Spezial-Bauen: Sieben auf einen Streich...

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links: Innovative Wohnformen in den bestehenden Gebäuden der Drususkaserne;  rechts: Ergebnis des Partezipationsprozesses Schlanders 2020 – von Abriss war nie die Rede links: Innovative Wohnformen in den bestehenden Gebäuden der Drususkaserne; rechts: Ergebnis des Partezipationsprozesses Schlanders 2020 – von Abriss war nie die Rede

Gastbeitrag Initiative Drususkaserne Schlanders

Im Märchen waren es einst 7 lästige Fliegen, die das Tapfere Schneiderlein zu bekämpfen hatte. Politisch gesehen gibt es heute mindestens so viele Problemthemen, die auf dringende Erlösung warten.

Können wir mit einem Schlag mehrere Knackpunkte bewältigen? Eine Sanierung und Umgestaltung der bestehenden Strukturen des Kasernenareals in Schlanders sei aufgrund der schlechten Bausubstanz kaum möglich, meinte Landeshauptmann Arno Kompatscher am 29. August bei der offenen Diskussion zum Thema „Die Zukunft des ländlichen Raumes“ in der BASIS Vinschgau Venosta. Obwohl dieser Behauptung schon mehrfach von renommierten einheimischen und internationalen Architekten widersprochen wurde, scheint sich das Gerücht hartnäckig zu halten. Einfache Standardlösungen mit Abriss und Neubau sind wohl einfacher zu begreifen und den Wählern zu vermitteln, als kreative Antworten auf komplexe Thematiken. Dabei widersprach Kompatscher seiner kurz zuvor getätigten Aussage, im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Raumentwicklungsprogramm, wir müssen auf Bestand setzen…
Bezüglich des Denkmalschutzes wird vorsichtshalber ein Kompromiss ins Auge gefasst, der relativ unbedeutenden Gebäuden des Areals gelten soll. Die Folgen der Verwitterung bei den Wachtürmen, die gravierenden Schäden in der Villa Wielander durch die Löschübungen der Feuerwehr in den vergangenen Jahren und die Vereinnahmung der Grenzmauer durch die starken Wurzeln der hohen Bäume am Areal lassen diesen Kompromiss bei weiteren Bauarbeiten wohl als faul erweisen.
Auch sollte das Ergebnis des Partizipationsprozesses, welches das Zukunftsbuch „Schlanders 2020“ im Jahre 2011-12 hervorgebracht hatte, respektiert werden. Genau das fordert die Initiative Drususkaserne und weist darauf hin, dass sehr viele Themen, welche in besagter Bürgerbeteiligung erarbeitet wurden, nur teilweise oder gar nicht im fertigen Projekt vorgesehen sind. So ist zu bemängeln, dass es keinen gestalterischen Architektur-Wettbewerb gegeben hat, neue Wohnformen wurden bis heute, 12 Jahre später, nicht angedacht und der Raum fürs Handwerk wird vorerst nur durch 10jährige Zwischennutzung der Palazzina Tagliamento mit bereichernden Kreativwerkstätten bewilligt. Lt. Masterplan ist dieses Gebäude im 3. Baulos aber auch mit Abriss eingetragen. Die Gesellschaft hat sich verändert, die Umwelt mit ihr, und das in rasanter und sehr bedenklicher Weise. Beinahe jeden Tag trüben neue Katastrophenmeldungen den Blick in die Zukunft. Die Auswirkungen der mittlerweile verdrängten Pandemie, die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs und anderer weltweiter Krisenherde, der stetig fortschreitende Klimawandel lassen selbst Optimisten verzweifeln.

» Auch gäbe es keinen Denkmalschutz, so Kompatscher. Dass dem so ist, liegt sicher nicht am fehlenden Wert des Areals und seiner Gebäude, sondern daran, dass die Landesregierung dieses Heiße Eisen vor den Wahlen lieber nicht angreift und die Entscheidung der Unterschutzstellung einfach mal lieber aussitzt, statt es sich mit dem einen oder anderen Wähler zu verscherzen… «

Ist es zielführend, einen Plan, auf dem sich mittlerweile reichlich Staub abgesetzt hat, auf Biegen und Brechen umzusetzen? Pünktlich zum Wahlkampf wird von den Bezirkskandidaten das heiße Thema des leistbaren Wohnens, des Verkehrs und der Landflucht wieder aufgerollt. Die Forderung von LH Kompatscher nach strengerer Konventionierung und die Bevorzugung von Einheimischen klingen eher nach Minnegesang als nach Zukunftsmusik. Alles auf eine Zahl zu setzen ist, ähnlich wie im Roulette, sehr riskant. Dies gilt auch für die Wohnungsfrage. Eine strenge Konventionierung wird bei den aktuellen Grundstückspreisen, den gestiegenen Baukosten und den hohen Zinsen auch in Zukunft den Traum vom Eigenheim für viele Sparer*innen zum Platzen bringen. „Der Personalmangel ist akut und gefährlich geworden“ warnte im August die Südtiroler Wirtschaftszeitung. Wollen wir, dass junge Südtiroler*innen und Fachkräfte nach Südtirol (zurück-)kommen, braucht es dringend neue Konzepte und vor allem Miet- statt Eigentumswohnungen. Diese Aufgabe auf private Investoren abzuwälzen bleibt eine Sackgasse. Wieso nicht Neues wagen? Viele Private wollen nicht vermieten, da es keinen Vermieterschutz gibt. Lieber verzichten sie auf Mieteinkommen, statt sich Probleme aufzuhalsen. Einige große Unternehmen wären unter Umständen bereit, in Wohnraum für ihre Mitarbeiter zu investieren, möchten sich aber nicht mit der Thematik und eventuell entstehenden Problematiken des Vermietens beschäftigen. Das Kasernenareal bietet die einmalige Chance, im Rahmen eines
Pilotprojektes neue Wohnkonzepte zu erforschen und zu erproben, da sich das Areal gänzlich in öffentlicher Hand befindet. Wieso sollte sich eine öffentliche Institution wie das WOBI, die Bezirksgemeinschaft oder auch eine Genossenschaft nicht um die Vermietung kümmern und die Verantwortung für den vermieteten Raum mit begleitenden Angeboten übernehmen können? Kurzzeitvermietungen, Vermietung an junge Menschen und Randgruppen, flexible generationsübergreifende Wohnmodelle, Homeoffice und Work&Travel-Konzepte wären so sicher leichter umzusetzen.
Dass das Kasernenareal mit seiner rigiden Struktur für eine flexible und der Zeit angepassten Nutzung prädestiniert zu sein scheint, haben heuer 40 Architekturstudenten vor Ort beim von der Uni Bologna organisierten Workshop „Demilitarise gently – Sanfte Entmilitarisierung“ vom 31. Jänner bis 18. Februar unter Beweis gestellt. Professoren und Studenten aus der ganzen Welt beschäftigten sich mit dem Thema der Umgestaltung und neuen Nutzung teils kritisch beäugter militärischer Infrastrukturen generell und mit der Frage, ob die Gebäude des Kasernenareals in Schlanders einer sinnvollen, dem Bürgerbeteiligungsprozess entsprechenden neuen Nutzung zugeführt werden können. Die Antwort war ein eindeutiges Ja! Der Workshop brachte in kürzester Zeit innovative Konzepte fürs Wohnen und Arbeiten hervor. So entstanden kreative Projekte mit ganz neuer Ästhetik, die mehr Raum für weniger Geld schaffen können und die beweisen: Umbau kann besser sein kann als Neubau, gerade in Zeiten der Klimakrise. Es ist ein wesentliches Prinzip s44 11 20230211 112951der Nachhaltigkeit, ressourcenschonend das Vorhandene zu bewahren und zu nutzen, Verwendbares hat noch einen Wert. Im Rahmen der EU-Projektmesse am Samstag den 23.09.2023 in der BASIS Vinschgau Venosta werden u.a. die Projekte des Workshops „Sanfte Entmilitarisierung“ ab 11:00 Uhr vorgestellt. Zwei Studenten der Technischen Universität Wien geben unter der Leitung von Prof. Lorenzo de Chiffre Einblick in ihre jeweiligen Diplomarbeiten, welche sich mit dem „New European Bauhaus“ (NEB) und mit der Nachnutzung der Drususkaserne beschäftigen. Das NEB oft he Mountains war auch Thema der diesjährigen Biennale in Venedig, wo EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobende Worte für nachhaltige und bereits gut funktionierende Projekte im südlichen Alpenraum, sprich für BASIS Vinschgau Venosta, äußerte. Dem aktuellen und künftigen Landtag wäre gut geraten, auf die Stimme der jungen Wähler*innen zu hören und sich mit ihren Bedürfnissen und Vorstellungen auseinanderzusetzen, vor allem wenn es um Zukunftsthemen geht. Da erwarten sich viele, dass der Staub, welcher sich auf dem Projekt Kasernenareal angesetzt hat, ordentlich und asbestfrei aufgewirbelt wird. Welches der 488 Schneiderlein wird wohl das Tapferste sein?

 

Auszug aus der Rundschau Dezember 2011

„Kasernen-Areal” - „urban village”

Ziel: Nutzung des „Kasernen-Areals” für eine ergänzende, gesunde und nachhaltige Wertschöpfung für ganz Schlanders!
Umsetzung:
Dort wollen wir Themen ansiedeln, die wichtig sind und für die wir sonst nirgends in Schlanders Platz haben oder finden. Dies können neue Wohnformen, feine Kultur- und Bildungsaspekte, Jugend- und Senioren-Angebote, aber auch Platz für Forschung und Entwicklung, Handwerk und Gewerbe sein. Dazu wird ein Raumprogramm mit den gewünschten Inhalten und Qualitäten erarbeitet, welches die Basis für einen gestalterischen Architektur-Wettbewerb bilden wird. Wir wollen mit dem „Kasernen-Areal” auf Schlanders aufmerksam machen, neue Betriebe und neue Kunden sowohl aus dem Vinschgau und Südtirol, wie auch aus anderen Teilen Italiens und dem Ausland anziehen.

 

Architekturworkshops
„Demilitarise gently – Sanfte Entmilitarisierung“

Anwesende Universitäten in der Basis:

Università di Bologna/Cesena
Professoren: Leila Signorelli,
Alessia Zampini, Marco Pretelli, Andrea Ugolini, Eernesto
Antonini, Giulia Favaretto

Politecnico di Milano
Professoren: Gennaro Postiglione, Francesca Albani, Christina
Giambruno, Davide Del Curto, Rossana Gabaglio

Università Politecnica delle Marche
Prof. Chiara Mariotti

Lusòfona University, Lissabon (P)
Prof. Maria Rita Pais

KU Leuven (B)
Prof. Pieterjan Ginckels

Università de Valencia
Prof. Valentina Cristini

TU Wien
Prof. Lorenzo De Chiffre

 

Weitere mitwirkende
Universitäten und Institutionen:

Universität Bozen

Universität Trient
Professoren: Matteo Aimini, Chiara Bataino, Sara Favargiotti

Ca`Foscari University Venezia
Professoren: Nicola Camatti,
Daniele Sferra

Universidad UVA de Valladolid
Prof. Federico Camerin

Universitdas Politécnica de Madrid
Prof. Isabel Gonzàlez Garcìa

Architekturstiftung Südtirol

Architektenkammer Bozen

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