Schluderns - Die Grundeigentümer auf der Schludernser „Ebnet“ sind am kommenden Samstag zur Abstimmung über ein Beregnungsprojekt gerufen. Wenn sich zwei Drittel der Abstimmenden dafür aussprechen, kommt in die Gemeinde Schluderns eine unglaubliche Dynamik hinein - es folgt eine Kaskade, bei der es offensichtlich nur Gewinner gibt.
von Erwin Bernhart
Am kommenden Samstag, am 6. Februar 2021, sind rund 180 Grundbesitzer aufgerufen, über ein Beregnungsprojekt abzustimmen. Es ist dies nach 1998 und 2003 der dritte Anlauf, eine Beregnung im Einzugsgebiet „Ebnet“, der Schludernser Ebene im Dreieck zwischen Au, Ausgleichsbecken und Kanal, realisieren zu können. Den Grundbesitzern ist von Seiten des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau in der vergangenen Woche ein Schreiben zugesandt worden, in dem die Beweggründe, das Projekt und die Projektkosten aufgelistet sind und vor allem jene Restkosten, die die Grundeigentümer letztlich zu zahlen hätten.
„Wir hoffen, dass es die Covid-19-Situation erlaubt, eine Mitgliederversammlung vor einem eventuellen Baubeginn zum organisatorischen Ablauf des Projektes abzuhalten“, steht im Schreiben. Man ist also zuversichtlich. Zuversichtlich ist man im Projektkomittee mit dem Obmann der „Ebnet“ Rudi Stocker, mit dem technischen Projektleiter Andreas Hauser, Christian Schwarz, Armin Dengg und den Katastervertretern Irene Fritz und Stefan Frank. Zuversichtlich ist man auch im Bonifizierungskonsortium Vinschgau.
Zuversichtlich kann man deshalb sein, weil sich die Gesamtkosten der Beregnungsanlage auf 8,25 Millionen Euro belaufen und von diesen rund 1 Million Euro von den Grundeigentümern aufzubringen wäre. Die Anlage ist so konzipiert, dass sie auch künftigen Herausforderungen - Frostberegnung, Tropfbewässerung usw. - gewachsen ist. Die jahrzehntelangen Erfahrungen des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau sind in die Projektierung miteingeflossen. Dass die Beregnung großen Veränderungen in der „Ebnet“ Vorschub leisten wird - hin zum Obstbau - liegt in der Natur der Sache. Dass sich auch die Grundstückspreise mit einer Beregnung verändern werden ebenso.
Weil in der „Ebnet“ bereits kleinere Beregnungsnetze für die dortigen Obstanlagen vorhanden sind, die von „Ziggl“, also von Tiefbrunnen, gespeist werden, würden für diese Grundeigentümer Restkosten von 3.000 bis 3.500 Euro pro Hektar anfallen. Die Restkosten für den kompletten Neubau des Beregnungsnetzes sind mit 6.500 bis 7.000 Euro pro Hektar veranschlagt.
Das Bonifizierungskonsortium Vinschgau hat für die Beregnungsanlage „Ebnet“ in Schluderns in Rom einen Batzen Geld loseisen können. 6,517 Millionen Euro sind mit Dekret vom „fondo rilancio investimenti“ verpflichtet, sagt der Bonifizierungsgeschäfsführer Gottfried Niedermair. Die Schludernser „Ebnet“ ist im Einzugsgebiet des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau das letzte zusammenhängende noch beregnungslose Areal in der Talsohle.
Das Grünland wird heute nach wie vor über die Wasserwaale bewässert, was müßig und zeitaufwändig ist. Dafür sind am Saldurbach 2 bis 2,5 Sekundenliter pro Hektar, also insgesamt rund 500 Sekundenliter, in der Vegetationsperiode konzessioniert. Im Frühling läuft der Saldurbach dann teilweise trocken, die Schludernser Au leidet dann unter Wassermangel. Dazu kommen die Tiefbrunnen, die durch das Abpumpen des Wassers für Beregnungszwecke den Grundwasserspiegel senken.
Für das vom Malser Ingenieur Walter Gostner von der Ingenieursgemeinschaft Patscheider und Partner ausgearbeitete Beregnugnskonzept ist man auch in den Ämtern in Bozen begeistert. Das Umweltverträglichkeitsgutachten ist rasch ausgestellt worden. Weil diese Form der Beregnungsanlage einen ungeheuren ökologischen Nutzen mit sich bringen würde.
Denn für eine Beregnung werden die Wasserkonzessionen grundsätzlich auf 0,5 Sekundenliter pro Hektar reduziert. Für die in Schluderns in Frage kommende Beregnung sind das bei rund 200 Hektar also um die 100 Sekundenliter (genau 93,6 l/s) im Mittel und maximal 269 s/l. Es werden also für den Saldurbach und für die Schludernser Au größere Wassermengen frei. Eine Trockenlegung im Frühjahr würde es aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben. Die Au bekäme jenes Wasser, das für ein Gedeihen der dortigen Flora und Fauna unglaublich wichtig ist. Diese ökologische Verbesserung von Saldurbachbett und Schludernser Au ist von unschätzbarem Wert, der sich zwar ökonomisch nicht unbedingt messen lässt, aber eine Umweltverbesserung darstellt, die sich jeder Ökologe, jeder Umweltschützer, jeder umweltdenkende Mensch erträumt.
Und dann kommt noch eine Maßnahme hinzu, von der die gesamte Bevölkerung von Schluderns profitieren kann: ein E-Werk. Der Gedanke dazu, samt Beregnungsanlage, ist mehr als 10 Jahre alt - konnte bisher aus diversen Gründen nicht verwirklicht werden. Es kam vor 10 Jahren auch nicht zu einer Abstimmung der Grundeigentümer. Wie auch immer.
