Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Johannes des Täufers, 24. Juni 2024
Am 7. Juni hat die Verwaltung der Autonomen Provinz Trient den Jahresbericht zu den Großen Beutegreifern veröffentlicht. Seit 2007 erscheint dieser Report im Jahresrhythmus. Bis 2017 nannte er sich Bärenbericht, seither ist er den vier Carnivoren Wolf, Braunbär, Luchs und Gold-
schakal gewidmet und in Report zu den Großen Beutegreifern umbenannt.
In meinem heutigen Artikel fasse ich die wesentlichen Inhalte des Jahresberichtes 2023 zu den genannten vier Beutegreifern zusammen.
Bestand der Braunbären im Trentino: Im Jahr 2023 waren 13 Würfe mit insgesamt 22 Jungbären zu verzeichnen. 8 Bären sind gestorben, 2 davon eines natürlichen Todes, einer aus nicht mehr klärbaren Gründen, weil die Überbleibsel wenige waren. Von 5 verendeten Bären ist die Todesursache bis jetzt nicht geklärt. Der Trentiner Braunbären-Bestand wird auf 98 Individuen geschätzt. Dabei sind die Jungen des Jahres 2023 nicht mitgerechnet. Die Schwankungsbreite der Trentiner Bärenpopulation wird zwischen 86 und 120 Tieren angenommen. Der Trend zum Wachstum der Population hält an.
Das Verbreitungsgebiet der Braunbären: Einzelne Bärenmännchen streunen in einem weiten Gebiet, das insgesamt 40.025 km² ausmacht und von der Lombardei bis Bayern und Friaul-Julisch Venetien reicht. Das Areal, das die Weibchen bestreichen, ist mit 2.227 km² deutlich kleiner, aber im Verhältnis zu 2022 in Ausdehnung begriffen (+9,2% im Vergleich zu 2022).
Der Wolfbestand im Trentino: Die geschätzte Anzahl der Wolfsrudel wird auf 27 geschätzt, wovon sich 26 im letzten Jahr fortgepflanzt haben. 14 Wölfe wurden tot aufgefunden, 11 davon nach Zusammenstößen mit Fahrzeugen. 2 Wölfe wurden gewildert und 1 ist eines natürlichen Todes gestorben. Der Trend zur Vergrößerung der Population ist stabil, das besetzte Areal wird größer.
Aufgefundene Wolfrisse unter Wildtieren: 403 Kadaver von Wildtieren wurden aufgefunden, die auf Wolfsrisse zurückzuführen sind. Davon waren 207 Rehe, 149 Hirsche, 35 Gämsen, 10 Mufflon und zwei Andere.
Risse von Haus- und Nutztieren: Im Jahr 2023 mussten im Trentino 339 Risse von Haustieren hingenommen werden, 283 davon durch den Wolf, 56 durch den Braunbären. Hinzu kommen 269 Risse von Kleintieren (Hühnern und Kaninchen).
Trend der Schadrisse: Steigend im Vergleich zu 2022 sowohl für den Wolf als auch für den Braunbären.
Finanzielle Abgeltung von Schäden: Bei 201 gemeldeten Fällen wurden insgesamt 102.000,00 € für Schäden durch Braunbären vergütet. Für 136 gemeldete Fälle von Schäden durch Wölfe mussten 95.000,00 € für die Rückvergütung aufgewendet werden.
Zum Luchs: 2023 wurde im Trentino kein Luchs gesichtet oder bemerkt. Der vormals besenderte Luchs B 132 ist vermutlich verendet. Er war im Frühjahr 2022 als 16-jähriges Tier letztmals erfasst worden.
Der Bestand an Goldschakalen nimmt weiter zu. Goldschakale sind auch schon auf die meisten Gebiete der Provinz Trient verteilt. Von zwei Familien konnte gesichert Fortpflanzung beobachtet werden und zwar in der Gemeinde Tesero im Fleimstal und in der Gegend von Fiavè/Lomaso.
Vorbeugemaßnahmen: Insgesamt wurden 218 Maßnahmen gesetzt mit einem finanziellen Gesamtaufwand von 145.000,00 €.
Herdenschutzhunde: 9 weitere Hunde wurden an Tierhalter verteilt bei einem finanziellen Aufwand von 6.600,00 €. Inzwischen sind es insgesamt 95 Herdenschutzhunde, für welche die Autonome Provinz Trient die Kosten für Ankauf und Abrichtung übernommen hat. Zu dieser Anzahl kommen noch die Herdenschutzhunde dazu, welche von Viehzüchtern selbst angeschafft worden sind. Im Berichtsjahr wurden weitere Kurse zur Dressur von Herdenschutzhunden angeboten und Hinweisschilder zum Herdenschutz durch Hunde realisiert und im Gelände aufgestellt.
Hilfestellungen für die Almwirtschaft: Auf 26 Trentiner Almen haben die Experten für die Schadensprävention durch Großraubtiere direkte Hilfestellungen angeboten. Es wurden 17 Übernachtungsboxen für die Dauer der Almsömmerung auf die Hochweiden transportiert und zwei neue Holzhütten errichtet. Die Realisierung weiterer Hirtenunterkünfte ist für 2024 geplant.
