea Berger vor vier Jahren das Antiquitätengeschäft, auf unbestimmte Zeit. Deshalb der Name. Nach einem ereignisreichen Leben fand die Weltenbummlerin zurück in ihr Tal und wagte als alleinerziehende Mutter den Schritt in die Selbständigkeit. Dabei war alles ganz anders geplant. Nach der Handelsschule und einer abgeschlossenen Verkäuferlehre sollte Andrea in das Bekleidungsgeschäft ihrer Eltern einsteigen und dieses dann übernehmen, so wie es ihr Vater von seinem Vater übernommen hat. Doch das Fernweh zog sie hinaus in die Welt. Mit 18 Jahren ging sie als Aupair Mädchen nach Amerika. Sie lebte in New York, Florida, Washington und in einigen anderen Städten der USA. Nach 1 ½ Jahren kehrte sie nach Südtirol zurück und arbeitete mehrere Jahre in einem renommierten Geschäft in Meran. Dann zog es sie wieder fort. Andrea übersiedelte nach Mailand und arbeitete dort über 20 Jahre in der Modebranche. Dabei war sie weltweit unterwegs und lernte so viele Länder und Städte kennen, wie London, Paris, Berlin, Hongkong, Moskau, Tallin, Rio de Janeiro und viele andere. Es war ein bewegtes und abenteuerliches Leben. Andrea erlebte viel auf diesen Reisen und entdeckte unter anderem auch ihre Liebe zu Antiquitäten. Das entwickelte sich zu einem leidenschaftlichen Hobby. Sie besuchte Ausstellungen und Auktionen und kaufte antike Gegenstände aus der ganzen Welt. Nach jahrelangen beruflichen Auslandsaufenthalten war das Fernweh gestillt. Sie wollte an einem Ort bleiben, eine Familie gründen und sesshaft werden.
Als 2004 ihr Sohn zur Welt kam, kehrte sie in ihre Heimat zurück und arbeitete in einem Betrieb im Vinschgau. Nach einigen Jahren eröffnete sie in der Göflanerstraße Nr. 21 ihr Antiquitätengeschäft 21stTemporary Store. Damit wurde mit großem Engagement, viel Liebe und einem gesunden Optimismus ihr Hobby zum Beruf. „Wer etwas mit großer Überzeugung tut, dem gelingt es“, meint sie. Leicht war es nicht, in einer Landgemeinde ein Geschäft mit solchen Raritäten zu eröffnen, doch sie ist glücklich und dankbar mit ihrer Entscheidung. Die größte Freude für sie jedoch ist es, wenn der Kunde etwas Individuelles in ihrem Sortiment findet, das er vielleicht schon lange gesucht, oder beim Suchen gefunden hat. Einige Gegenstände verkauft sie nicht, sondern bewahrt sie in ihrer Sammlung, da sie mit ihrer Lebensgeschichte verbunden sind. Zu verschiedenen Anlässen erwirbt sie neue Antiquitäten, aber sie kauft nicht alles wahllos zusammen, sondern hat in den letzten Jahren ein Auge und ein Gespür für besondere Objekte entwickelt, die ihr Geschäft zu einer einzigartigen Schatzkiste machen. Ein Wunderland mit Kostbarkeiten, hinter denen viele Geschichten stecken, so wie im vielfach verfilmten Fantasybuch „Alice im Wunderland“. Wie lange Andrea das Geschäft noch betreibt, weiß sie nicht. Vielleicht wartet in ein paar Jahren schon das nächste Abenteuer. „Das Leben ist geheimnisvoll und was immer du machst, achte darauf, dass es dich glücklich macht“, so ihre Lebensphilosophie. Sie ist dankbar für all das Schöne und Gute, das sie im Leben erfahren hat, aber auch für all jene Momente, die sie innhalten und nachdenken ließen. Sie will aber nicht stehenbleiben und stellt sich mutig den neue Herausforderungen, auch wenn sie ihre Zukunft nicht kennt. Aber das macht das Leben so spannend und erfüllt.