Dreiländertagung zur Gemeindeentwicklung

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Die Teilnehmer:innen der Tagung waren abschließend von Johannes Graf Trapp zu einem Empfang in der Churburg geladen.  Dort erwartete sie auch Altlandeshauptleute Luis Durnwalder. Die Teilnehmer:innen der Tagung waren abschließend von Johannes Graf Trapp zu einem Empfang in der Churburg geladen. Dort erwartete sie auch Altlandeshauptleute Luis Durnwalder.

Schluderns - Am 13. September 2023 drehte sich in einer grenzüberschreitenden Tagung im Kulturhaus alles um die Themen Nachhaltigkeit, Kooperationen, Frauen in der Politik und Gemeindeentwicklung. Eingeladen hatten Josef Bernhart von eurac research und der Schludernser Bürgermeister Heiko Hauser. Der Vinschgerwind beleuchtet einige der Themenkreise.

von Magdalena Dietl Sapelza

Die Teilnehmer:innen waren aus vielen Teilen Südtirols, aus Nordtirol und Graubünden angereist, um sich einen Tag lang zu den Themen Nachhaltigkeit, Kooperationen, Frauen in der Politik und Gemeindeentwicklungsprogramm auszutauschen. Es ging in erster Linie darum, den Ist-Zustand zu analysieren und neue Impulse zu geben. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Mitarbeiterteam der Eurac und von BM Heiko Hauser. Bezirkspräsident Dieter Pinggera führte in das Programm ein: „Nachhaltigkeitsmanagement ist das Gebot der Stunde, wir brauchen nur in die Katastrophengebiete nach Nordafrika schauen. Der Klimawandel ist da, und es ist schon fünf nach 12. Wir sind alle in die Pflicht genommen, und ich bin glücklich, dass wir mit Arno Kompatscher einen Landeshauptmann haben, der sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat.“ Die Gemeindekooperation werde in mehreren Bereichen im Vinschgau bereits erfolgreich praktiziert, erklärt Pinggera. Die Kooperationen verschlanken die administrativen Prozesse und sparen Geld. Als Bezirksgemeinschaft habe man beispielsweise die administrative Herausforderung angenommen, der Gemeinde Stilfs zu helfen, die allein überfordert wäre, die zugesagten 20 Millionen aus dem EU-Wiederaufbau Programm zu verbauen. Auch bei der Ortspolizei gebe es Kooperationen. Und man habe sogar einen Gemeindesekretär, der sich um mehrere Gemeinden gleichzeitig kümmert. In Sachen grenzüberschreitender Zusammenarbeit schöpfe man aus jahrzehntelanger Erfahrung, so im Rahmen des Grenzpendleraustausches und vieler Leader- und Interreg-Projekte. Zum Thema Frauen in der Politik verwies Pinggera auf seine Gemeinde Schlanders. Dort sitzen derzeit vier Frauen im siebenköpfigen Gemeindeausschuss. Das sei mehr als die Frauenquote vorschreibe, so Pinggera. Die Gemeindeentwicklungspläne, die die Weichen für die kommenden Jahrzehnte stellen, seien von zentraler Bedeutung.