Kritische Fälle: Es wurden 3 Angriffe auf Menschen registriert, davon war jener eines Braunbären auf Andrea Papi tödlich. Die Problembären JJ4 und M90 wurden entfernt, M90 davon im Februar 2024. Tot aufgefunden wurden die Problembären M5 und F36. Die Todesursachen sind noch nicht geklärt. Tot aufgefunden wurde auch der zutrauliche Bär M62. Er war von einem anderen Bären getötet worden.
Zur Tätigkeit des Trupps für dringliche Fälle: Die Gruppe für Sofortmaßnahmen ist 53-mal ausgerückt. Dabei gab es 9 direkte Begegnungen mit dem Sohlengänger Braunbär. 21-mal wurden Vergrämungsmaßnahmen gegen Bären gesetzt mit Hunden und/oder Gummigeschossen.
Einfangen von Bären: Es wurden 4 Fangaktionen durchgeführt. Eine davon betraf die Bergung eines verletzten Jungen (M89), eine die Entnahme der gefährlichen Bärin JJ4 und zwei den Fang der beiden Bären F36 und M90 zur Besenderung bei nachfolgender Freisetzung.
Verkehrsunfälle: Es kam zu 9 Zusammenstößen mit Bären, allesamt auf der Straße, wobei offensichtlich alle Bären überlebt haben. 10 Zusammenstöße waren mit Wölfen zu verzeichnen, 9 auf Straßen und 1 mit der Eisenbahn. Dabei sind alle Wölfe verendet. Personen kamen bei den Verkehrsunfällen mit den beiden Beutegreifern nicht zu Schaden.
Interventionen der Hundestaffel: Die Hundestaffel hat 23-mal eingegriffen, 10- mal, um Bären aufzuspüren, 8-mal, um Bären zu vergrämen, 2-mal zur Unterstützung von Fangaktionen und 3-mal nach Bärenangriffen auf Menschen. Zur Verhinderung von Wilderei sind die Hundeführer mit ihren Hunden weitere 16-mal ausgerückt.
Bärensichere Müllbehälter: Weitere bärensichere Abfallbehälter wurden im Gelände im Sulzberg aufgestellt. Der Landesplan für die Abfallwirtschaft wurde überarbeitet und genehmigt. Dieser Plan sieht jetzt vor, dass das gesamte Gebiet der Provinz Trient schrittweise mit bärensicheren Abfallbehältern ausgestattet wird.
Information und Kommunikation: Zur Information und Aufklärung wurden 13 öffentliche Abendveranstaltungen für interessierte Menschen abgehalten und 102 Presseaussendungen verschickt. Auf 13 Anfragen im Trentiner Landtag wurden Antworten vorbereitet.
Fortbildung des Fachpersonals im Monitoring der Beutegreifer: Im Berichtsjahr wurden 25 Treffen und Fortbildungsinitiativen durchgeführt.
Überregionale Zusammenarbeit: Auf der Ebene der Experten wurde die fachliche Zusammenarbeit in der Plattform Große Beutegreifer fortgesetzt, welche im Rahmen der Alpenkonvention eingesetzt ist. Fortsetzung erfuhr auch die Zusammenarbeit mit dem Fachpersonal der Autonomen Provinz Bozen Südtirol und im Rahmen der Euregio. 2023 fand das 3. Treffen mit dem Nationalpark Abruzzen, Latium. Molise statt, in welchem sowohl Bären als auch Wölfe leben. Und fortgesetzt wurde auch die Zusammenarbeit mit der internationalen Arbeitsgruppe LCIE (Large Carnivore Initiative for Europe) und mit Bear Specialist Group innerhalb der IUCN.
Zum Schluss erlaube ich mir noch einen Kommentar: Der Wolfsbestand wird heute weltweit auf 200.000-250.000 Wölfe geschätzt, in Europa (ohne Russland) leben derzeit ca. 17.000 Wölfe. Für den Alpenbogen sind im Jahr 2021 269 Wolfsrudel dokumentiert. Die Zahl der Risse von Haustieren durch Carnivoren war 2023 im Trentino mit 339 getöteten Nutztieren fast in vergleichbarer Höhe mit den aufgefundenen Kadavern von Wildtieren, die durch die Großen Beutegreifer getötet worden sind. Im Apennin werden jährlich ca. 300 Wölfe durch Wilderei, Gift oder Fallen ungesetzlich getötet. Die Schwierigkeiten der Trentiner Landesverwaltung, eine Unterbringung für die gefährlichen Braunbären im Ausland zu finden, sind hinlänglich bekannt. Den negativen Trend der im Sommer gealpten Weidetiere setzte ich auch als bekannt voraus. Ebenso gehe ich davon aus, dass die ökologische und wirtschaftliche Bedeutung bekannt ist, welche der Erhalt der Almen in den Alpen mit sich bringt.
In reifen Demokratien muss der Gesetzgeber eine Antwort auf das dringende Problem der Großen Beutegreifer in Kulturlandschaften und besiedelten Räumen finden. Der verzweifelnde Bürger darf nicht in die Selbstjustiz flüchten. Der Gesetzgeber ist meines Erachtens auf der europäischen, der nationalen und der Länderebene zu Lösungen aufgerufen: Rückstufung des Wolfes aus der höchsten Schutzstufe im Natura 2000-Regelwerk. Entnahme von Problem- und Risikotieren. Vermeidung, dass der intelligente Wolf vom Naturwolf zum Kulturwolf wird. Unterbleiben Lösungen, wächst uns das Problem über den Kopf und wird nebenbei noch sehr viel kostenintensiver.