Architektur-Interview mit Thomas Hickmann
Es ist lieb gewordene und gern gepflegte Tradition beim Vinschgerwind im Sonderthema „Bauen & Einrichten“ mit Vinschger Architekten ein Gespräch zu führen. Diese Interview-Reihe wird in dieser Wind-Ausgabe mit dem Architekten Thomas Hickmann fortgeführt. Wir haben mit ihm über Inspirationsquellen, über gute Architektur, über Träume und über die Überschuldung von jungen Paaren gesprochen.
Interview: Angelika Ploner
Vinschgerwind: Vorab eine persönliche Frage: Wie wohnen Sie selbst?
Thomas Hickmann: Ich wohne in Kortsch in einem mittleren Reihenhaus, im geförderten Wohnbau mit den 110 Quadratmetern. Wir haben zeitgleich zu viert miteinander gebaut und ich habe die Generalkoordination übernommen, damit wir praktisch alle Synergien gemeinsam nutzen konnten, das heißt mit einem gemeinsamen Baumeister, Zimmermann, Spengler, usw.. Dies hat viele Kosten gespart.
Vinschgerwind: Was war Ihnen vom planerischen Gesichtspunkt her wichtig?
Thomas Hickmann: Also mir war wichtig, dass wir miteinander einheitliche Lösungen finden. Das heißt einheitliche Baukörpertiefe, einheitliche Höhen und Traufkanten, dass wir eine homogene Gesamtanlage kreieren. Ich wollte einfach, dass der Austausch stimmt, und nicht – wie es in vielen Zonen passiert – jeder seinen Baukasten aufmacht und wir nicht mehr zusammenkommen. Wir haben gute Kompromisse gefunden und das trägt unsere Nachbarschaft noch heute. Ich habe auch bewusst keinen Zaun zu meinen Nachbarn, wie das in jeder Siedlung üblich ist. Das hängt damit zusammen, dass wir an Großzügigkeit interessiert sind und allen voran den Kindern die Möglichkeit des direkten Austauschs bieten wollen. Im Inneren habe ich dann nur drei Materialien verwendet: Naturstein als Boden- und Wandbelag, dann Lärche als einziges Holz für Fenster, Türen, Böden und Stufen und geputzte Flächen. Nichts Außergewöhnliches. Es ist genau auf unseren Bedarf zugeschnitten.
Vinschgerwind: Woraus schöpfen Sie Ihre Ideen? Was inspiriert Sie?
Thomas Hickmann: Herauszufinden, was Menschen wirklich wollen. Ich muss zunächst einmal vor Ort gewesen sein, beobachten und nachdenken. Wenn ich mich dann mit der Bauaufgabe beschäftige, dann kommen automatisch die Ideen oder Vorstellungen. Die Inspirationen sind für mich gute Gespräche. Wenn jemand absolut keine Badewanne will, dann werde ich ihm nicht eine Badewanne ins Bad planen. Also Wünsche zu respektieren. Ich sehe mich als Maßschneider. Und wenn ich weiß, was jemand für Maße hat, dann ist es auch leichter, das zu machen. Ich bin kein Freund der Hochtechnisierung, diesen ganzen Schnick-Schnack; ich bin für einfache Materialien und robuste, pragmatische Lösungen. Heute muss es mehr denn je im Rahmen bleiben; nicht jeder hat finanziell unbegrenzte Möglichkeiten.
Vinschgerwind: Wie überzeugt man Bauherren von den eigenen Ideen?
Thomas Hickmann: Mit Modellen. Modelle überzeugen am besten. So habe ich es in München an der TU gelernt.
Mit Renderings zeigt man nur die Schokoladenseite, das sind Verkaufsprospekte, die sind schön gemacht und sie animieren. Ein Modell ist meiner Meinung nach die ehrlichere Methode. Ich überzeuge zudem meine Bauherren damit, dass ich von der ersten Idee bis zur Abnahme kontinuierlich alles Notwendige übernehme und begleite. Gerne beschreibe ich mich als Zehnkämpfer, der allen Disziplinen gewachsen ist und verbindlich dafür einsteht. Bauen ist meist ein mehrjähriger Prozess mit Höhen und Tiefen. Ich pflege mit all meinen Bauherrn ein freundschaftliches Verhältnis und gehe auch nach Abschluss gerne mit Ihnen etwas trinken. Das spricht, denke ich, für sich.
Vinschgerwind: Gibt es einen bestimmten Stil, dem Sie folgen? Anders gefragt: Woran erkennt man einen Bau, der von Thomas Hickmann geplant wurde.
Thomas Hickmann: Jeder Bau ist verschieden. Weil die Menschen dahinter verschieden sind. Ich halte von einer Ablesbarkeit nicht viel. Es ist umso spannender mit den Menschen in dieser Unterschiedlichkeit zu bauen. Wichtig ist mir nicht meine Feder, sondern, dass sich die Bauherren mit ihren Vorstellungen wiederfinden. Die Verpackung ist im Grunde zweitrangig. Wichtig ist, dass es für die Bauherren vor allem im Innenraum stimmt.
Vinschgerwind: Gibt es ein Projekt auf welches Sie besonders stolz sind?
Thomas Hickmann: Also, ich kann nicht sagen, das Projekt mag ich mehr, das weniger. Ich bin auf alle meine Projekte stolz, wenn sie auch wirklich umgesetzt werden können, wenn es gelingt, ihnen Gestalt zu geben. Manche Projekte bleiben ja Projekt. Spannend wird es dann, wenn ein Projekt wirklich gebaut wird, denn dann kann man das Gute noch besser machen.
