Widmung in Wertschätzung
Meinen heutigen Beitrag möchte ich besonders meinem Lehrer aus der Laaser Grundschule Luis Tumler widmen. Obwohl nunmehr über 90-jährig, ist er ein interessierter und eifriger Leser meiner Zeitungsbeiträge. Und er gehört zu jenen Menschen, die in mir die Freude an der Natur geweckt und mich auf den Weg des Biologiestudiums gebracht haben. Den Zitronenfalter auf dem Hügel von St. Sisinius kann er mir nicht mehr zeigen. Die Falterart ist Teil des Verlustes an Biodiversität in der intensiv bewirtschafteten Vinschgauer Talsohle.
Die Roten Listen
Täglich sterben Tier- und Pflanzenarten auf der Erde aus. Nur als schwachen Trost für den Artenverlust können wir gelten lassen, dass auch immer wieder neue Arten gefunden und beschrieben werden. Gefährdete Arten von Pflanzen und Tieren werden in den sogenannten Roten Listen geführt. Diese Listen mit Unterteilung der Arten nach unterschiedlichen Gefährdungsgraden gibt es inzwischen je nach Gewichtung und Kenntnisstand der Forschung in den verschiedenen Staaten auf regionaler Ebene oder im gröberen Raster auf Länderebene. Bezüglich der Gesamtsituation zur Biodiversität auf unserer Erde kann zusammengefasst werden, dass von der Internationalen Union für den Erhalt der Natur (IUCN) als Koordinationsstelle bisher erst 44.838 Arten von Lebewesen auf ihren Gefährdungsgrad beurteilt worden sind. Dies sind weniger als 3% der ca. 1.590.000 bis heute beschriebenen Arten von Pflanzen und Tieren. Von diesen knapp 45.000 beurteilten Arten sind weltweit ca. 17.000 Arten in unterschiedlichem Maße gefährdet. In Prozenten sind dies immerhin 40%. In Europa sind derzeit 2.075 Arten als gefährdet eingestuft.
Das beschleunigte Artensterben
Schätzungen von Naturwissenschaftlern besagen, dass wegen der folgenschweren Eingriffe des Menschen in die natürlichen Ökosysteme 5 - 20% der Arten aus vielen Gruppen von Organismen bereits ausgestorben sind. Mahnend sind auch die Einschätzungen zur „Geschwindigkeit“, mit welcher wir Menschen der Jetztzeit und seit Beginn des Industriezeitalters zum Artenverlust auf unserer Erde beitragen. Im Vergleich zur prähistorischen Zeit vor dem Auftreten des Homo sapiens hat sich diese Geschwindigkeit des Artensterbens um das 100 - 1.000-fache erhöht.
Der kausale Zusammenhang zwischen Klimawandel und Biodiversität
Im Jahre 2007 ist der 4. Klimabericht zur Erde publiziert worden. Dieser Bericht ist in einem interdisziplinären Ansatz von einigen hundert Wissenschaftlern verfasst worden, welche in ihrem Fachgebiet internationales Ansehen genießen. Spätestens seit diesem Bericht muss unbezweifelbar klar sein, dass der Klimawandel keine Schwarzmalerei, sondern eine Tatsache ist und große Folgen für die Ökosysteme auf der Erde hat. „Klimaleugner“ können nicht mehr überzeugen. Unwiderlegbar klar ist auch, dass verschiedene unserer menschlichen Aktivitäten zu diesem Klimawandel maßgeblich beitragen. Ohne ein Katastrophenszenario heraufzubeschwören, seien einige Folgen dieses beschleunigten Klimawandels straff zusammengefasst: die Zunahme von Extremereignissen der Witterung und deren Häufung in immer kürzeren Zeitabständen wie Nieder- schlagereignisse mit großer Regendichte, Hitzewellen und Dürreperioden; die Häufung von Wirbelstürmen, das Abschmelzen der Gletscher in den Gebirgen und an der arktischen Polkappe, das Ansteigen des Meeresspiegels, das Absterben der Korallenriffe und das Versalzen und Versinken von flachen Inselstaaten und Atollen im Meer, die weltweite Ausdehnung der Wüsten.
