Das Projekt Murmeltier
Murmeltiere gehören zu den Symboltieren der Alpen. Als passive Überwinterer erwachen sie in diesen Wochen aus ihrem Monate langen Winterschlaf. Nach dem heurigen schneereichen Winter müssen sie sich an einigen Stellen durch eine teilweise noch hohe und geschlossene Schneeschicht an das Tageslicht graben. Als Bewohner der alpinen Rasengesellschaften oberhalb der Waldgrenze gehören sie in den Zentralalpen zum Hauptnahrungsspektrum des Steinadlers. Wenn sie als reine Pflanzenfresser bei ihren ersten Ausgängen auf die angrünenden Grasweiden mehrere hundert Meter lange Schneebretter queren müssen, sind sie Gefahren ausgesetzt: Auch die Steinadler haben nach einem entbehrungsreichen Winter mit manchmal knappem Nahrungsangebot Hunger. Die Adler befinden sich außerdem im Brutgeschäft und haben zur Versorgung ihrer Jungen einen noch erhöhten Nahrungsbedarf.
Durchforstet man die wissenschaftliche Literatur, so kommt man darauf, dass unser Wissen über verschiedene Aspekte des Murmeltierlebens noch unzureichend ist. Aus diesem Grund wollen wir uns im Nationalpark Stilfserjoch in nächster Zeit der Murmeltiere aus wissenschaftlicher Sicht annehmen. Im Peiotal, im trentiner Anteil des Parks haben wir in den vergangenen Tagen begonnen, Murmeltiere aus verschiedenen Familienverbänden zu fangen und mit verschieden farbigen Ohrmarkierungen zu kennzeichnen. Nach dem Fang mit Kastenfallen und dem Anbringen der Ohrmarken wurden die Tiere an Ort und Stelle wieder freigelassen. Die Ohrmarken ermöglichen das individuelle Erkennen und Ansprechen der markierten Tiere. In intensiven Phasen der Feldbeobachtung sollen die Familienverbände der Murmeltiere in ihrer Zusammensetzung, Größe und Altersstruktur, aber auch in ihrem Geschlechterverhältnis, ihrer Rangordnung und Hierarchie und in ihrer Raumnutzung erfasst werden.
Das Projekt Steinwild
Im gesamten Alpenbogen gibt es heute wieder ungefähr 48.000 Stück Steinwild, 16.000 davon in den italienischen Alpen. Im Nationalpark Stilfserjoch beträgt der Steinwildbestand ungefähr 1.200 Stück. Das Kerngebiet der alpinen Steinwildpopulation liegt im Nationalpark Gran Paradiso und in seinen umliegenden Gebieten in den Regionen Aosta und Piemont. Alle Alpen-Steinböcke gehen auf eine kleine Restpopulation zurück, welche in den vormaligen Jagdgebieten der italienischen Savoyer-Könige in den Westalpen überlebt hatte. Aus diesen Restpopulationen ist eine Wiederansiedlung des Alpen-Steinbocks in den Alpen erfolgt. Nach den ersten Nachzuchten in der Gefangenschaft im Tiergarten von St. Gallen sind die ersten Freilassungen am Piz Albris in den Graubündner Bergen bei Pontresina St. Moritz erfolgt. Der überwiegende Teil der Tiere zur Gründung weiterer neuer Kolonien von Steinwild in den Alpen stammt aus der Piz Albris-Kolonie. Die genetische Vielfalt des Alpen-Steinbocks ist daher schmal.
Ein neues Forschungsprojekt „Steinwild 2020 – Initiativen zum Erhalt der Art in den Zentralalpen“ wurde von unserem Wildbiologen Dr. Luca Pedrotti in Zusammenarbeit mit den Kollegen im trentiner Naturpark Adamello Brenta formuliert. Das Monitoring-Projekt will die weitere Ausbreitung des Steinwildes fördern und durch genetische Untersuchungen absichern. Es ist bekannt, dass das Steinwild noch nicht alle potentiell tauglichen Lebensräume in den Alpen besiedelt und dass seine Ausbreitungstendenz eine langsame ist.
Das Monitoring der Biodiversität in alpinen Lebensräumen
Aus zweckgebundenen Finanzmitteln des Umweltministeriums haben wir als Nationalpark Stilfserjoch zusammen mit den anderen drei Nationalparken im italienischen Teil des Alpenbogens Belluneser Dolomiten, Val Grande und Gran Paradiso im Sommer 2013 im lombardischen Parkanteil die faunistische Artenvielfalt bestimmter Zeigerarten entlang eines Höhengradienten von der Talsohle bis in die Alpinstufe erhoben. Dabei kamen standardisierte Feldmethoden zum Einsatz, welche die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten aus den verschiedenen Schutzgebieten zulassen. Durch die Verwendung standardisierter Erhebungsmethoden sind auch die Wiederholung der Untersuchungen nach einem bestimmten Zeitintervall und die Interpretation der Daten aus einer historischen Zeitreihe möglich. Bei unseren Erhebungen der faunistischen Biodiversität werden bestimmte zoologische Familien und Gattungen als besonders sensible und aussagekräftige Zeiger für die Qualität und Eignung ihrer Lebensräume herangezogen.
Nach den Ergebnissen aus 30 Probeflächen im lombardischen Anteil des Nationalparks Stilfserjoch vom Sommer 2013 wollen wir im heurigen Sommer 2014 die faunistische Biodiversität auf ebenso vielen 30 Probeflächen im Südtiroler Parkanteil und auf 15 Probeflächen im trentiner Anteil des Schutzgebietes erheben. Die Standorte der neuen Probeflächen entlang mehrerer vertikaler Transekte in den verschiedenen Seitentälern des Parks haben wir schon definiert. Als Bioindikatoren dienen aus der Fauna der Wirbellosen beispielsweise die Spinnen, die Ameisen, die Heuschrecken, die Libellen, die Tagfalter und unter den Wirbeltieren die Vögel.