Vinschgerwind: Allgemein gefragt: Was zeichnet gute Architektur aus?
Thomas Hickmann: Gute Architektur bedarf Zurückhaltung. Gute Architektur ist für mich frei von modischen Strömungen, wenn man die unmittelbare Entwurfsidee spürt. Wenn der Erstgedanke in einem Projekt sichtbar wird, dann ist das für mich gute Architektur, dann finde ich das gelungen. Es gibt mittlerweile wirklich viele Beispiele.
Vinschgerwind: Bleiben wir bei den Beispielen. Wenn Sie in den Vinschgau blicken, welcher Bau ist aus Ihrer Sicht ein Vorzeigebau?
Thomas Hickmann: Da geh ich in meine Biographie. Ich war 1984 in Glurns, war im zweiten Semester TU München und wir mussten eine Woche dort alte Gebäude aufmessen. Damals gab es für uns, außer Paul Flora und dem Laaser Marmor, nichts Interessantes zum Anschauen. Mittlerweile finde ich als Wahlvinschger, nach 25 Jahren, die ich hier leben und arbeiten darf, dass es so viele verschiedene Projekte in jedem Dorf mit Vorzeigecharakter gibt, soweit, dass ich sagen muss, das ganze Tal ist spannend. Vor allem die Kombination mit Kunstschaffenden . Gelungen finde ich das von Karin Dalla Torre sanierte Haus in Stilfs, wo immer wieder Ausstellungen stattfinden. Das ist eine unglaubliche Bereicherung. Ich stelle fest, dass hier sehr viel Sinn für Ästhetik sichtbar wird. Es hat sich in den vergangenen 40 Jahren gewaltig viel getan. Wenn, dann muss ich sagen, ist der ganze Vinschgau für mich Vorzeigeregion. BASIS zum Beispiel, darin das Kasino, das gibt es in ganz Südtirol nicht. Das ist mit Sicherheit ein einzigartiges Vorzeigeprojekt.
Vinschgerwind: Stichwort Nachhaltigkeit. Wie können Architektur und Bauen nachhaltiger werden?
Thomas Hickmann: Der größte Störfaktor und Nonsens momentan im qualitativen Bauen ist der 110 Prozent Steuerbonus. Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Die Anreize durch die staatlichen Förderprogramme gehen komplett am Bedarf vorbei. Und da müssen wir uns schon selber fragen: Müssen wir jeder Gier hinterherlaufen? Beispiel Handys. Lieber kauft man ein Neues, als das Alte zu reparieren. Wir müssen uns alle an der eigenen Nase fassen und jeder bei sich anfangen. Mit kleinen Dingen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen.
Vinschgerwind: Woran arbeiten Sie gerade?
Thomas Hickmann: Derzeit baue ich konkret die Pension Tyrol in Göflan um. Da werden Wohnungen entstehen. Dann der Umbau des Ziegenhofes Obermoar am Trumsberg. Da entsteht Urlaub auf dem Bauernhof. Dann habe ich ein Projekt, an dem ich schon zwei Jahre arbeite: Ferienchalets auf Tanas. Und die Samenmühle „Klenge“ in Prad. Der Inhaber möchte diese für die Öffentlichkeit zugänglich machen mit Bistro und Dienstwohnung. Da haben wir einen über 100 Jahre alten sehr reizvollen Bestand.
Vinschgerwind: Ein Traum: Was würden Sie gerne einmal planen?
Thomas Hickmann: Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum. Das Leben gibt mir genau die Aufgaben, die ich brauche und dann lebe ich meinen Traum, dann habe ich meinen Traum erfüllt. Alles kommt, wie es kommen muss. Ich bin sicherlich kein Marktschreier.
Vinschgerwind: Letzte Frage: Neben dem Bauen sind Sie mit Ihrer Frau als Referent bei Paarseminaren tätig. Was raten Sie jungen Paaren, die bauen wollen?
Thomas Hickmann: Das Problem in der heutigen Zeit, in der Lebensphase zwischen Anfang 20 und Ende 40, ist, dass diese Lebensphase total überfrachtet ist und sich viele junge Paare hoffnungslos verschulden. Durch diesen Druck, unbedingt ein Eigenheim haben zu wollen, scheitern viele Beziehungen. Und da sehe ich auch eine Verantwortung bei uns Architekten. Jedes Paar tut gut daran, für sich einen Lebensplan zu entwickeln, sollte Zeitsprünge machen und sich fragen: Was ist bei uns in 10 Jahren? Haben wir Kinder? Was sind unsere jeweiligen Wünsche und Träume? Wie wollen wir uns dafür wohnlich einrichten? Einfach den Blickwinkel erweitern und Prioritäten setzen. Beim Bauen spielt vieles hinein. Der Baukasten an Lösungen ist unendlich groß. Umso wichtiger ist es zu wissen, was man wirklich braucht und will und was nicht. Was ist das Gegenteil von gut?
Vinschgerwind: Sagen Sie es mir.
Thomas Hickmann: Gut gemeint.
Und hier sollten junge Leute aufpassen: Wenn Eltern und Schwiegereltern es gut mit einem meinen, dann ist das Haus am Ende nach deren Interessen gebaut. Jungen Paaren rate ich, ihren eigenen Vorstellungen nachzuspüren, sie mit dem Partner herausfinden und entwickeln lassen. Die eigenen Wünsche und das, was man braucht, darf man nicht aus der Hand geben.