Wasserknappheit am Dach der Erde
Ein Beispiel von außerhalb der Alpen zur bereits spürbaren und in Zukunft sich verschärfenden Verknappung des Süßwassers sei an dieser Stelle aufgezählt: Auf dem tibetischen Plateau im Himalaya-Massiv entspringen zwölf der großen Flüsse der Erde und versorgen Milliarden von Menschen in elf Staaten mit Wasser. In seinem Buch „Spielball Erde. Machtkämpfe im Klimawandel“ (Bertelsmann, 2012) zitiert der Nachrichtenredakteur des ZDF Claus Kleber den Marschall der indischen Luftwaffe Avdesh Kumar Singh, der im Kampfjet jahrelang das indisch - chinesische Grenzgebiet überflogen und das besorgniserregende Abschmelzen der Gletscher am Gebirgsdach der Erde beobachtet hat: „Wenn sich (in der Wasserversorgung) etwas ändert, werden Konflikte entstehen. Kriege beginnen immer wieder aus den gleichen Gründen: Wenn es nicht um Freiheit und Selbstbestimmung geht, dann geht es um materielle Dinge. Am schlimmsten sind Armut, Hunger und Durst – eine Zeit lang kann man vielleicht mit Kompromissen leben. Aber am Ende gibt es eine Explosion. Und dann wird man erleben, dass es für diese Probleme keine militärische Lösung gibt“. China hat als Oberlieger an den Flüssen schon Rückhaltedämme gebaut und es fließt weniger Wasser an den Unterlieger Indien ab. Nicht allzu pessimistische Szenarien behaupten, dass es wegen des ansteigenden Meeresspiegels aus den zunehmend überschwemmungsgefährdeten Staaten wie etwa Bangladesch am Unterlauf von Ganges und Bramaputra Klimaflüchtlinge geben wird, die in die Millionen gehen. Und Sozialkonflikte sind in den Ländern mit den größten Bevölkerungsdichten vorprogrammiert. Claus Kleber hat die Kurzformel geprägt „Wasser als Brandbeschleuniger“.
Das Monitoring der Biodiversität in alpinen Nationalparken
Stichhaltige und aussagekräftige Aussagen über den Verlust der Biodiversität in einem Gebiet kann man nur machen, wenn man Daten in längeren Zeitreihen erhebt. Der derzeit amtierende Umweltminister Italiens Corrado Clini hat in einer Richtlinie vom Dezember 2012 die italienischen Schutzgebiete dazu aufgerufen, einen bestimmten Teil ihrer Finanzmittel 2013 aus dem Staatshaushalt vorrangig für Initiativen und Aktivitäten zum Erhalt der Biodiversität zu verwenden und seinem Ministerium dazu Vorschläge zu unterbreiten. Als Nationalpark Stilfserjoch haben wir in der Abstimmung mit den drei Nationalparken im italienischen Teil des Alpenbogens Gran Paradiso (in den Regionen Piemont und Aosta), Val Grande (Piemont) und Belluneser Dolomiten (Veneto) einen Vorschlag zum Monitoring der Biodiversität in alpinen Lebensräumen ausgearbeitet und eingereicht. Dieser Vorschlag sieht vor, dass auf ausgewählten Probeflächen entlang eines Höhentransektes von der Bergwaldstufe bis zur Nivalstufe das Inventar der Tierarten unter den wirbellosen und unter den Wirbeltieren erhoben werden soll. Die Bestandserhebung soll im Abstand von fünf Jahren wiederholt werden. Dabei sollen standardisierte Methoden zum Einsatz kommen, damit die Ergebnisse über die Jahre und aus den verschiedenen Nationalparken untereinander verglichen werden können. Parallel zu den zoologischen Erhebungen sollen auf den ausgewählten Probeflächen pflanzensoziologische Kartierungen und Messungen von mikroklimatischen Parametern durchgeführt werden. Erst aus dem Vergleich der über einen längeren Zeitraum erhobenen Daten lassen sich wissenschaftlich aussagekräftige und fundierte Aussagen treffen. Und solche Daten in einer längeren Zeitreihe brauchen wir eben auch für die Beurteilung der sich verändernden Biodiversität in den Alpen. Zumal wir heute wissen, dass die Erwärmung in den letzten 50 Jahren innerhalb der Alpen doppelt so hoch ausgefallen ist wie außerhalb unserer Gebirgskette.
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau