Alle diese Denkmäler haben aufgrund ihrer Einzigartigkeit eine weltweite Bedeutung. Das Kloster St. Johann in Müstair zählt seit 1983 zum Weltkulturerbe, die Rhätische Bahn ist es seit 2008. Eine Arbeitsgruppe bemüht sich die Stilfserjochstraße zum Weltkulturerbe zu erheben. Die Stadt Glurns ist klein, aber in seinem Erscheinungsbild einmalig in den Alpen und auf der Welt. Seit 1914 gibt es den Schweizer Nationalpark als einzigen Nationalpark der Schweiz in unserer Nachbarschaft und seit 1935 gibt es den Stilfserjoch Nationalpark im Zentrum der Alpen, aufgeteilt auf die beiden Provinzen Trient und Südtirol und die Region Lombardei. Die beiden Nationalparks sollen auch in Zukunft ihre Selbständigkeit bewahren und die Autonomie besonders im Stilfserjoch Nationalpark noch ausbauen und die Verwaltung weiter nach unten delegieren, aber sie müssen sich auch stärker vernetzen und kooperieren. Ein Zusammenschluss als Weltnaturerbe unter dem Dach der UNESCO wäre eine Möglichkeit und würde die globale Bedeutung der vielfältigen Naturräume in den Zentralalpen mit einer beeindruckenden Gebirgsbahn, der höchsten Passstraße der Ostalpen, einem alten Kloster und einer mittelalterlichen Stadt in ein neues Licht setzen.
Eine verrückte Idee? Eine Vision? Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht!
Seit 2009 sind Teile der Dolomiten UNESCO-Weltnaturerbe und damit neben dem Ötzi in Bozen das Aushängeschild Südtirols in der Welt. Ein Zusammenschluss des Stilfserjoch Nationalparks mit dem Schweizer Nationalpark als Weltnaturerbe mit kulturellen Perlen im Park bzw. der unmittelbaren Umgebung könnte zum dritten Aushängeschild Südtirols werden. Es beinhaltet ein unschätzbares Potential. Im Zentrum der Alpen findet man alles vor, was eine Gebirgsregion anbieten kann: Gletscher, Berggipfel, Täler, Seen, Flüsse, Wälder, Schluchten, Felsen, Klettersteige, Wanderwege, Höhenwege, Radwege, Bahnlinien, Pässe, Übergänge, Straßen, Seilbahnen, Schutzhütten, Almen, Weiler, Dörfer, Burgen, Ruinen, Klöster, Kirchen, Ansitze, Museen, Bauernhöfe, Handwerksbetriebe, Bergbau, kirchliche und weltliche Bräuche, Feste, Musik, Vereine, Genossenschaften und Interessentschaften, Sprachen, Dialekte, Kriegsschauplätze (Ortlerfront), Sportarten, Wiesen, Blumen, Wein, Äpfel, Kastanien, Erdbeeren, Käse, Haustiere und Wildtiere, Landstriche nach Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Katastrophen, Lawinenverbauungen …Hier präsentiert sich eine Jahrtausende alte Lebensweise in den Bergen, es ist eine Begegnung mit der Natur, der Kultur, der Geschichte und der Technik. In einer globalisierten Welt müssen wir Grenzen überschreiten und uns mit den umliegenden Räumen vernetzen. Durch eine stärkere Vernetzung kann aus heutigen Randregionen eine interessante Region im Zentrum der Alpen entsteht, eine Region vielleicht mit der größten Vielfalt auf der Welt, Vielfalt in der Natur und Vielfalt in der Kultur. Dabei werden wir unseren Raum und unsere Kultur nicht verlieren, im Gegenteil. In der Begegnung mit den anderen gewinnt jeder Raum an Bedeutung und Wert. Durch die Vernetzung und eine stärkere Zusammenarbeit und Profilbildung kann sich ein neues Zentrum im Herzen der Alpen bilden. Ein Zentrum an kultureller und natürlicher Vielfalt von Sprachen, Staaten, Lebensweisen, Tälern, Orten und Naturschönheiten. Der Stilfserjoch Nationalpark ist mehr als eine Zwangsjacke, den Gemeinden übergestülpt durch den Faschismus, er ist mehr als nur ein Gebiet mit einem Jagdverbot bzw. einer besonderen Jagdregelung. Es liegt an uns, aus diesem Park mehr zu machen. Das Potential ist vorhanden.
Die Stadt Glurns und die Stilfserjoch Straße – mehr als nur eine Stadt und eine Straße
Die Stadt Glurns ist mehr als eine mittelalterliche Stadt. Sie war ein altes Handelszentrum mit weit verzweigten Handelswegen, wobei nicht nur das Salz eine wichtige Rolle spielte. Hier gab es Machtkämpfe, Kriege, Plünderungen und Brände. Stadtrechte, die städtische Lebensweise und die Verteidigungsstrategie einer kleinen Bevölkerung versteckt sich hinter den Stadtmauern. Und vieles mehr. Die Stilfserjoch Straße war 1825 bei seiner Fertigstellung die höchste Passstraße Europas, ein technisches Wunderwerk, erbaut in nur fünf Jahren. Die effektive Bauzeit betrug wegen der Winterpausen weniger als zwei Jahre. Carlo Donegani, ein Bauingenier aus Brescia, wurde mit der Projektierung und der Bauleitung beauftragt. Zweitweise waren bis zu 2.000 Arbeiter am Straßenbau beschäftigt. Wir sehen die Stilfserjochstraße meistens nur bis zum Joch. Tatsächlich aber geht sie von Spondinig bis Bormio, das sind insgesamt 49,2435 km, von Spondinig bis zur Passhöhe sind es 27,45 km und von der Passhöhe bis Bormio 21,7935 km. 48 kehren gibt es auf Südtiroler Seite und 34 bis Bormio. Die maximale Steigung beträgt nur 10%. Wie viele Straßen, wurde sie in erster Linie aus strategischen und militärischen Gründen gebaut. Die Lombardei gehörte damals zur Habsburgermonarchie. Wie in der Festschrift anlässlich des hundertjährigen Bestandes der Stilfserjochsrtaße, herausgegeben von Hermann Pernter nachzulesen ist, sollte ursprünglich der Weg von St. Maria im Münstertal über das Wormser Joch (Umbrailpass) ausgebaut werden. Diese Variante wäre technisch einfacher gewesen. Da sich St. Maria auf Schweizer Gebiet befindet, wollten die Österreicher einen Gebietstausch vornehmen. Die Schweizer lehten dies ab und so musste eine neue Verbindung gesucht werden. Donegani fand einen Weg über das Stilfser Joch. Und er baute in kurzer Zeit eine Prachtstraße im Zentrum der Alpen.
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