Bei der Bildung darf nicht gespart werden!

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Virginia Tanzer, Direktorin des  Berufsbildungszentrums Schlanders Virginia Tanzer, Direktorin des Berufsbildungszentrums Schlanders

Schlanders/Vinschgau - Wann kommt die Tiefbauhalle in Schlanders, Frau Direktorin? Diese Frage war unter anderem Anlass für ein Interview mit Virginia Tanzer, der Direktorin des Berufsbildungszentrums Schlanders. Tanzer sagt, dass an der Berufsschule Schlanders per sofort die beruflichen Weiterbildungen eingestellt werden. Weil das Personalamt eine dazu dringend notwendige Verwaltungsstelle verweigert.

 

Vinschgerwind: Frau Direktorin, Sie sind eine Großherzige...
Virginia Tanzer: Das stimmt. In jeder Hinsicht. Leider.

Vinschgerwind: Vor ein paar Jahren haben Sie dem Neubau der TFO den Vorzug gegenüber der Tiefbauhalle für die Berufsschule gegeben. Weil beide gleichzeitig geplant waren, die Geldmittel für beide aber nicht ausgereicht haben.
Virginia Tanzer: Das würde ich so nicht mehr machen. Vielleicht war das ein Fehler, auch weil wir immer noch auf die Tiefbauhalle warten. Hätten wir damals die Baulose beisammen gelassen, so hätte es etwas mehr Zeit für die TFO gebraucht, aber wir wären gleichzeitig mit der Tiefbauhalle fertig gewesen.

Vinschgerwind: Wie weit ist man denn aktuell mit der Tiefbauhalle?
Virginia Tanzer: Noch sieht man leider nichts davon. Aber laut Auskünfte, laut Sitzungen, denen ich seit 2010 beiwohne, soll die Bauleitplanänderung demnächst kommen und 2025 soll die Planung gemacht werden und der Baubeginn soll mit Ende 2026 starten. Ich sage, das geht gut. Denn 2026 gehe ich in Pension und vielleicht kann ich noch den Grundstein legen.

Vinschgerwind: Ist das nicht frustrierend?
Virginia Tanzer: Sehr frustrierend. Wenn man sich 10 Jahre lang um den Bau bemüht und 10 Jahre lang nach Bozen zu den Sitzungen fährt und man zusehen muss, dass das Projekt immer wieder vor sich hergeschoben wird, ist das frustrierend. Vor allem müssen wir uns in der Schule nach der Decke strecken. Der Tiefbau hat sich in den letzten Jahren fast vervierfacht. Wir haben große erste, zweite und dritte Klassen. Früher mussten die Klassen mit anderen Sparten zusammengelegt werden. Wir müssen mit dem alten Bauhof vorliebnehmen. Moderner und feiner wäre es natürlich, vor allem im Winter mit einer Überdachung, wie es eine Tiefbauhalle bieten würde, arbeiten zu können. Das Fachgebiet Bautechnik und die Tiefbauer müssen derzeit mit wenig Platz auskommen. Bei den Gesellenprüfungen zum Beispiel können wir nur 6 Anwärter annehmen. Auf der anderen Seite sind die Baggerkosten enorm.

Vinschgerwind: Die Lehre im Hoch- und Tiefbau hat sich also enorm entwickelt. Von daher müsste einer Tiefbauhalle in Schlanders in Südtiroler und Vinschger Wirtschaftskreisen große Bedeutung zukommen.
Virginia Tanzer: Die Tiefbauer kommen ja von ganz Südtirol zu uns. Deshalb hätte die Halle große Bedeutung. Aber letztendlich ist die Schule nur ein Teil der gesamten Ausbildung. Vielleicht wird sie von der Wirtschaft nicht ganz so ernst genommen.

Vinschgerwind: Von der Wirtschaft nicht ernst genommen oder von der Politik?
Virginia Tanzer: Ich weiß nicht, ob die Wirtschaft mehr Druck machen könnte. Die Tiefbauer haben auch politisch oft viel zu sagen. In unserem Fall erlebe ich sie eher still. Ich spüre schon, dass die landesweite Berufsgemeinschaft der Tiefbauer hinter der Schule steht. Auch habe ich einen guten Draht zu allen Berufsgemeinschaften. Aber in Bezug auf die Halle, empfinde ich sie eher hilflos.

Vinschgerwind: Die Landesberufsschule Schlanders ist das kompetente Bildungszentrum in den Bereichen Handwerk, Industrie und Dienstleistungen im Vinschgau – so die Eigendefinition der Schule. Handwerk hat bekanntlich goldenen Boden. Ist das nach wie vor so?
Virginia Tanzer: Absolut. Das ist meine Überzeugung seit ich in der Berufsbildung angefangen habe. Das Handwerk gewinnt meiner Meinung nach immer mehr an Bedeutung. Schauen Sie sich an, wie lange Sie oft auf einen Handwerker warten und wie gut Sie den dann bezahlen müssen. Handwerk hat Zukunft. Für eine gute Zukunft legt die Ausbildung den Grundstein, sei es die duale Ausbildung oder auch die Fachschule. Wer diese Berufsbildung durchlaufen hat, auch jene mit Matura, ist für die handwerkliche Karriere oder auch für ein Architektur- oder Ingenieursstudium hervorragend gerüstet. Die kennen die Praxis und die Theorie. Die wissen, wovon sie reden. Ich bin überzeugt, dass Handwerk Zukunft hat. Die Frage wird sein, wo kommen die Leute her, wo kommen die Fachkräfte her.

