Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Florian, 4. Mai 2021
Der Graureiher (Ardea cinerea) und der Jagdfasan (Phasianus colchicus) sind zwei Vogelarten mit unterschiedlichen Bestandsentwicklungen in den letzten dreißig Jahren in Südtirol: Der eine, der Graureiher ist gekommen, der andere, der Jagdfasan ist gegangen. Möglich ist diese Feststellung durch die Aufzeichnung der Beobachtungen von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz in Südtirol (kurz AVK). Deren Mitglieder sind begeisterte Vogelfreunde, Vogelbeobachter und Vogelkundler, die ihre Beobachtungen sammeln, teilweise aufschreiben und veröffentlichen und so der interessierten Öffentlichkeit erhalten und verfügbar machen. Die zwei von der genannten Arbeitsgemeinschaft in den Jahren 1996 und 2017 publizierten Vogelatlanten Südtirols sind wertvolle Quellen, welche den Interessierten und der Wissenschaft eine gute Einschätzung eben über die Bestandsentwicklung, aber auch über Neuankömmlinge und Verluste ermöglichen.
Die zwei Arten Graureiher als neuen Brutvogel Südtirols und den Fasan als verlorengegangenen Brutvogel möchte ich eben als Beispiel für zwei gegenläufige Entwicklungen heute herausgreifen.
Der Graureiher
Der Graureiher oder Fischreiher ist der größte und häufigste Reiher unter den europäischen Reiherarten, die mit mehreren Arten vorwiegend südeuropäisch sind. Der Graureiher gehört zur Ordnung der Schreitvögel (Ciconiiformes). Sein Lebensraum sind Gewässer aller Art, fließend und stehend, falls sie genug Nahrung bieten und seicht genug sind, um sie watend abzuschreiten. Der Graureiher harrt manchmal sehr lange regungslos aus, um Fische zu erbeuten, die er mit einem blitzschnellen Stoß aus dem Wasser fischt. Noch heute wird der Graureiher von einigen Fischern als ihr Konkurrent angesehen. Er ernährt sich neben Fischen auch von Reptilien, Amphibien und Mäusen.
Der Graureiher ist in weiten Teilen Europas verbreitet und fehlt nur im hohen Norden. Er ist ein Koloniebrüter in gewässerreichen Niederungen bis 500 m MH. Der Graureiher überwintert im Mittelmeergebiet, wo die Fischgewässer nicht permanent zufrieren.
Im 1. Vogelatlas der AVK von 1996 wird der Graureiher für Südtirol noch als Durchzieher während der Zugzeit beschrieben und Winterbeobachtungen gehörten zu den Seltenheiten. Als Brutvogel war die Art anfangs der 1990-er Jahre in Südtirol unbekannt. Im 2. Südtiroler Vogelatlas von 2016 steht u.a. zu lesen: Seit 1998 wurden die ersten Bruten in Südtirol registriert. Inzwischen hat sich der Graureiher über ganz Südtirol ausgebreitet und brütet auch in entlegenen Seitentälern. Auch aus dem Gebiet der Pilser Auen in St. Gertraud in Ulten sind Bruten bekannt. Die Art ist inzwischen ganzjährig an Flüssen, Bächen, Seen und Feuchtgebieten Südtirols anwesend. Franz Waldner hat am 29. April d.J. auf den Laaser Mösern fünf Exemplare fotografieren können. Obwohl es seit längerem auch für den Vinschgau Brutverdacht gibt, konnten bisher keine Horststandorte gefunden werden.
Der Jagdfasan
Der Jagdfasan gehört in der zoologischen Systematik zur Ordnung der Hühnervögel (Galliformes) und darin zur Unterfamilie der Glattfußhühner (Phasianinae). Die Glattfußhühner haben federlose Füße und Zehen. Dagegen sind die Füße und Zehen bei den Raufußhühnern (Tetraoninae) befiedert. Zu den einheimischen Raufußhühnern gehören Haselhuhn, Auerhuhn, Birkhuhn und Schneehuhn, zu den wildlebenden Glattfußhühnern die Wachtel, das Rebhuhn und alle Haushühner.
Beim Jagdfasan sind Hahn und Henne sehr unterschiedlich gefärbt. Die Henne hat als Bodenbrüter ein erdbraunes Tarnkleid, der Hahn auffallende Imponierfarben und sehr lange Schwanzfedern. Zur Art schreibt der 2. Südtiroler Vogelatlas von 2017 folgendes: „Spärlicher, eingeführter Jahresvogel. Der Fasan war vor Jahren in allen Landesteilen unter 600 m als regelmäßiger und nicht seltener Brutvogel vorhanden, gebietsweise auch noch höher (im Vinschgau und in der Umgebung von Brixen bis gegen 900 m Höhe). In den letzten 20 Jahren nahm aber der Bestand ständig ab und konnte größtenteils nur durch Aussetzen von Zuchtfasanen einigermaßen gehalten werden. Heute ist der Fasan aus dem genannten Verbreitungsgebiet völlig verschwunden. Vereinzelte Beobachtungen sind nur mehr vom Südtiroler Unterland bekannt. Seit mindestens 20 Jahren werden keine Fasanen mehr ausgesetzt.“