Natur&Landschaft: Wege zu einem konsequenten Klimaschutz - Absichten und Realitäten klaffen auseinander

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Grödnerjoch Grödnerjoch

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Bruno von Köln, 11. Oktober 2024

 

Die Südtiroler Landeregierung hat die erste Fassung des Klimaplanes „Energie-Südtirol“ 2011 beschlossen und veröffentlicht. Damit soll bis 2050 die nationale Energiestrategie (Strategia Energetica Nazionale SEN) umgesetzt werden. Angestrebt werden: Eine Verringerung der aktuellen CO2-Emissionen auf weniger als 1,5 Tonnen pro Jahr und Persson. Der derzeitige durchschnittliche CO2-Ausstoß beträgt rund 7,5 t pro Person und Jahr. Der Südtiroler Klimaplan sieht weiters eine Zunahme der Erzeugung von erneuerbarer Energie von 15 % vor, um 90 % des Energiebedarfes aus erneuerbaren Energien abzudecken. Weiters soll eine Energieeinsparung von 12 % bei der energetischen Dauerleistung erzielt werden und damit auf weniger als 2.200 Watt pro Person pro Jahr. Eingeordnet in ein Eurac-Modell zukünftiger Energieszenarien würde dies bedeuten, dass mehr als die Hälfte der Mobilität emissionsfrei wäre, der Wärmeverbrauch der Gebäude läge 60% unter dem heutigen Wert und die Südtiroler gäben 20 % weniger für Energie aus.
Der Klimaplan sieht Kürzungen der Gemeindefinanzierung zwischen 2 und 5 % vor, wenn Gemeinden nicht innerhalb 2023 über jeweils einen kommunalen Lichtplan sowie ein Konzept zur Vermeidung von Plastikmüll im eigenen Verantwortungsbereich verfügen und innerhalb 2024 einen Klimaschutzplan erstellen.
Die Südtiroler Landesregierung will mehr: Südtirol soll schon bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden. Damit dieses ehrgeizige und (überlebens-)notwendige Ziel erreicht wird, ist der Klimaplan zweimal überarbeitet und mit zahlreichen konkreten Maßnahmen neu gefasst worden.

Schlüsselsektoren
Es gibt sechs Schlüsselsektoren in Südtirol, bei denen Veränderungen wirksame Hebelwirkungen für den Klimawandel entfalten können: der Verkehr, die Energie, die Land- und Forstwirtschaft, die Flächennutzung, das Wassermanagement und der Tourismus.
Die drei größten Treiber bei den Treibhaus­emissionen und damit jene mit den klima­relevanten Herausforderungen sind:
• Der Verkehr mit 44 % Anteil am CO2-­Ausstoß
• die Erzeugung von Wärmenergie (das ­Heizen) mit 36 %
• und die Landwirtschaft mit 18 %.

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In diesen drei Querschnittssektoren kann und sollte viel passieren. Dabei sind Nutzungskonflikte abzusehen. Die politischen Entscheidungsträger haben also Prioritäten zu setzen, wo welche Maßnahmen effektiv sind, um CO2 zu reduzieren. Hierfür braucht es weitere wissenschaftlichen Erkenntnisse, Aber nicht minder die Bereitschaft und Einsicht von jeder einzelnen und jedem einzelnen von uns, persönliche Beiträge zur Verminderung der Kohlendioxidemissionen durch Änderung des Lebensstiles und der festgefahrenen Gewohnheiten konsequent zu erbringen.

Verkehr
„Südtiroler Experten sind sich einig, dass der Straßenverkehr jenes Handlungsfeld ist, um die Emissionen in Südtirol maßgeblich zu reduzieren, CCO2 einzusparen und die Lebensqualität zu erhöhen“. So schreiben Thomas Streifeneder und Miriam L. Weiß im Buch „Klimaland Südtirol? Regionale Wege zu konsequentem Klimaschutz“, für welches Thomas Benedikter als Herausgeber zeichnet (arcaedizioni/politis 2022). Miriam Weiß ist Sozial- und Kulturwissenschaftlerin bei der Eurac Bozen und Thomas Streifeneder ist Geograf und Regionalentwicklungsexperte, ebenfalls bei der Eurac. Von den gesamten Verkehrsemissionen entfallen 99 % auf den Straßenverkehr. Nach den beiden Wissenschaftlern bleiben gängige Lösungen wie eine stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und der Ausbau der Elektromobilität essenziell. Daneben sind unbedingt neue und umweltfreundliche Arbeitsmodelle wie Smart Working, Home- und Telearbeit und flexible Arbeitszeit zu unterstützen. Das Ministero della Transizione Ecologica führte 2020 das betriebliche Mobilitätsmanagement für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern verpflichtend ein.
Mit 1.088 zugelassenenFahrzeugen pro 1.000 Einwohner liegt unsere Region Trentino Südtirol zusammen mit Aosta italienweit an der Spitze, d.h. es gibt bei uns mehr als ein Fahrzeug pro Einwohner.

