Touristisch zerrissener Vinschgau

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Mals beim Reschensee? Fröhlichsturm als Turmbau zu Babel? Mals beim Reschensee? Fröhlichsturm als Turmbau zu Babel?

Vinschgau - Der Vinschgau geht in Richtung Zerrissenheit: Die Ferienregionen Reschenpass und Obervinschgau gehen eigene Wege und wollen sich künftig als Ferienregion „Reschensee - Lago di Resia“ selbst vermarkten. Nach hypnotischer Inkubationszeit beginnen sich der Mittel- und Untervinschgau zu bewegen.

von Erwin Bernhart

Die Ferienregionen Reschenpass und Obervinschgau - also der gesamte obere Vinschgau mit den Gemeinden Graun, Mals, Schluderns, Glurns und Taufers - haben - mündlich zumindest - angekündigt, mit 31.12. 2024 aus Vinschgau Marketing auszutreten.
„In den letzten Jahren haben wir unser Marketingbudget an Vinschgau Marketing weitergegeben und gemeinsam mit den insgesamt sieben Tourismusvereinen im Vinschgau in Kommunikation und Produktentwicklung investiert. Nun haben wir uns gemeinsam mit der Ferienregion Reschenpass dazu entschieden, uns künftig unter der Marke Reschensee - Lago die Resia zu vermarkten, was uns sehr viele Vorteile bringt ...“ So heißt es in einem Schreiben an die Mitglieder, die die Vorstände der Ferienregionen Obervinschgau und Reschenpass kürzlich verschickt haben.

Mals beim Reschensee?

Das Logo, ausgearbeitet von der Hamburger und Berliner Marketingagentur OAKS, liegt bereits vor. An die Inhalte wird man sich noch gewöhnen müssen. Glurns am Reschensee? Schluderns beim Reschensee? Mals am Reschensee? Gar Taufers beim Reschensee?
Von Prad und Laas abwärts bis hinein ins Schnalstal hat man den Ausstieg der Obervinschger aus s5 titel 4 24einer bisherigen touristischen Schicksalsgemeinschaft im Vinschgau bereits als Fakt registriert. Mit Wehmut, Argwohn, mit Zähneknirschen, mit Wut auch, auch mit Respekt und sogar mit Verständnis. Die Reaktionen variieren stark. Allen gemeinsam ist ein „Schade“.
Der Schlanderser Hotelier Manfred Pinzger, der große HGV-Landeschef, sagt etwa: „Aus unternehmerischer Sicht habe ich vollstes Verständnis, dass sich die Marke „Reschensee“ für die Ferienregionen Mals und Reschen als bessere erweisen könnte als die Marke Vinschgau. Aber ...“ Pinzger ist auf die mögliche Schieflage erst durch den Artikel „Weckruf“ im Vinschgerwind Mitte September aufmerksam geworden. Und hat dann die Problemaik auf’s politische Parkett gebracht. Gegenüber der Bezirkspräsidentin Roselinde Koch hat er per Mail sein Unbehaben über die mögliche touristische Entwicklung kundgetan.
Pinzer, der sich bislang in die Belange von Vinschgau Marketing weder eingebracht noch eingemischt hat, er sei auch nie eingeladen gewesen, spricht von einer touristischen „Zerrissenheit des Vinschgau“.

Weckruf

Der Vinschgerwind-„Weckruf“ scheint auf jeden Fall auch andernorts gewirkt zu haben. Mauro Dalla Barba, der Latscher Bürgermeister und seit der Umstrukturierung der Agenden in der Bezirksgemeinschaft als Bezirksrat für Tourismus zuständig, hat am vergangen Freitag, den 25. Oktober, ein Meeting der Extraklasse anberaumt. Dalla Barba hat die Bürgermeister von Prad, Sulden, Schlanders, Martell, Kastelbell-Tschars und Schnals in der Bezirksgemeinschaft in Schlanders zusammengetrommelt. Die Laaser BMin war nicht zugegen und die Bezirkspräsidentin Roselinde Koch ist später hinzugestoßen. Miteinbezogen waren auch die Präsidenten der Tourismusvereine Sulden, Prad, Schlanders-Laas, Latsch-Martell, Kastelbell-Tschars und Schnals. Und auch die jeweiligen Geschäftsführer waren einbestellt. Mit dabei war auch HGV-Chef Manfred Pinzger - was bei einigen zu Naserümpfen geführt haben soll. Nicht eingeladen waren die Obervinschger. Weder die Bürgermeister noch die Tourismuspräsidenten aus Graun und Mals.
Das Meeting war gedacht als heftige Gegenreaktion und als Gegenoffensive zum Obervinscher Alleingang. Was ist zu tun? Was ist noch zu retten? Was ist mit Vinschgau Marketing? Wie ist die Vorgangsweise? Was soll umgesetzt werden?
Einhelligkeit herrschte unter den Teilnehmern: Vinschgau Marketing soll und muss als gemeinsame der Latscher BM Mauro Dalla Barbatouristische Plattform aufgerichtet und erhalten werden. Derzeit ist Glurns Sitz von Vinschgau Marketing. Der Sitz könnte sich ändern. Denn Glurns gehört zur abtrünnigen Ferienregion Obervinschgau. Warum sollte man dann Glurns als Sitz für Vinschgau Marketing beibehalten, fragt sich ein Teilnehmer der Runde. Jedenfalls war der Sitz in Glurns auch Gegenstand der Diskussion.

