Vinschgerwind: Das Val Müstair hat 1550 Einwohner, verteilt auf fünf Orte. Eine Insel vor dem Ofenpass?
Ja, das kann man sagen. Wir sind eine periphere Region, die geographisch näher zum Vinschgau liegt. Politisch ist die Zusammenarbeit mit dem Unterengadin zwingend.
Das Tal ist von Abwanderung bedroht?
Ja. Das ist ein Problem. Die Bevölkerung nimmt stark ab. Fünf bis sechs Geburten stehen jährlich rund 20 Todesfällen gegenüber. Es sind vor allem die Jugendlichen, die nach ihrer Ausbildung im Engadin oder im Schweizer Unterland nicht mehr ins Münstertal zurückkommen. Im Handwerk, am Bau, in der Industrie, in den Geschäften sind Arbeitsplätze da. Diese müssen zum Teil mit den rund 300 Pendlern aus dem Vinschgau besetzt werden. Ohne die Pendler würde die Wirtschaft nicht funktionieren.
Strategien gegen Abwanderung?
Das ist schwierig. Wir erhoffen uns etwas von der Biosfera, zum Beispiel einen Aufschwung der Hotellerie. Seit 2010 haben wir das Lavel der UNESCO. Auch Produzenten können vom Logo profitieren, so Bäcker, Metzger, Handwerker, Direktvermarkter. Mit den Produkten gehen wir auf Messen und versuchen das Tal bekannt zu machen. Wir hoffen, dass der Tourismus besser in Schwung kommt und auf eine bessere Auslastung der Hotels. Doch das ist derzeit nicht einfach. Wir tun, was wir können. Es muss auch gesagt werden, dass uns als Gemeinde die finanziellen Mittel fehlen – auch nach der Fusion der Gemeinden im Jahre 2009. Wir zählen zu den finanziell schwächsten Gemeinden des Kantons Graubünden
Die Hotellerie in Bedrängnis?
Ja, viele haben Mühe, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Nachholbedarf gibt es vor allem im Wellness-Bereich. Doch wenn der Umsatz nicht da ist, geben Banken keine Kredite. Es läuft zu wenig. Die Übernachtungen sind stark zurückgegangen. Gäste wandern vielfach in den Vinschgau ab, wo es günstiger ist. Der hohe Schweizer Franken macht uns sehr zu schaffen.
Der Zug-Bus eine Bereicherung?
Ja, das ist eine sehr gute Sache. Der Bus ist sehr gut ausgelastet und es kommen viele Leute hierher, genauso auch in den Vinschgau.
Zusammenarbeit mit dem Vinschgau?
Ja, die Beziehungen sind gut. Erst kürzlich haben wir mit der Bezirksgemeinschaft eine Vereinbarung über die Nutzung der Kläranlage bei Glurns unterzeichnet. Ab Herbst 2013 sollte die entsprechende Kanalisation fertig gestellt sein. Gemeinsamkeiten gibt es auch bei Interreg-Projekten, zum Beispiel beim Radweg. Als nächsten Schritt werden wir im Gemeinderat versuchen, den Zufahrtsweg auf die Rifairer Alm weiterzubringen. Das ist mir im Sinne der guten Nachbarschaft ein Anliegen.
Der Verkehr bereitet Sorgen?
Ja, aber es zeichnen sich Lösungen ab. Sta. Maria soll eine Umfahrung bekommen und jene von Müstair wird ausgebaut. Beide Projekte wurden in das Investitionsprogramm des Kantons aufgenommen. Baubeginn für Müstair ist 2014, für Sta. Maria 2017.
Tour de Ski – eine willkommene Aufbruchsstimmung?
Ja, die Tour de Ski ist sehr gut gelungen. Die Gemeinde hat einiges investiert. Wir sehen es als touristisches Projekt und die Chancen sind groß, dass die Veranstaltung etwas bringt. Wir haben den Wunsch nach Wiederholungen 2015 und 2017. Die Chancen dafür stehen gut.
Olympia 2022 – eine Chance auch für das Val Müstair?
Wir könnten uns beispielsweise als Langlaufdestination positionieren. Wie man auf der „grünen Wiese“ Infrastrukturen in kürzester Zeit auf und wieder abbaut, haben wir bei der Tour de Ski bewiesen. Wir stehen hinter der Olympiabewerbung Graubündens.
Interview: Magdalena Dietl Sapelza