Nachhaltigkeitsmanagement: Es darf nicht den Tod der Schublade sterben

Das Wort Nachhaltigkeit ist seit Jahren überall zu hören. Das Wort gilt schon als abgedroschen und überstrapaziert, und es wird von vielen in die Kategorie der Unwörter eingereiht. Doch man kann es drehen und wenden, wie man will, um das Wort Nachhaltigkeit kommt man nicht mehr herum, ob es einem gefällt oder nicht. Laut Duden bedeutet das Wort Kampfansage, offene Gegnerschaft, sogar Kriegserklärung. Es beinhaltet eine überlebenswichtige Botschaft, und zwar die Aufforderung, die Ressourcen der Welt nicht skrupellos auszubeuten nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut“. Es ist eine Aufforderung zum Umdenken, der wir uns nicht mehr entziehen können. Denn die Natur rächt sich bereits. Die regelmäßigen Unwetter mit verheerenden Folgen machen das deutlich. Das Prinzip Nachhaltigkeit wurde zuerst in der Forstwirtschaft angewendet: Es geht darum, nur so viel Holz zu schlagen wie nachwächst. Nachdem erkannt wurde, dass die Rohstoffe und Energievorräte der Welt langsam ausgehen, wurde der Wortgebrauch auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Es geht mittlerweile um eine Ausgewogenheit zwischen Ökologie, Wirtschaft und Sozialwesen, um Verantwortung für Mensch und Natur. Es geht um erneuerbare Energien, umweltfreundliche Mobilitätsformen, um schonenden Umgang mit Ressourcen, um Lebensqualität, um zwischenmenschliche Beziehungen und einiges mehr. Allen voran hat in Südtirol Landeshauptmann Arno Kompatscher den Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt (siehe https://nachhaltigkeit.provinz.bz.it). Die Gemeinden wurden aufgefordert, Nachhaltigkeitsbeauftragte zu ernennen. Diese sollen die unterschiedlichen Tätigkeiten, die Beschlüsse, Projekte, Veranstaltungen und dergleichen auf die globalen 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 überprüfen und Impulse zur Verbesserung geben. 115 Gemeinden haben mittlerweile Beauftragte ernannt. Eine Kerngruppe von zehn Personen mit der Sprecherin Sonja Anna Plank, Bürgermeisterin von Hafling, ist eingerichtet worden, um für Nachhaltigkeitsimpulse im Rahmen eines Netzwerkes zu sorgen. Plank unterstrich in ihrem Referat, dass im ökologischen Bereich bereits einiges funktioniere, doch grundsätzlich stehe man erst am Anfang. „Man muss die Bevölkerung sensibilisieren, sensibilisieren und nochmals sensibilisieren“, betont sie. Man müsse die Menschen mitnehmen, sie von der Sinnhaftigkeit des nachhaltigen Handels überzeugen. Damit wirke man Spaltungen entgegen. Es müsse sich vieles in den Köpfen ändern. Plank sparte auch nicht mit Kritik. Vieles komme in Sachen Nachhaltigkeit nicht in die Gänge, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Es sei zu wenig, nur von oben herab etwas vorzuschreiben, wenn dann in den Gemeinden die personellen Ressourcen fehlen. Viele mit dem Thema betraute Gemeindereferentinnen und Referenten klagen über zu großen Druck. Den Verantwortlichen vor Ort werden laufend neue Aufgabe zugeschanzt, mit denen sie schlichtweg überfordert sind. Es besteht die Gefahr, dass Gemeindeverwalter aufgeben. „Vieles könnte den Tod in der Schublade sterben und das darf nicht passieren, denn es muss dringend gehandelt werden“, so Plank.

Geschlechterverhältnis: Wie bringt man Frauen in die Gemeindepolitik?

Seit über 100 Jahren haben Frauen das Recht, zu wählen und gewählt zu werden. Trotzdem ist noch keine Parität in der Politik erreicht worden. Etwas gebessert hat sich die Lage in Südtirol nach der im Jahre 2004 eingeführten Quotenregelung, die für Frauen Plätze auf Kandidatenlisten und in Gemeindegremien vorschreibt. Doch es ist für Frauen nach wie vor schwer, in der Politik Fuß zu fassen. „Frauen in die Politik zu bringen, würde in Südtirol ohne Quote nicht funktionieren“, ist Ulrike Oberhammer, Präsidentin im Landesbeirat für Chancengleichheit, überzeugt. In den 116 Gemeinden Südtirols regieren derzeit 14 Bürgermeisterinnen, und nur 26 Prozent der Gemeinderäte in Südtirol sind weiblich. Diese Zahlen verdeutlichen die Schieflage im politischen Geschlechterverhältnis. Laut dem Politologen Hermann Atz werde sich vieles erst in langen Zeiträumen ändern. Dabei können Frauen die Politik bereichern. Es geht in diesem Zusammenhang um Lebensrealitäten, um Vielfalt, um neue Blickwinkel. Die weibliche Perspektive bringt einen Mehrwert für die Gesellschaft. Die größten Hindernisse für Frauen sind die Männerdomäne in der Politik, die fehlende Unterstützung in den Parteien, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, mangelndes Selbstvertrauen, aber auch das fehlende Interesse der Frauen an politischen Ämtern. Dass Frauen weniger zum Zuge kommen als Männer liege auch am Wahlverhalten der Frauen, die häufiger Männer wählen, so Atz. Allerdings sei die Auswahl an Frauen gering. Oberhammer fordert mehr Unterstützung für Frauen. Sie müssten motiviert werden, auch in Kreisen der Vereine und Verbände. Vieles laufe bei der Kandidatensuche falsch. Frauen werden oft nur halbherzig und zu spät um eine Kandidatur gefragt. Für die Gemeindepräsidentin des Val Müstair Gabriella Binkert Bechetti sind die Barrieren für Frauen überall dieselben. Frauen hätten vieles selbst in der Hand. Sie müssten selbst aktiv werden, und sich besser vernetzen. Laut einer Studie wird eine Frauenquote in Kreisen der Politik derzeit mehrheitlich als sinnvoll erachtet. Hoffnungsvoll stimmt, dass dabei Frauen und Männer gleich denken.