Zwei Gletscherskigebiete

Dass man die Wintersportgebiete besser in Szene setzen wolle, dass man die lokalen Besonderheiten hervorstreichen wolle, darin waren sich alle Teilnehmer der Schlanderser Runde einig. Mit Sulden und Schnals habe man die zwei einzigen Gletscherskigebiete in Südtirol. Das war auch ein Grund von mehreren, dass die Schnalser von der Meraner Marketing Gesellschaft (MGM) in den Vinschgau in Richtung Vinschgau Marketing gewechselt sind. Die Schnittmengen der Schnalser zum Vinschgau sind ungleich größer als in Richtung Meran.
Mauro Dalla Barba, von dem gesagt wird, dass er die Sitzung sachlich durchgezogen habe, wollte den Saal nicht verlassen, ohne die nächsten Schritte genau abgesteckt zu haben. Eine Task Force, also eine kleine Eingreiftruppe unter dem derzeitigen Vinschgau-Marketing-Präsidenten Matthias Tschenett soll umgehend und innerhalb November noch ein neues und den Gegebenheiten angepasstes Konzept von Vinschgau Marketing ausarbeiten, samt genauer Budgetierung.
Dieses Konzept soll dann in den Vorständen der Tourismusvereine Sulden, Prad, Schlanders-Laas, Latsch-Martell, Kastelbell und Schnals abgesegnet und beschlossen werden. Denn die Zeit drängt. IDM und auch die Tourismusvereine sind beim Stylen der Frühjahrskampagnen. Und da muss lange vorher fix sein, wer was machen wird. Das ist die Marschrichtung, die in der politischen und touristischen Elefantenrunde in Schlanders ausgemacht worden ist.

In Bozen ist man „wenig amüsiert“

Und was macht man mit den Obervinschgern? Irgendwie scheint man vom Vorpreschen und von der geschwellten Brust im Oberland überrascht und überrannt worden zu sein. Obwohl der Vinschgerwind bereits im Februar dieses Jahres das Heraufkommen einer potenziellen Trennung der Obervinschger Tourismusvereine beschrieben hatte. In Bozen, so sagt man im Vinschgau, sei das offensichtliche Zerreißen des Vinschger Tourismus mit Entsetzen registriert worden. Tourismuslandesrat Luis Walcher war, gelinde gesagt, wenig amüsiert, als er die mögliche Trennung in der Vinschger Tourismuslandschaft registriert hat. Auch LH Arno Kompatscher soll zum Telefon gegriffen und die Oberländer gerüffelt haben.
Manfred Pinzger sagt es so: „Landesrat Luis Walcher hat versprochen, ein Sonderprogramm für die eher tourismusschwachen Gebiete wie das Unterland und den Vinschgau auflegen zu wollen. So etwas geht natürlich nur unter der Voraussetzung einer touristischen Einheit in den Gebieten.“
Der HGV habe seit Längerem das Ansinnen beim Landesrat deponiert, dass man sich im Kontext des „overtourism“ in der Kommunikation nach außen auf strukturschwache Gebiete konzentrieren könnte. Angesichts des Auseinanderdriftens im Vinschgau wird sich der Landesrat mit seiner Idee nicht sonderlich leicht tun.
Jedenfalls müsse eine Marke „Vinschgau“ gelingen, sagt Pinzger. Die Oberländer, die für ihre Kommunikation nach außen „Reschensee - Südtirol“ gewählt haben und den „Vinschgau“ gar nicht mehr im Programm haben, sollten, so Pinzger, dazu bewogen werden, zumindest den Namen „Vinschgau“ miteinzubeziehen.

Türen bleiben offen

Die Türen zu Vinschgau Marketing sollen für die Obervinschger auf alle Fälle offen bleiben, beschreiben es mehrere Teilnehmer in Schlanders. Man weiß ja nie, ob der Oberländer „Schnellschuss“ in Teilen revidiert werde.
Die Obervinschger schreiben an ihre Mitglieder: „ (...) Natürlich sind wir weiterhin Vinschger und streben eine projektbezogene Zusammenarbeit und einen regelmäßigen Austausch mit allen Tourismusvereinen im Vinschgau an. (...)“

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