Vinschgerwind: Sie heißen Schüler:innen aus allen Teilen Südtirols willkommen. Gibt es einen Aufwärtstrend?
Virginia Tanzer: Wenn wenig Lehrstellen sind, haben wir mehr Fachschüler - und umgekehrt. Nach dem ersten Jahr, der Grundstufe, entscheiden sich die Schüler:innen für die duale Ausbildung oder für die Fachausbildung. Im Moment ist die duale Ausbildung im Aufwind, vor allem im Bausektor. Dort ist viel los, so dass viele Lehrstellen mit guter Entlohnung angeboten werden.

Vinschgerwind: Seit 2023 ist die offizielle Bezeichnung für die Landesberufsschule „Berufsbildungszentrum“. „Wir bieten laufend Kurse im Bereich Bau, Arbeitsicherheit, Befähigungsnachweise für Baumaschinen, Baubiologie, Fenstermonteure, Schweissen, Marketing und Verkauf an.“ Sind das Interesse und der Bedarf für berufliche Weiterbildung von Seiten der Wirtschaft groß?
Virginia Tanzer: Ja. Es hat Jahre gegeben, in denen wir mindestens 1000 Kursteilnehmer an unserer Schule hatten. Obwohl wir kein Bildungshaus sind. Aufgrund von Personalmangel im Verwaltungsbereich, im Bereich Abrechnungen und Buchhaltung für die Kurse, musste ich sukzessive die Kurse abbauen. Das Interesse von Seiten der Wirtschaft ist ungebrochen. Wir könnten Schweißkurse für die Hoppe in der Erwachsenenbildung machen, wir haben Verkaufsseminare für Verkäufer angeboten, wir haben Ausbildungen wie die Fenstermonteure, wie die Baubiologie. Ja, die Nachfrage ist gegeben, auch weil wir ein gutes Preis-Leistungsanbot haben.

Vinschgerwind: Personalmangel?
Virginia Tanzer: Ich bekomme keine Stelle nachbesetzt. Nach wie vor. Wir behelfen uns seit Jahren. Wir haben mit internen kreativen Lösungen Jahr für Jahr weitergemacht. Heuer geht das nicht mehr, heuer ist gar nichts mehr möglich. Das Personalamt verweist auf den Personalstopp seit 2014. Deshalb muss ich die Reißleine ziehen. Ich mache keine berufliche Weiterbildung mehr, ausgenommen die Baubiologie, die mir am Herzen liegt und die genau an unsere Schule passt. Der Kernbereich der Berufsschule Lehrlinge und Schüler bleiben natürlich, das ist keine Frage. Die Weiterbildung? Wenn keine lebenslange Weiterbildung angeboten wird, heißt das Stillstand. Das ist eigentlich absurd.

Vinschgerwind: Sie haben sämtliche materiellen Ressourcen zur Verfügung, die Wirtschaft wäre über das ortsnahe Angebot froh...
Virginia Tanzer: Das stimmt. Aber ich bekomme keine Stelle für eine entsprechende Sekretärin. Das Personalamt sagt, dass die Stelle nicht nachbesetzt wird.

Vinschgerwind: Hinzu kommt, dass einer Ihrer Mitarbeiter, Peter Spechtenhauser demnächst in Pension geht. Spechtenhauser hat viele Kurse an der Berufsschule aufgebaut, betreut und gemanagt.
Virginia Tanzer: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Stelle vom Peter kann ich nachbesetzen. Unabhängig davon, dass der Peter ausgezeichnete Arbeit vor allem im Bereich der Arbeitssicherheitskurse geleistet hat. Er hat sich leidenschaftlich für Schule und Wirtschaft eingesetzt. Natürlich kann ein solch wertvoller Mitarbeiter nicht eins zu eins ersetzt werden. Aber diese Stelle per se ist nicht gefährdet. Die kann nachbesetzt werden. Das ist nicht das Thema. Das eigentliche Thema ist die entsprechende Sekretariatsstelle. Aber ja, beide Themen treffen jetzt zufällig zeitgleich zusammen. Wenn ich eine Sekretärin bekomme, sagen wir im Jänner, dann läuft die berufliche Weiterbildung natürlich weiter. Vielleicht etwas anders.

Vinschgerwind: Haben Sie diese personelle Notlage in der beruflichen Weiterbildung Ihren Partnern in der Wirtschaft bereits mitgeteilt?
Virginia Tanzer: Die es unmittelbar betrifft, die einen unmittelbaren Bedarf haben, denen hab ich das mitgeteilt. Aber ein allgemeines Rundschreiben habe ich nicht gemacht.

Vinschgerwind: Letzte Frage: Ihr großer Wunsch an Lokal- und Landespolitik?
Virginia Tanzer: Ich wünschte mir, dass die Bildung wichtiger genommen wir. Dass die Bildung an Stellenwert dazugewinnt. Die Bildung müsste eines der ersten Anliegen sein, die jegliche P0litiker zu verfolgen haben. Wir sehen, was europaweit gerade passiert. Bildung ist für die Zukunft und für das Weiterkommen etwas vom Wichtigsten. Vernachlässigen wir die Bildung, sehe ich schwarz. Und wenn ich den Fall des Berufsbildungszentrums Schlanders hernehme, dann habe ich schon das Gefühl, dass Bildung vernachlässigt wird. Wenn mir eine Stelle verweigert wird, damit ich gut arbeiten kann, wenn ich Jahrzehnte um eine Halle kämpfen muss, die - im Vergleich - wenig kostet. Bei der Bildung darf nicht gespart werden.


Interview: Erwin Bernhart

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