Nationalpark Stilfserjoch: Fischforschung - Interreg Projekt ALFFA in Gesamttirol

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Die Etsch zwischen Eyrs und Laas im Herbst 2019 Die Etsch zwischen Eyrs und Laas im Herbst 2019

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Rupert, 27. März 2020

 

Nur 5% der Wasserreserven unserer Erde sind Süßwasser. In Zeiten des menschengemachten und -verstärk-ten Klimawandels verändern sich Wasserkreisläufe im Großen wie im Kleinen. Südtirol und der Alpenbogen gehört zu den Süßwasserregionen. Die Benennung der Alpen als „Wasserschloss Europas“ verweist auf die Bedeutung dieses Wasserreservoirs. Der Druck auf das Gut Wasser steigt. Die Auseinandersetzungen unter den verschiedenen Wassernutzern werden schärfer. So wird die derzeit laufende Diskussion um den Gewässernutzungsplan des Landes Südtirol heftig geführt. Sie wird im Vinschgau als inneralpinem Trockental mit Niederschlagsarmut besonders in der Landwirtschaft verspürt.
Die kalten, schnellfließenden Gebirgsbäche bilden die sogenannte Sauerstoffregion, aus Sicht der Fischbiologie auch Forellen- oder Salmonidenregion genannt. Die stehenden Gewässer z.B. von Niederungsseen weisen höhere Wassertemperaturen, niedrigeren Sauerstoffgehalt und größere Eutrophierung auf. Sie bilden die Fischregion der Karpfenartigen oder Cypriniden. Die Vertreter aus der Fischfamilie der Forellenartigen erkennt man an ihrer Stromlinienform und an der sogenannten Fettflosse. Es ist dies eine kleine Flosse an der Körperoberseite zwischen der Rücken- und der Schwanzflosse.

Die Erhebung der Fischfauna
Die Fische sind gute Bioindikatoren für die Wassermenge und die Wasserqualität von Fließgewässern. Über das vorhandene Artenspektrum, die Abundanz- und Dominanzverhältnisse und den Populationsaufbau der einzelnen Arten können verlässliche Aussagen über den Zustand eines Gewässers getätigt werden. Derzeit läuft in Nord-, Ost- und Südtirol des Monitoring- und Untersuchungsprojekt „ALFFA – Interreg I-A 2017-19. Das wissenschaftliche Forschungsprojekt trägt den Titel „Gesamtheitliche (skalenübergreifende) Analyse der Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf die Fischfauna im inneralpinen Raum.“ Es hat eine dreijährige Laufzeit und ist aus Finanzmitteln Marmorierte Forelle Rolf Kreutz 90der Europäischen Union auf der Schiene Italien – Österreich finanziert. Am Projekt beteiligt sind mehrere Partner. Neben dem Institut für Alpinökologie der Europäischen Akademie Bozen arbeiten mit die Wissenschaftler der Universität Innsbruck aus dem Institut für Zoologie an der Fakultät für Biologie, die Agentur der Südtiroler Landesdomäne und das Südtiroler Landesamt für Jagd und Fischerei. Projektleiter ist der Landschaftsökologe und gebürtige Prettauer Erich Tasser von der eurac Bozen. Erste Ergebnisse der ichthyologischen Forschung wurden am 24. Februar im Innsbrucker Alpenzoo vorgestellt. Die Ergebnisse beruhen dabei auf 81 Untersuchungspunkten, an denen möglichst repräsentativ Landschafts- und Einzugsgebiete der Zubringere zu den großen Flüssen untersucht und verglichen wurden. Bei den untersuchten Gewässern handelt es sich um neun Fließgewässer in Südtirol (Ahr, Gader, Etsch, Pfusserlahn Kaltern, Falschauer, Plima, Saldurbach, Puni, Rambach,) sowie einige Gräben im Unterland (Kalterer, Branzoller und Leiferer Graben). In Tirol wurden an sieben Fließgewässern Untersuchungen vorgenommen (Lech, Rosanna, Ache, Großache, Ruetz, Gerlosbach und Isel). Die dargestellten Ergebnisse gelten aufgrund der nicht miteinbezogenen Mittelläufe der Etsch, des Eisacksund des Inns nicht für diese Großgewässer.

