Wo bleibt die Praxis?

Stellungnahme – Landesbeirat der Schülerinnen und Schüler

 

Bereits im November und Dezember letzten Jahres musste auf 100% Fernunterricht umgestellt werden. Heute, wo wir uns zum dritten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie in einer
ähnlichen Situation befinden, merken wir, dass sich bei vielen Problemen und Schwierigkeiten für uns Schülerinnen und Schüler wenig geändert hat.

Doch ein wesentlicher Unterschied besteht heute darin, dass etwas nicht mehr gewährleistet wird: der Praxisunterricht. Ende 2020 konnten Schulen noch praktischen Unterricht in Präsenz anbieten, wenn er zur Vermittlung des Lernstoffs notwendig war. Auch damals war die Situation kritisch, auch damals gab es strenge Regeln, auch damals herrschte Lockdown.

Viele Schülerinnen und Schüler waren froh über dieses Angebot, froh über die Möglichkeit aus dem Haus zu kommen, und auch froh darüber, praktische Kenntnisse zumindest teilweise erwerben zu können.

Seit bereits einem Monat befinden wir uns aber in einer Lage, wo diese Möglichkeit nicht mehr gegeben ist. Schülerinnen und Schüler, vor allem aus Berufs- und Fachschulen, aber auch aus Schulen mit technischem Hintergrund, werden hier vernachlässigt und vergessen. Praktische Kenntnisse, die Schwerpunkt, Aushängeschild und Sinn ihrer Ausbildung sind, werden nur noch eingeschränkt vermittelt. Je nach Schwerpunkt auch gar nicht mehr.

Das ist weder akzeptabel noch entspricht es unserer Vorstellung einer gerechten und funktionierenden Bildungslandschaft. Viele dieser Schülerinnen und Schüler werden in Berufen ausgebildet, die für unser Land von existenzieller Wichtigkeit sind. Sie müssen sich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten, haben Pläne für die Zukunft. Sie dürfen, weil ihre Bildung besonders auf praktischem Unterricht basiert, nicht einfach vergessen werden!

Immer wieder war in der Vergangenheit die Rede davon, die Berufsbildung solle den staatlichen Schulen doch endlich gleichgestellt werden. Praktische Kompetenzen und Fachwissen seien so wichtig, hieß es immer wieder.
Dass nach über einem Monat der Schulschließungen in Südtirol immer noch nicht wenigstens
über das erneute Ermöglichen des praktischen Unterrichts gesprochen wird, ist ein Armutszeugnis und ein Beweis dafür, wie weit Südtirol von einer tatsächlichen Gleichstellung diesbezüglich noch entfernt ist.

Niemand kann leugnen, dass die Situation im Hinblick auf die Pandemie schwierig und kritisch ist. Es kann aber nicht sein, dass gewisse Schüler- und Schülerinnengruppen von einem wesentlichen Teil ihrer Bildung ausgeschlossen werden. Praxis ist für viele Schulen kein Zusatzangebot, sondern Existenzgrundlage – dem muss Rechnung getragen werden.

Wir verlangen, dass den Schulen ab nächster Woche wieder die Möglichkeit eingeräumt wird, den praktischen Unterricht zu organisieren. Unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen, auch gestaffelt oder in kleinen Gruppen. Aber er muss organisiert werden, wo auch immer es möglich und notwendig ist. Das ist die Gesellschaft der Jugend schuldig.

 

Der Landesbeirat der Schülerinnen und Schüler für die deutschsprachige Schule

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