Nationalpark Stilfserjoch: Noch einmal Wolf - Es geht um die Art, nicht um das Einzelindividuum

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Foto: Matteo Riccardo De Nicola Foto: Matteo Riccardo De Nicola

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Antonius von Padua

Schon wiederholt habe ich auf diesen Seiten zum Wolf geschrieben. Aus mehreren Gründen komme ich heute nochmals auf dieses Thema zurück.
Die Bilder von gerissenen Nutztieren auf Heim- und Almweiden nach Wolfrissen sind auch für mich schwer auszuhalten. Nahrungskette und Pflanzen- und Fleischfresser hin oder her. Eine Lösung zum Wolfsmanagement ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht und die Positionen von Artenschützern und geschädigten Tierhaltern und Standesvertretern werden immer fundamentalistischer und extremer.
Das Südtiroler Landesgesetz zur Landeszuständigkeit mit Einschränkungen zum eigenständigen Wolfsmanagement hat vor dem Verfassungsgerichtshof bestanden. Aber das vorgeschriebene Gutachten des wildbiologischen Institutes ISPRA zur Entnahme von Problemwölfen wird nicht gelegt und verzögert.
Dem Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti wird vom Innenministerium Personenschutz zugewiesen, weil er ob seiner Äußerungen zu den Großen Beutegreifern Morddrohungen erhält!
Die Wolfrisse nehmen in immer weiteren Landesteilen zu und geschehen auch auf hofnahen und eingezäunten Heimweiden.
440B1Die Almsömmerung von Schafen ist im Wolfsgebiet Südtirols gefährdet. Einige Schafhalter aus dem Eisacktal, dem Deutschnonsberg und Ulten bringen ihre wertvollen Zuchttiere zur Sommerweide von den traditionellen Heimalmen ersatzweise in das derzeit noch wolffreie Gebiet des Hinteren Ötztales. Andere Züchter und Hobbyhalter geben enttäuscht auf. Wieder andere stellen auf Ziegen um. Nach den Angaben der Geschäftsführerin im Südtiroler Kleintierzüchterverband Barbara Mock ist der Schafbestand in Südtirol seit der letzten Landwirtschaftszählung vor zehn Jahren von 45.000 stark rückläufig, während die Ziegen von 16.000 Stück auf heute 25.000 zugenommen haben. Im Martelltal haben die Schafe in den letzten fünf Jahren trotz aufmerksamer und anerkannt guter Behirtung um 12% abgenommen.

Almweiden sind Pools der Biodiversität
Inzwischen schon mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass die pflanzliche Artenvielfalt auf extensiv genutzten Almweiden besonders hoch ist. Werden diese Almweiden nicht mehr genutzt, verstrauchen und verbuschen sie, in Zeiten der Erderwärmung noch schneller als sonst. Der Wald kehrt zurück und die Artenvielfalt in der Pflanzengemeinschaft nimmt ab. Oder umgekehrt formuliert: Wo das Schaf geht, wird schonend aufgeräumt, die Biodiversität wird erhalten. Schon die Ziege hat ein anderes Fressverhalten und eine andere Weidenutzung: Sie ist ein wählerischer Nahrungs-Selektierer und verursacht auch Verbiss-Schäden.

Die Rechtsebene
1136B3Der italienische Wolfsmanagementplan liegt seit Jahren wie eine heiße Kartoffel in den Schubladen des Umweltministeriums. Den Abschuss von Problemwölfen als Schutzmaßnahme im Plan zu verankern, stellt offenbar einen unaussprechlichen Tabubruch dar. Derweil werden im Apennin jedes Jahr bis zu 300 Wölfe vergiftet oder ungesetzlich abgeschossen. Die Klassifizierung des Wolfes auf der höchsten Schutzstufe in den Anhängen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft bleibt derzeit für die Alpenländer immer noch unantastbar. Die Schweiz (als Nicht-EU-Land) macht es vor: Problemwölfe und überzählige Jungen aus einem Wurf in einem Rudel werden zum Abschuss freigegeben. Dies, obwohl auch die Schweiz Signaturstaat der sogenannten „Berner Konvention“ zum Schutz bedrohter Tierarten ist.
Der Vorschlag vom Innsbrucker Universitätsprofessor und Europarechts-Experten Walter Obwexer, Südtirol könne in Brüssel einen eigenen Weg zur Reduzierung im Schutzstatus des Wolfes versuchen, scheint mir nicht abwegig. Professor Obwexer verweist darauf, dass verschiedene EU-Mitgliedsländer wie Spanien, Griechenland, Lettland schon eigene Wolfsmanagement-Lösungen als Ausnahmen von der EU-Regel erreicht haben und umsetzen. Abwegiger erscheint mir die emotional verständliche Forderung mancher geschädigter und erzürnter Tierhalter, der Landeshauptmann möge couragiert sein und beim derzeitigen Schutzstatus des Wolfes Dekrete zu dessen Abschuss unterzeichnen. Ich erinnere daran, dass seinerzeit der Trentiner Landeshauptmann Lorenzo Delai einen als kritisch betrachteten Braunbären per Dekret zum Abschuss freigegeben hatte und vom Gericht zur Ersetzung des getöteten Tieres verurteilt wurde und das getötete Tier durch Freilassung eines neuen Bären aus Slowenien ersetzen musste.

Nicht das Einzeltier, sondern die Art sehen
In der Wildtierbiologie geht es nie um das einzelne Individuum, sondern um die Art als solche. Beispiel Braunbär: Wenn im Trentino vor Jahren die Bärin Jurka und deren Nachwuchs für mehr als drei Viertel aller Bärenschäden an Nutztieren (Haustiere und Bienen) verantwortlich war, hat sich das Problem durch die Entnahme von Jurka gemildert.
Der anerkannte Wolfsexperte und Wiener Universitätsprofessor Kurt Kortrschal schreibt fundiert, dass Mensch und Wolf zwei sozial organisierte Wesen auf hoher Intelligenzstufe sind. Die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Wolf ist ambivalent, polarisierend, emotional und konfliktbeladen. 084B4Durch die Zähmung zum Haushund gehört der Wolf zu den ältesten Begleitern des Menschen. Der Wolf ist ein vermehrungsfreudiger Nahrungsopportunist. Nach seiner Ausrottung im Alpenbogen ist er spontan hierher zurückgekehrt und nimmt nicht nur Räume der Kulturlandschaft ein, die der Mensch aufgibt, sondern zieht auch in die bewirtschaftete Kulturlandschaft ein.
Ich schließe mit einer Überlegung und mache mein Herz auch nicht zur Mördergrube: Vielleicht ist der Abschuss von Problemwölfen ein Schutz für den Wolf. Denken Sie an das oben zur Bärin Jurka Dargelegte. Wenn ich ein kritisches Individuum entferne, erhalte ich die Art. Die von manchen erhobene Forderung des vollkommen wolfsfreien Südtirols wird wohl illusorisch sein.
Wenn es in Europa heute über 10.000 Wölfe, aber nur 150 Villnösser Schwarzen Brillenschafe mit weißer Kennzeichnung gibt, dann ist für mich klar, welcher Tierart in einer Gesamtschau zwischen Wild- und Nutztieren prioritärer Schutz zukommen muss.

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