Robert Zampieri: Dieser Beschluss richtet sich nicht gegen die Nordtiroler Kollegen, sondern es geht um die Nachhaltigkeit. Immer mehr Kunden, Handelsketten und Konsumenten fragen uns als Bergmilch: Was tut ihr für die Nachhaltigkeit der Milchproduktion und der Berglandwirtschaft? Ein Kalb verkaufen und eine Melkkuh kaufen, ist nicht Teil einer Nachhaltigkeit. Dass man mit dem Beschluss auch die Milchmengen drosseln kann, damit die Bauern nicht so Gas geben, ist auch klar. Wir wünschen uns, dass sich unsere Bauern um die Aufzucht kümmern. Das ist ein geschlossener Kreislauf im Sinne der Kunden. Und wieso soll man diesen mit Zukäufen von gebietsfremden Kühen durchbrechen?
Vinschgerwind: Der Kunde bestimmt?
Zampieri: Ja, die Kunden und vor allem die Konsument wollen auch keine Silage. Sie wollen keinen Anbindestall. Wir als Genossenschaft befinden uns in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite sollen wir Nachhaltigkeit verkaufen und verdienen unser Geld damit, auf der anderen Seite haben unsere Bauern ihre Bedürfnisse. Das Genossenschaftswesen ist wunderbar, nur das Denken und Planen ist oft kurzfristig. Wir können die Zitrone nicht auspressen nach dem Motto: Wenn fertig ist, ist fertig. Wir müssen Investitionen tätigen, obwohl wir nicht wissen, wie viele Mitglieder in 10 oder 20 Jahren noch Milch liefern. Das Thema beschäftigt mich sehr. Dass man in diesem Spannungsfeld oft Kritik einstecken muss, ist klar. Aber man muss ja eine Vision haben und nicht nur verschweigen, weil es bequem ist.
Vinschgerwind: Milchzukauf aus dem Ausland - ein Reizwort?
Zampieri: Den Zukauf von Milch aus dem benachbarten Ausland definieren wir als Bergmilch als einen großen Schaden für die Südtiroler Landwirtschaft, weil Südtirol ja genügend Milch produziert. Der Import ergibt keinen Sinn, wenn wir gleichzeitig überschüssige Südtiroler Milch billigst in Richtung Süden verscherbeln müssen. Wenn Nordtiroler Bauern ihre Milch nach Südtirol liefern können (sprich Sterzing), profitieren in erster Linie die Nordtiroler. Es könnte ja eines Tages passieren, dass diese zu uns liefern. Aber zuerst müssen wir die gesamte Südtiroler Milch veredeln und keine Überschüsse haben. Die Tiroler wären die nächsten natürlichsten Kooperationspartner. Machen wir zuerst unsere Hausaufgaben, wenn die Südtiroler Landwirtschaft auf der politischen Bühne noch eine Bedeutung hat.
Vinschgerwind: Braucht es politischer Rahmenbedingungen für die Vision der Nachhaltigkeit?
Zampieri: Ja, bei der Nachhaltigkeit sind Politik, Bauernbund und Sennereiverband gefordert. Wir haben das große Glück, dass Südtirol ein positives Image hat, in Italien und auch im deutschsprachigen Ausland. Ich muss aber feststellen, dass wir als Marke Bergmilch/Mila grundsätzlich in einem Haifischbecken sind, wo sich vor allem die großen Konzerne Danone, Nestlé und Müller durchsetzen. Unsere Marke ist letztendlich schwach, weil wir im Verhältnis zu unserem Umsatz wenig in Kommunikation für die Marke investieren. Alles was wir ins Marketing investieren, geht 1 zu 1 vom Auszahlungspreis weg. Das alles ist eine Gratwanderung der Genossenschaft. Deshalb sind alle Konzepte der Nachhaltigkeit für uns sehr wichtig. Zu sagen: „Das will ich nicht, das mache ich nicht, das kostet zu viel“, ist zwar legitim, aber ist es auch zukunftsorientiert?
Vinschgerwind: 2015 hat es pro kg Milch 54,5 Cent gegeben. Ein stattlicher Preis in turbulenten Zeiten.
Zampieri: Ja, es ist der beste Preis in der Geschichte der Bergmilch. Es ist das Ergebnis einer steten Veredelung. Wir veredeln über 90 Prozent der Milch. Wir haben uns in den vergangenen 10 Jahren wahnsinnig bemüht, mit allen Produkten zu wachsen und neue Märkte und Absatzkanäle zu finden. Wir haben die veredelte Milchmenge erheblich gesteigert. Und das sieht man am Ergebnis.
Vinschgerwind: Ist der Preis zu halten?
Zampieri: Ich erlaube mir zu sagen, der Preis wäre mit großer Anstrengung in etwa zu halten. Wenn wir aber bis zu 7 bis 8 Prozent mehr Anlieferung bekommen, ist es mathematisch nicht möglich. Wir agieren derzeit in einem stagnierenden Markt. Für mehr Milch ist effektiv kein Markt da, auch trotz Veredelung nicht. Deshalb steuern wir dagegen. Wir wollen keine Turbo-Landwirtschaft. Wir wollen eine Berglandwirtschaft, die im Verhältnis zu den Flächen steht. Wenn unsere Bauern versuchen, durch Menge mehr Geld zu verdienen, bekommen sie früher oder später die Retourkutsche präsentiert.
Vinschgerwind: Die Größe der Bergmilch MILA - eine Last?