Der Zustand der Fischfauna
Mit zunehmender Nutzung unserer Kulturlandschaft unterliegen auch die Gewässer-ökosysteme einem ansteigenden Einfluss durch verschiedene anthropogene Maßnahmen. Die meisten Gewässer sind nicht durch eine einzige Maßnahme, sondern durch Eingriffskombinationen mehrfach belastet. Ein sich dadurch ergebender Multiplikationseffekt kann zu dramatischen Veränderungen der aquatischen Lebensräume und ihrer Organismengemeinschaften führen.
Die Veränderungen der Fischfauna sind sowohl in Tirol als auch in Südtirol teilweise schwerwiegend. Sie reichen vom lokalen Rückgang einzelner Populationen bis zur aktuellen Bedrohung der Bestände und im Einzelfall sogar bis zum Verschwinden von Arten.
Eine Besonderheit in den Gewässern Südtirols ist die Marmorierte Forelle (Trota marmorata). Eine Bedrohung für diese Art liegt in der genetischen Verunreinigung, auch durch Fehlbesatz. Regenbogenforelle, Bachforelle und Marmorierte Forelle stehen sich als Salmoniden-Arten so nahe, dass sie bastardieren und dabei fertile Hybriden erbringen. Die Hybridisierung geht zu Lasten der Marmorierten Forelle. Die Marmorierte Forelle wies in den beprobten 81 Abschnitten eine mäßige bis unbefriedigende Altersstruktur auf.
Bei der Äsche (Thymallus thymallus) zeigten sich in den für sie typischen Flussabschnitten (Metarhitral/Äschenregion) ähnlich unbefriedigende Ergebnisse in der Populationsstruktur, mit einer 10 ÄscheAusnahme an der unteren Ahr.
Der Fischfauna abträglich ist auch der Schwallbetrieb infolge der hydroelektrischen Nutzung vieler Gewässerstrecken. Der Schwallbetrieb bringt starke Schwankungen in der Wasserführung und im Wasserstand.
Wasserschutzbauten wie etwa Sperren-Staffelungen verhindern den Laichzug der Salmoniden in die Oberläufe und Quellregion der Bäche. Salmoniden sind Kaltwasser-Laicher im Winter, welche zur Eiablage stromaufwärts ziehen.
Entsandungen durch Wasserspülung von Beruhigungsbecken in Stauanlagen sind für die Fische schwerwiegendst. Die enorme Wassertrübung und Schwebstoffbelastung führt zum Verlust ganzer Fischgenerationen.

Kormoran, Graureiher und Gänsesäger
Von Fischern wird oft beklagt, dass der Graureiher und der Kormoran als fischfressende Vögel zu unvertretbaren Konkurrenten werden und kleingehalten werden sollen. Die Südtiroler Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz (AVK) hat den Bestand der Brutpaare von Graureihern in Südtirol erhoben. Der statistischen Aufschlüsselung im Mitteilungsblatt der AVK Nr. 73/2019 ist zu entnehmen, dass der Graureiherbestand in Südtirol im Jahr 2019 66-70 Brutpaare umfasste. 2017 waren 45 Horste erfasst worden. Aus dem Vinschgau ist bisher keine Graureiher-Brut gemeldet.
Die Ergebnisse der Studie ALFFA zeigen, dass der Fischbestand durch die fischfressenden Vögel an einzelnen Stellen negativ beeinflusst wird wie beispielsweise in Lana an der Einmündung der Falschauer in die Etsch, wo sich ein Schlafbaum der Kormorane befindet. Großräumig gesehen ist der Einfluss der Vögel auf die Fischpopulationen an den Untersuchungspunkten von ALFFA übers Jahr gesehen jedoch als gering anzusehen.

Ergebnisse und Erkenntnisse
Die ALFFA-Fischstudie kommt zum Schluss, dass sich eine Beeinträchtigung der Fischmenge und -vielfalt erkennen lässt, wenn mehrere Stressfaktoren gleichzeitig und kombiniert wirken.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Wasserqualität in Südtirol deutlich verbessert. Chemische Substanzen wie Nitrat, Aluminium, Kupfer, Ammoniak liegen weit unter den gesetzlichen Grenzwerten. Es sind jedoch andere Faktoren, welche einen Einfluss auf die Anzahl und Vielfalt unserer Fische haben, so etwa die Verbauungen, Kläranlagen, das Umland der Gewässer und wie es genutzt wird oder die Anwesenheit fleischfressender Vögel und die Auswirkungen der Fischerei.

Insgesamt konnten 26 verschiedene Fischarten im gesamten Untersuchungsgebiet nachgewiesen werden: in Südtirol 24, in Tirol 12, darunter einige seltene bzw. besondere Fischarten wie z.B. die Martens Grundel, der Steinbeißer, der Maskierte Steinbeißer oder die Bachschmerle. Auch die Mühlkoppe oder Groppe (der „Dolm“ – Cottus gobio) ist als sauerstoffbedürftige Fischart an verschiedene Fließstrecken zurückgekehrt.
Die größte Anzahl an Fischen wurde im Großen Kalterer Graben mit über 30.000 Individuen pro Hektar Wasserfläche gefunden. Dieser Wert stellt allerdings eine Ausnahme dar. Im Mittel betrug die Biomasse über alle Befischungspunkte 141 kg pro Hektar in Südtirol (bzw. 79 kg ohne die Tieflandgräben im Unterland) und 45 kg in Tirol.

Hormone aus Medikamenten
Interessant ist die Beobachtung aus der ALFFA -Studie, dass die Spuren und Reste von Hormonpräparaten im Wasser zu einer Verweiblichung der Fischfauna führen. Die Hormone aus Antibabypille und Diabetes-Medikamenten werden durch die mechanische und biologische Reinigung der Abwässer in den Kläranlagen nicht abgebaut.

Ingenieurbiologie
Die Techniker der Südtiroler Wildbachverbauung haben beim Hochwasserschutz und bei der Flussuferverbauung, dort wo möglich, schon seit mehreren Jahren von den harten Verbauungsmethoden mit Betonkünetten auf ingenieurbiologische Methoden umgestellt. Ausweitung des Bachbettes, Einbringung von Totholz, Errichtung von Fischtreppen sind Beispiele für ein Flussraummanagement zur Verbesserung der Lebensräume aquatischer Lebewesen.

 

Besucherzentrum aquaprad 4CINFO
Im Nationalparkhaus aquaprad in Prad am Stilfserjoch können sie den Südtiroler Fischarten sozusagen „Aug in Auge“ in Lebendtierhaltung in spektakulären Aquarien begegnen.

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