Anna Franziska Wieser Wwe. Schnitzer wird in Lichtenberg von allen Ada genannt. Die rüstige 90-jährige Seniorin hält sich mit täglichen Spaziergängen fit, die sie oft bis nach Agums führen. Sie liebt die Geselligkeit im Seniorenclub und „hoangortet“ gerne.
von Magdalena Dietl Sapelza
Ada sitzt an sonnigen Tagen gerne neben ihrem gleichaltrigen Nachbarn Heinrich Renner auf der Hausbank. „Miar drzäln inz fa friaer“, sagt sie. Beide besuchten die italienische Schule und verstanden die Unterrichtssprache nicht. 1939 wurde Ada dann als „Walsche“ beschimpft, weil ihre Eltern „Dableiber“ waren. Sie wollten ihren Hof nicht aufgeben. „Ausgwondert sain selm hauptsächla kinderreiche Familien“, erinnert sie sich. Sie selbst ist ein Einzelkind. In der Nachbarschaft zog eine italienische Familie mit Kindern ein. Ada spielte mit ihnen. Dabei lernte sie Italienisch. „Miar hobm mit der Familie olm guat gschoffn“, bekräftigt sie. Den Einmarsch der deutschen Truppen beschreibt sie als spannungsgeladene Zeit. Die italienische Nachbarsfamilie verließ den Ort. Die Bauern versuchten ihr Getreide und ihre Lebensmittel vor den SS-Männern zu verbergen, um sie nicht abgeben zu müssen. „Dr Votr hot in Keller a Maur baut unt in Speck drhinter vrsteckt“, verrät sie. Nach dem Krieg beruhigte sich die Lage. Kriegsheimkehrer wurden begrüßt, Gefallene beweint. Auch viele Optanten kamen zurück. Die Suche nach Normalität begann.
Ada arbeitete im Winter zuerst als Kindermädchen in einem Hotel in Sulden, dann als Küchenhilfe in einem Hotel in Trafoi. Die Bezahlung war dürftig, und auf eine Anmeldung wurde meist verzichtet. Bei Kontrollen musste sie sich schnell irgendwo verstecken. Erst in einem Haushalt in Davos war sie regulär gemeldet und verdiente gutes Geld. In den Sommermonaten wurde sie daheim auf dem Hof gebraucht. Heimlich traf sie sich mit dem drei Jahre älteren Hans Schnitzer vom Nachbarhof. „Hoamla sain miar pan Gapp in Prod tonzn gongen“, schmunzelt sie. Noch gut erinnert sich an eine abenteuerliche Fahrt auf dem Pferdeschlitten dorthin. „Selm hobmer a morts Fuarwerk kopp unt warn poll in Schnea steckn bliebm“, lacht sie. Die Heimlichkeit hörte auf als Ada schwanger wurde. Eine Hochzeit wehrte vorerst der Onkel von Hans ab. Adas Eltern nahmen es gelassen, dass ihre Tochter ein „lediges Kind“ erwartete. Jedoch in der Dorfbevölkerung wurde getuschelt. So manche Kirchgängerin bedachte Ada mit vernichtenden Blicken, was sie sehr schmerzte. „Fa di bittgotte Lait, isch dr Tuifl nit wait“, zitiert sie ein Sprichwort. Auch Hans war der Schelte seiner Mutter ausgesetzt und hielt sich fast nur noch beim Besenbinden im Stadel auf. Ada brachte einen Sohn zur Welt. Sie und Hans freuten sich über den Kleinen. Im November 1959 feierten sie endlich Hochzeit. Ada zog im Hof seiner Eltern ein. Das Zusammenleben mit der Schwiegermutter war nicht einfach. „Dr Monn hot zun Glick olm zu miar gholtn“, betont sie. Der zweite Sohn erkrankte im Alter von drei Monaten an einer Lungenentzündung und starb. Der Schmerz war groß. Die Geburt eines weiteren Sohnes und zweier Töchter ließ diesen Schmerz verblassen. Ada kümmerte sich um die Kinder, um den Haushalt, und sie unterstützte ihren Mann in der Landwirtschaft. Auch ein Knecht stand ihnen zur Seite. Bei der Heuernte packten alle Familienmitglieder an. Beschwerlich war die Getreideernte. Im Winter galt es die dreißig Stück Vieh im Stall zu versorgen. Bald war Ada auch bei der Pflege ihre Eltern und Schwiegereltern gefordert. „Long hon i vier olte Leit ountoun“, sagt sie. „Dia hobm olle drhoam sterbn kennt.“
Im Jahre 2011 verlor sie ihren Mann. Er starb nach kurzer schwerer Krankheit. Heute lebt Ada in der Familie ihrer Tochter. Bei ihren Spaziergängen freut sie sich Menschen zu treffen und mit ihnen zu plaudern. Regelmäßig ist sie im Seniorenclub zu Gast. „I bin olm a bissl in Bewegung, unt i gea olm, wenn si eppas organisiern“, betont sie. Oft spricht sie von der „guten alten Zeit“ in der die Menschen noch Zeit hatten, auf den Hausbänken zu sitzen und zu „hoangortn“. „Friaer isches viel feiner gwesn“, empfindet sie. „Heint isch niamat mea ummer. Olle hobms lai mea gneati.“ Ada ist froh, dass sie zumindest ihren Nachbarn hat, mit dem sie auf der Bank sitzen und ein „Ratscherle“ machen kann. Und sie hofft, dass es noch lange so bleiben möge.