Energie
Der KlimaHaus-Standard Südtirols ist seit 2005 rechtsverbindlich. Er ist in Italien beispielhaft. 2021 hat das Land Südtirol den SDG Tracker zur Überwachung der UN-Nachhaltigkeitsziele eingeführt. Das ist ein Instrument zur Überprüfung, welche Gesetze auf ihre Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Alle öffentlichen Gebäude werden nach dem KlimaHaus-Standard errichtet und mehrere Gebäude der Landesverwaltung wurden und werden nach diesem Standard energetisch saniert. Gebäudesanierungen werden mittels Energiebonus unterstützt. Der Energiebonus bei Sanierungen besteht darin, dass das bestehende Gebäude im Ausmaß von 20 % der bestehenden Baumasse mit einem Minimum von 200 m³ erweitert werden darf. Durch kommunale Energieeffizienzpläne soll der Energieverbrauch der Gemeindeverwaltungen bis 2030 um mindestens 15 % gegenüber 2019 reduziert werden. Ebenfalls bis 2030 soll der Wärmeenergiebedarf in Südtirol für mehr als 50 % aus erneuerbaren Energien gewonnen werden.

Land- und Forstwirtschaft
Weltweit sind rund 37 % der terrestrischen Flächen der Erde Agrarflächen. Von diesen landwirtschaftlich genutzten Flächen sind 30 % Acker- und Wiesenflächen und 70 % Weideflächen. Die Acker- und Wiesenflächen werden zu über 70 % für den Anbau von Futtermitteln, vor allem für die Milch- und Fleischproduktion genutzt. Die statistischen Angaben verdeutlichen, dass die Art der Flächennutzung (Wald, Böden, Vegetation) bzw. ihre Veränderung (z. B. durch Bodenversiegelung, Sojaanbau anstelle von Urwald) über das Ausmaß freigesetzter Kohlendioxid- und Treibhausgasmengen CO2-Quelle) oder die Intensität der Kohlenstoffspeicherung (CO2-Senke) entscheidet. Im Eurac Landwirtschaftsreport (Herausgeber Ulrike Tappeiner, Thomas Marsoner, Georg Niedrist, 2020) ist man sich über den zukünftigen Weg der Landwirtschaft klar: „Sie soll den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln drastisch reduzieren, klimaneutral werden und die Artenvielfalt fördern“ (Seite 8). Die Landwirtschaft muss sich außerdem an die Folgen des Stilfserjoch Straße beim Radtag 2016Klimawandels, u.a. höhere Temperaturen, mehr Extremereignisse, anpassen (S. 73 ff.). Für bestimmte Sektoren der Landwirtschaft existieren oder werden spezifische Klimaprogramme entwickelt (Südtirol Wein Agenda 2030, „sustainapple“ als Nachhaltigkeitsstrategie für die Obstwirtschaft). Effizienzsteigerungen wurden und werden mit dem Bau von Tropfbewässerungen schon vorangetrieben. Zu vermindern, weil klimarelevant ist der Einsatz von Futtermitteln bei Milch- und Fleischproduktion zugunsten von hofeigenem Grundfutter.

