Nationalpark Stilfserjoch: Bartgeier-Nachwuchs 2021 - Eine erfolgreiche Brutsaison

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Foto: Michele Mendi Foto: Michele Mendi

Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Martha, 29. Juli 2021

In der Nr. 9/2021 dieser Zeitung vom 29. April d. J. hatte ich über den Beginn der Bartgeier-Bruten 2021 berichtet. Ich komme heute noch einmal auf dieses Thema zurück, weil mir seit kurzem der Dreimonatsbericht April – Juni 2021 des Internationalen Bartgeier Monitorings IBM und der Stiftung Pro Bartgeier VCF vorliegt. Dieser Trimester-Bericht enthält unter anderem eine detaillierte Übersicht für das laufende Jahr über das Brutgeschehen der derzeit bekannten Bartgeier-Paare in den gesamten Alpen und auf Korsika. Die aktuellen Ergebnisse intensiver Feldbeobachtungen vieler Experten will ich Ihnen auf dieser Doppelseite zusammenfassen.

Erfolgreiche Brutsaison
Vom Internationalen Bartgeier Monitoring IBM sind derzeit (Stand 6. Juli 2021) im Alpenbogen 74 und auf Korsika 2 Brutpaare bzw. -territorien erfasst. An Neuigkeiten zu vermelden ist, dass im Juni dieses Jahres erstmals zwei Junggeier aus Zoozuchten im Nationalpark Berchtesgaden Watzmann Königssee freigelassen worden sind. Die beiden Junggeier haben es zu Fernsehberichten in den Hauptabendnachrichten des Zweiten Deutschen Fernsehens und des Bayrischen Rundfunks geschafft. In Österreich hat sich im Ötztal ein neues Brutpaar gebildet.
In 61 der 74 Brutterritorien im Alpenbogen sind die Bartgeierpaare im abgelaufenen Winter zur Brut geschritten. Bartgeier sind bekanntlich Winterbrüter, weil im ausapernden Spätwinter das Angebot 113B3 SW 2019an Fallwild am größten ist. Deswegen haben die Bartgeier-Weibchen im Laufe der Evolution ihre Eiablage an die Zeit des besten Futterangebotes angepasst.
Zur Erinnerung: Der Bartgeier ist in den Alpen in den 1930er-Jahren ausgerottet worden. Als vermeintlichen Lämmerdieb mit dem Trivialnamen Lämmergeier haben wir Menschen ihn gnadenlos und bis zum Aussterben verfolgt. 1986 hat das Wiederansiedlungsprojekt in den Alpen mit Gründertieren aus zoologischen Gärten begonnen. 1997, erst elf Jahre danach ist es zur ersten Naturbrut in den Alpen gekommen. Heute gibt es in den Alpen wieder die oben genannten und derzeit bekannten 74 Brutpaare. Der Bestand der Bartgeier in den Alpen wurde 2020 auf ca. 350 Individuen geschätzt.
Zum Stand 6. Juli 2021 ergibt sich für das Brutgeschehen 2021 in den Alpen folgendes Übersichtsbild:
• Von 13 Brutpaaren ist der Jungvogel bereits ausgeflogen,
• 32 Brutpaare waren noch mit der Aufzucht des Jungvogels beschäftigt,
• 16 Bruten sind misslungen,
• 13 Paare haben nicht gebrütet,
• Für 12 der 61 brütenden Paare ist es die erste Brut.

36 Brutpaare in den Zentral- und Ostalpen
In den Zentral- und Ostalpen Österreichs gibt es inzwischen 9 bekannte Brutpaare, in der Schweiz 17 und in Italien 10, davon vier allein im Vinschgau.
Von diesen vier Vinschgauer Brutpaaren sind im heurigen Jahr alle vier Jungen ausgeflogen. Besonders erfreulich ist dabei auch, dass das Planeiler Paar nach mehreren erfolglosen Brutversuchen in den vergangenen Jahren heuer erstmals erfolgreich gebrütet hat.
Das Marteller Paar hat seit 2015 bis heuer in sieben Jahren sieben Junge zum Ausfliegen gebracht. Damit ist sein Bruterfolg 100 %. Vom Marteller Paar ist das Weibchen als „Temperatio“ identifiziert. Dieser Vogel war bei der Freilassungsaktion im Jahr 2006 mit den beiden anderen Zoozuchten 1782B1 SW 2019 Alessandro Benussi„Voltoi“ und „Zufall“ in der künstlichen Horstnische im Marteller Schludertal als nicht ganz flügges Junges freigesetzt worden. Temperatio ist demnach jetzt 15 Jahre alt und hat eben 2015 in dieser Verpaarung im Alter von neun Jahren sein erstes Junges erfolgreich aufgezogen. Temperatio hat nach Erreichen der Geschlechtsreife mit seinem Paarpartner in das Tal seiner Freilassung zurückgefunden. Diese Heimatverbundenheit wird in der Verhaltensforschung als Patrophilie bezeichnet. Der Partner von Temperatio ist genetisch noch nicht identifiziert. Er stammt aber jedenfalls aus einer Naturbrut im Freiland, weil er nicht beringt ist.

Der Erfolg des Planeiler Paares
Bartgeier sind in der Regel einehig monogam. Das Planeiler Paar hatte in den vergangenen Jahren mehrmals Bruten begonnen, die alle misslangen. 2020 hatte das Paar nicht gebrütet. 2021 war die Brut des Paares erstmals erfolgreich. Es könnte sein, dass es von 2020 auf 2021 einen Partnerwechsel gegeben hat. Derzeit besteht das Planeiler Paar aus dem beringten Vogel „Blick“, einer Schweizer Freilassung, und einem subadulten Wildvogel.

Die Paare in Schnals und in Trafoi
Das Trafoier Paar besteht aus einem adulten Wildvogel und dem beringten Vogel „Jo“ aus einer Freilassungsaktion.
Das Schnalser Paar bilden der beringte Vogel „Pep Albula“ und ein adulter Wildvogel. Beide Paare haben 2021, wie oben dargestellt, wieder erfolgreich gebrütet und ihren Jungvogel zum Ausfliegen gebracht.

Der satellitentelemtrierte „Penti 2020“
Der junge Bartgeier „Penti 2020“ stammt aus einer Naturbrut im Horst Livigno. Der Vogel wurde von Bergsteigern und Ornithologen vor dem Flüggewerden in einer Abseilaktion im Horst beringt und besendert. In memoriam des allzu früh verstorbenen Nationalpark-Försters Christian Pentori wurde der Geier „Penti 2020“ genannt. Der Satellitensender dieses Geiers funktioniert noch, weil der Geier die Schwanzfedern noch nicht gewechselt hat und der Sender nicht abgefallen ist. Der Sender liefert wissenschaftlich wertvolle und interessante Daten u. a. zur Raumnutzung und zu den Flugradien. Die aktuellsten Satellitendaten vom letzten Monat Juni 2021 weisen Penti 2020 nach wie vor als stark heimatverbunden oder patrophil aus: Seine Flugradien kreisen eng um den Geburtsort Livigno herum und reichen vom Obervinschgau bis in das Unterengadin und das engere Ortlergebiet. Penti 2020 ist ein Weibchen und die Naturgeburt Nr. 349 im Alpenbogen. Nach der Besenderung in seinem Geburtshorst liegen von Penti 2020 insgesamt vier gemeldete Sichtungen mit gesicherter Ansprache vor, die letzte davon bis zum Berichtsdatum 6. Juli 2021 vom 21. Februar 2021.

 

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