Birgit Seissl wurde 1956 in Kufstein geboren. Nach Abschluss ihres Lehramt-Studiums in Wien war sie viele Jahre im Ausland als Lehrerin und Kulturschaffende tätig. Seit 2005 lebt sie in Laas. Mittlerweile ist sie im Ruhestand.
von Christine Weithaler
Die Liebe brachte Birgit nach Laas. Aufgewachsen ist sie als älteste von drei Töchtern in Österreich. Ihr Vater war ein “waschechter“ Tiroler, fromm katholisch und heimatverbunden. Ihre Mutter stammte aus Wien, war weltoffen und unkompliziert, deren Vater aus der Kirche ausgetreten. Diese Gegebenheiten prägten Birgits Kindheit. Birgits Mutter wollte in die Welt hinaus, doch ihr Vater konnte sich dafür nicht begeistern. So holte sich ihre Mutter die Welt zu sich nach Hause. Es war immer was los, unangemeldet kamen Freunde und Bekannte aus Deutschland, England, USA, Italien vorbei, ein „open House“ wie Birgit es nennt. Es war eine klassische Familie des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg in den 60er Jahren. Familie, Haus, Auto, Hund und Katze und irgendwo ein Feriendomizil. Das war in der nostalgischen Natur der Wildschönau in Tirol, neben einem Hotel, dessen Besitzer aus Meran stammte und zum Freundeskreis ihrer Eltern zählte. Dadurch spannten sich die ersten Verbindungen mit dem „schönen“ Südtirol und dem Leben auf dem Land.
1984 schloss sie das Studium Lehramt für Deutsch und Französisch an der Universität Wien ab. Anschließend folgte eine langjährige Ausbildung in körperorientierter Gesprächs-Beratung an der Akademie für Fokusing in Salzburg und in ganzheitlicher Körperarbeit nach Avi Grinberg in Wien und Lausanne. Dort kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit der Fußanalyse. „Anfänglich brauchte ich viel Geduld bis ich die Deutungszonen mit den spezifischen Merkmalen und Eigenheiten an den Fußsohlen erfassen und ausdrücken konnte. Aus den Füßen lese ich nicht nur emotionale, körperliche und organische Zustände, sondern mache auch auf gesundheitliche „Mängel“ oder Gefahren aufmerksam“, erklärt Birgit.
Sie lebte und arbeitete in Südamerika, Ex-Jugoslawien und für sieben Jahre in Paris. Als Studentin kellnerte sie in der Schweiz und arbeitete bei den Olympischen Spielen in Canada und USA - finanzierte sich so ihr Studium.
Im Urlaub in der Türkei, lernte sie schließlich in einer Pension einen Laaser, der in Innsbruck sein Kunstatelier hatte, kennen. Sie lebten zwei Jahre in Wien zusammen und zogen dann nach Laas. Sie meinte das Leben auf dem Land durch die Zeit in der Wildschönau zu kennen, doch für sie unerwartet, unterschieden sich Ferien und das Leben am Land. Im Urlaub sah sie nur die schönen Dinge, lernte das Landleben nur isoliert und punktuell kennen, aber effektiv am Land zu leben und an einem Ort zu bleiben, fühlte sich für sie neu an. In Laas angekommen fragte sich Birgit: „Was mache ich jetzt, was ist meine Aufgabe.“ Anfänglich unterrichtete sie in Latsch und Naturns doch einige Jahre später beschloss sie sich selbständig zu machen.
Die Arbeit mit der Fußanalyse war für sie ein intimes Kennenlernen der Menschen, der Vinschger und Vinschgerinnen und deren Verstrickungen. Für sie war es unglaublich, wie massiv sexuelle Übergriffe und Missbrauch waren und wie die Gesellschaft es bis heute schafft, dies zu tabuisieren bzw. zu verdrängen. Mit der Zeit verstand sie die Hintergründe und Interessen und lernte mit dieser Gegebenheit umzugehen. Es faszinierte sie, wie die Vinschger:innen mit ihrem Körper, dem Boden und der Natur verbunden sind. „Im Allgemeinen spüren sie mehr als Meraner“ meint die Fußanalytikerin. Menschen aus der Stadt sind kopflastiger und haben ziemlich verlernt auf ihren Körper zu hören.“ Die Grinberg Methode ist eine wirksame Lernmethode, über das Spüren neue Seiten in dir entdecken und kennen zu lernen. Verschiedene Techniken und Berührungen verändern die Körperwahrnehmung, lindern Schmerzen und lösen Blockaden. „Du erkennst, wie eingefleischte Strukturen flüssiger werden und sich lösen. Du spürst, wie sich Gefühle und Gedanken ins Körperbewusstsein integrieren. Der Körper lügt nicht“ , beschreibt Birgit. Sie hat ihren Beruf lange ausgeübt und wertvolle Erfahrungen gesammelt.
Jetzt ist es ihr ein Anliegen, ihr erlangtes Wissen, weiter zu geben. Sie sucht seit längerem die passende Form dafür.
Ein Wunsch von ihr wäre, dass sich Frauen mehr solidarisieren und unterstützen. Sie lebt gerne in Laas, ist selbst erstaunt, dass sie so lange an einem Ort sesshaft ist. Aber wer weiß, vielleicht packt sie irgendwann ihre Koffer und zieht in die Welt.