Der Gedanke zu einem E-Werk ist so kompliziert einfach wie genial: Bisher lässt Alperia ViPower, der Konzessionär am Reschenstausee und der großen E-Werke in Schluderns und in Kastelbell, an der Schleuse am Saldurbach unterhalb von Matsch das für die Schludernser Bauern benötigte Wasser in den Saldurbach ab - also rund 500 Sekundenliter für die Bewässerung der Ebnet in der Vegetationsperiode. Mit einer möglichen Beregnung, die auf 100 Sekundenliter konzessioniert wird, wird jede Menge Wasser frei.
Dieses frei werdende Wasser, welches bisher den Bauern gehört und nur durch eine Beregnung frei wird, soll, so der Plan, über den Stollen zum Wasserschloss in Montecini geleitet werden. Das Wasserschloss soll angezapft und die Wassermenge in Richtung Konfall geleitet und dort in einem E-Werk zu elektrischen Strom verarbeitet werden. Das Wasser wird dem Saldurbach wieder zurückgegeben - mit Ausnahme jener 100 Sekundenliter für die Beregnung.
Schon die damalige SEL-Edison war unter Präsident Klaus Stocker rasch für dieses Vorhaben zu gewinnen, zumal in einem ersten Schritt die SEL gemeinsam mit der Gemeinde Schluderns das E-Werk gebaut und betrieben hätten. Die Zeiten haben sich geändert, der SEL-Skandal hat die damalige SEL-Spitze weggefegt, das Land Südtirol hat von Klein-Beteiligungen Abstand genommen. Übrig blieb die Gemeinde Schluderns, die dieses Kraftwerk bauen wollte, sich aber arg verzettelte, im Klein-Klein verstrickte und es dann sein bleiben hat müssen.
Nun stehen die Vorzeichen wiederum gut, sogar bestens, den Bau des E-Werkes in Angriff nehmen zu können. Der Zufall kommt den Schludernsern sogar entgegen: Eineinhalb Monate lang, von Mitte Februar bis Ende März, legt Alperia Vipower den Wasserstollen für den Saldurbach trocken. Der Stollen zwischen der Wasserfassung unterhalb von Matsch, dem Wasserschloss bei Tartsch und dem Haidersee muss vor allem im Bereich St. Valentin inspiziert, gewartet und die Ursache der Wasserschäden lokalisiert und beseitigt werden. Diese Trockenlegung ist die Gelegenheit für die Schludernser. In dieser Zeit kann das Wasserschloss leitungsmäßig angezapft und eine Druckleitung bis in die Örtlichkeit Konfall gelegt werden. Der Eingriff ist bereits mit Alperia ViPower besprochen und so gut wie vereinbart. Weil in dieser Zeit für ViPower kein Produktionsausfall zu verzeichnen ist, kommt der Wasseranschluss für die Schludernser Gemeindeverwaltung unglaublich günstig.
Es ist daher kein Zufall, dass die Abstimmung der Grundeigentümer im Gemeindehaus von Schluderns stattfinden wird. Denn Beregnung und E-Werk-Bau hängen unmittelbar zusammen. Keine Beregnung - kein E-Werk. Die Bauern bzw. das mit der Beregnungsabwicklung beauftragte Bonifizierungskonsortium haben in den Verhandlungen im Vorfeld mit der Gemeinde Schluderns erreicht, dass eine Art Entschädigung für das frei werdende Wasser in der Höhe von 750.000 Euro für die Beregnung gezahlt werden wird.
Dafür kann die Gemeinde Schluderns das Wasser für das E-Werk nutzen. In der Vegetationsperiode von März bis Oktober kann das E-Werk im Mittel 315 Sekundenliter und maximal 482 Sekundenliter verarbeiten. Mit einer Leistung von einem Megawatt und einer voraussichtlichen Jahres-Produktion von rund 7 Millionen Kilowattstunden. Die Gemeinde Schluderns könnte sich über ein höchst willkommenes Zubrot von 350.000 Euro jährlich freuen - wenn mit einem Auszahlungspreis für die Kilowattstunde von 5 Cent gerechnet wird. Steigt der Strompreis, steigen die Einnahmen. Aus dieser Optik ist der Aufruf von BM Heiko Hauser leicht zu verstehen. „Der Beregnungsbau genauso wie der Bau des Kraftwerkes ist ein wichtiger und richtiger Schritt in die Zukunft“, sagt Hauser. „Ich rufe alle Grundbesitzerinnen und Grundbesitzer auf, die Abstimmung im Gemeindehaus am 6. Februar wahrzunehmen.“
Vom Werk bis in die „Ebnet“ werden für die Beregnung 103 Sekundenliter abgeleitet. Der Rest wird dem Saldurbach zurückgegeben. Eine Ausnahme bilden die Waale. Das Bonifizierungskonsortium schreibt an die Grundeigentümer: „Das Projekt zur Errichtung der Beregnungsanlage „Schludernser Ebene“ sieht auch die Erhaltung der 4 Hauptwaale (Pfaffenbachwaal, Außerbachwaal, Sandwaal und Kleinangerwaal) sowie die Speisung der Schludernser Au vor, um einer Austrocknung vorzubeugen.“ Für die Waale werden - sollte die Beregnung kommen - insgesamt 75 Sekundenliter abgeleitet.
In Schluderns findet sich eine win-win-win-not-lose-Situation vor: Die Bauern könnten günstig zu einer Beregnung kommen, die Schludernser Bürger zu Einnahmen über ein E-Werk, die ökologische Situation würde verbessert und Alperia Vipower verliert nichts.