 

Gemeindeentwicklungsprogramm: Gemeinden werden in die Pflicht genommen.

„Nachhaltigkeit ist unsere Zukunft, weil die Ressourcen zu Ende gehen. Das gilt auch für die Landschaft“, betonte Virna Bussadori Bussadori, die Amtsdirektorin für Natur, Landschaft und Raumentwicklung. „Von der Gesamtfläche Südtirol stehen uns nur 5,5 Prozent zur Verfügung, für den Wohnbedarf, für Tourismus, Landwirtschaft, Handwerk und Industrie. Von diesen 5,5 Prozent haben wir bereits die Hälfte verbraucht.“ Mit dieser Feststellung unterstrich sie die Dringlichkeit einer gezielten Raumplanung. Dem ungehemmten Bodenverbrauch müsse dringend Einhalt geboten werden. Das sei man den künftigen Generationen schuldig. „Alle formulierten Ziele der Agenda 2020 müssen auch in diesem Zusammenhang in Betracht gezogen werden“, so Bussadori. Das kürzlich ausgearbeitete Gesetz für Raum und Landschaft ist ein maßgebliches, wenn auch umstrittenes, Planungsinstrument für die Zukunft, dem sich Gemeinden nicht mehr entziehen können. Das Gesetz sieht unter anderem die Ziehung der Siedlungsgrenzen vor, die bauliche Verdichtung der Orte und die Nutzung des Leerstandes. Es geht zudem darum, Siedlungsqualität zu schaffen und insgesamt ein Markenprofil für die Gemeinden zu erstellen. In einem ersten Schritt muss der Leerstand erhoben werden. Um eine solide Basis für neue Formen der Eingrenzung zu schaffen, ist die Beteiligung der Bürger:innen unumgänglich. Bereits 2018 hatten sich Taufers i. M. zusammen mit Kurtatsch, Klausen, Corvara, Ratschings, Welschnofen und Lana als Pilotgemeinden mit dem Thema auseinandergesetzt. „Wir sind in der Luft geschwebt“, erklärte die Bürgermeisterin von Taufers i. M. Roselinde Gunsch Koch. „Ich hätte mich nicht als Pilotgemeinde gemeldet, wenn ich gewusst hätte, was da alles auf uns zukommt.“ Es sei zum Beispiel äußerst schwierig gewesen, ein Planungsbüro zu finden. Auch die Bürgerbeteiligung habe zu wünschen übriggelassen. Das Ganze sei ein riesiger Kraftakt, dem man sich stellen müsse, so Gunsch Koch. Andere Vinschger Gemeinden sind in der Startphase. Die Verabschiedung des Gesetzes für Raum und Landschaft hatte sich im Landtag immer wieder verzögert, weil auf Druck verschiedener Interessengruppen immer wieder Anpassungen vorgenommen wurden. Das Team im Amt um Bussadori bietet den Gemeinden Hilfen an.
Dass sich Verwalter:innen mit der Zukunft ihrer Gemeinden und deren Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten auseinandersetzen müssen, ist eine große Herausforderung. Es ist aber auch eine große Chance, etwas zu bewegen. Und dazu braucht es engagierte Politiker:innen, die auch etwas bewegen wollen.
Unterstützt wurde die Tagung von den Raiffeisenkassen des Vinschgaus, vom Raiffeisenverband und von der Gemeinde Schluderns.

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