Flächennutzung
Das für die Flächennutzung maßgebliche Gesetz „Raum und Landschaft“ will den Boden- und Energieverbrauch einschränken und soll zur Energieeinsparung und -effizienz beitragen. Thomas Streifeneder und Miriam L. Weiß: „Ziele, die sich direkt auf Klimaschutz und -anpassung beziehen, werden im Gesetz nicht genannt, das Wort „Klimawandel“ findet sich an keiner Stelle. Bevor neues Bauland ausgewiesen wird, sind Mindestdichten in Mischgebieten und kompaktere Siedlungsstrukturen einzuhalten sowie Leerstände zu nutzen.“

Wassermanagement
Als durch ein Unwetter zwei Quellen zerstört wurden und ein überdurchschnittlich trockener Winter 2021/22 vorausgegangen war, trat in Kastelruth Wassernotstand auf. Auch aus dem Tschenglser Tal musste in der Gemeinde Laas die Trinkwasserleitung für Eyrs und Tschengls nach Murbrüchen und Steinschlag neu gebaut werden. Tanklastwagen der Berufsfeuerwehr Bozen haben in solchen Notfällen die Lücken geschlossen. Der Wasserbedarf hat sich in Kastelruth in den letzten 15 Jahren verdoppelt, wobei Hotels so viel Wasser verbrauchen wie ganze Fraktionen.
Unser Land Südtirol verfügt über einen Wassernutzungsplan. Der Entwurf dieses Wassernutzungsplanes wurde von der Südtiroler Landesregierung im Jahr 2010 genehmigt und in der Folge mit zwei weiteren Regierungsbeschlüssen abgeändert. Nach der Behandlung in der paritätischen Kommission Staat – Land und nach der Eröffnung und dem Ablauf der Frist für Einsprüche ist der Wassernutzungsplan mit Dekret des Staatspräsidenten vom Juni 2017 als durchführbar erklärt worden. Im Kapitel „Ziele und Kriterien der Nutzung“ wird im Wassernutzungsplan der Klimawandel nicht erwähnt. Wasserressourcen zu schützen und Wasser einzusparen, sind aber explizite Vorgaben des Wassernutzungsplanes. Auch die Prioritäten bei der Wassernutzung sind festgelegt. „Wenn wir wissen wollen, wo wir Wasser einsparen bzw. effizienter nutzen können, müssen wir vollständige und detaillierte Wasserbilanzdaten nach Sektoren besitzen. Entsprechende Anstrengungen mit möglichst genauen Daten stehen also noch aus.“ (Thomas Streifeneder und Miriam L. Weiß, S. 16). Was wir wissen ist, dass die Landwirtschaft mit 150 Millionen m³ mit Abstand am meisten Wasser verbraucht. Zum Vergleich und zur Veranschaulichung: Der Reschensee hat ein Wasserfassungsvermögen von 120 Millionen m³. Nach der Landwirtschaft folgt im Wasserverbrauch die Industrie (50 Mio. m³), der Trinkwasserverbrauch (45 Mio. m³) und die Erzeugung von Kunstschnee (10 Mio. m³).

Tourismus
Für die Verbesserung der Klimabilanz im Tourismus gibt es bereits zwei existierende Instrumente: Das Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ (LTEK) und die Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol (STOST). CO2-Emissionen einzusparen und sich an die sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen, stellen den Tourismussektor vor große Herausforderungen, denen er sich aber stellen muss. „Sie sollten über eine quantitative Beschränkung, d. h. Bettenobergrenze auf Landes-, Gemeinde- und Betriebsebene und einen qualitativen Ausbau sowie Unterstützung von Biohotels hinausgehen. Denn wie auch in der Landwirtschaft scheinen die quantitativen Grenzen des Tourismus erreicht, Vorsicht ist auch beim qualitativen Ausbau geboten. Die Verdoppelung der Hotels mit vier oder fünf Sternen in den letzten 15 Jahren und der Wellness-Trend, der auch beim Urlaub auf dem Bauernhof zu beobachten ist, sind hinsichtlich des hohen Wasser- und Energieverbrauch aus Sicht der Nachhaltigkeit kritisch zu hinterfragen.“ (Th. Streifeneder, Miriam L. Weiß). Im Bericht 2021 der Beobachtungsstelle für einen nachhaltigen Tourismus werden der hohe Energieverbrauch für die zunehmenden Beschneiungsanlagen, die künstliche Schneeproduktion und der hierdurch verursachte steigende Wasserverbrauch als emissionsrelevante Themen identifiziert. Die An- und Abreise ist immer noch die größte Klimabelastung beim Urlaub. Thomas Streifeneder und Miriam Weiß fragen sich zum Schluss ihres Beitrages „Was tun für Südtirols Klimaneutralität?“, ob es noch lange dauern wird, bis Hotels und Skigebiete ihren CO2-Fußabdruck angeben bzw. mit niedrigen CO2-Werten werben werden.

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