Zampieri: Ja und nein. Die Zukunft der Südtiroler Milchwirtschaft hängt in entscheidendem Maße von der Bergmilch ab. Für mich ist unsere Genossenschaft, sind unsere Bauern, eine Herzensangelegenheit. Ich versuche die Sachen so herzurichten, dass mein Nachfolger auch einen tollen Betrieb vorfindet. Das belastet allerdings jetzt meine Betriebsergebnisse. Ich muss als Geschäftsführer meinen Bauern die Vison vorleben. Man kann einen Betrieb auch ausquetschen. Es gibt Betriebe, die einen besseren Auszahlungspreis zahlen als die Bergmilch. Einige denken: Wenn es nicht mehr geht, fusionieren wir einfach mit der Bergmilch und die Sache ist erledigt. Auch das ist eine Vision – eine schwache. Durch die Größenordnung können wir theoretisch jeden Milchhof in Südtirol aufnehmen. Nur uns kann niemand helfen. Den Bauern der Sennerei Prad haben wir von einem Tag auf den anderen die Milch wieder abgenommen, obwohl sie die Bergmilch/Mila verlassen haben. Das kann nur die Bergmilch tun. Und ich würde mir oft mehr Wertschätzung wünschen. Der Große bietet Sicherheit. Die Bergmilch ist mit 400 Mitarbeitern ein gesunder schuldenfreier Betrieb, der im Schnitt jährlich mehr als 8 Mio. investiert. Das hat einen immensen Wert für die Bauern und für ganz Südtirol.
Vinschgerwind: Wäre ein Zusammenrücken der einheimischen Sennereien sinnvoll?
Zampieri: Ja, auf alle Fälle, aber wir schaffen es nicht, solange die Sennereien unabhängig sind und beim Auszahlungspreis im Wettbewerb stehen. Wenn die Zusammenarbeit erforderlich wird, weil es keine Förderungen mehr gibt, so wie es in der Obstwirtschaft zum Teil passiert ist, erst dann werden wir vielleicht zusammenrücken. Noch wird die Notwendigkeit nicht gespürt. Ich persönlich bin überzeugt, dass man gemeinsam ganz tolle Geschichten auf dem Markt machen könnte. Allerdings, wenn wir das als größter Milchhof sagen, fühlen sich die Kleineren immer von uns bedroht und sogar geschluckt.
Vinschgerwind: Die Biobauern kritisieren, dass Bergmilch/Mila die Bioschiene sträflich vernachlässigt hat.
Zampieri: Diesen Vorwurf kann ich so nicht stehen lassen. Die Bioschiene ist für uns sehr wichtig. Bis vor kurzem war das Verständnis nicht da. Bereits vor Jahren haben wir viele Informationsveranstaltungen gemacht, besonders im Vinschgau. Wir haben aber gemerkt, dass die Bauern nicht so leicht zu überzeugen sind, auch wenn es viele gibt, die sagen, dass das die Zukunft ist. Und wir sagen das auch. Wir arbeiten seit kurzem an einem Bio-Joghurt, das im Herbst in Italien lanciert wird. Es kommt in Verkostungen super an. Wir bemühen uns, aber wir brauchen viel mehr Milch. Ich kann als Geschäftsführer nur empfehlen: Liefert Bio-Milch. Der Zuschlag mit 25 Prozent sollte ein vernünftiger Anreiz sein. Deshalb glaube ich, dass wir unsere Aufgabe gemacht haben. Man sollte nicht mit dem Finger auf die Bergmilch zeigen. Diese kann den Markteintritt vorbereiten, die Produkte entwickeln, aber die Milch liefert immer noch der Bauer. Logistisch ist es nicht einfach, wenn nur einzelne verstreute Betriebe Bio-Milch liefern. Wir würden uns eine ganze Bio-Mikroregion wünschen. 2009 waren wir in Matsch. Wir wollten die Bauern überzeugen und auch das Matscher Tal als Bio-Tal mit vermarkten. Es hat bis heute noch nicht geklappt.
Vinschgerwind: Nauders hat mit Biomilch angeklopft.
Zampieri: Ja, Nauders hätte Biomilch in interessanter Menge. Das hätte mich gereizt, um das Bio-Projekt schneller umsetzen zu können. Aber es ist eine Tatsache, dass unser Vermarktungspartner Alce Nero nur italienische sprich einheimische Milch will. Und wir hätten mit dieser Milch auf das Qualitätszeichen Südtirol verzichten müssen. Das ist die eine Geschichte. Die andere ist: Wir vertreten in unserer Genossenschaft 2700 Bauern, und wir haben die Pflicht, zuerst auf unsere Bauern zu schauen.
Vinschgerwind: Perspektiven für die Zukunft?
Zampieri: Wir werden alles tun, um das erreichte Niveau zu halten und zu verteidigen. Wie sich die Preissituation verändert, hängt vom europäischen Markt ab. In Europa ist nach dem Fall der Milchquote die Produktion gesteigert worden. Zudem haben das Russlandembargo und schwache Export-Märkte zu einem völlig verstopften Markt geführt. Wenn es sich normalisiert, kann sich schnell alles ändern.
Vinschgerwind: Was sagen Sie den Vinschger Bauern?
Zampieri: Die Vinschger Milch Bauern sind gebeutelt von der Pestizid-Problematik und vom Heranwachsen des Obstbaues. Wo Obstwirtschaft keine Alternative ist, wird die Milchwirtschaft weiterhin bestehen. Den Bauern sage ich, dass sie zuversichtlich sein sollen. Vinschgau ist ein Kerngebiet der Bergmilch und als solches fühlen wir es auch und geben unser Bestes.
{jcomments on}