Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Jakobus, 25. Juli 2023
Am Mittwoch, 12. Juli hat das EU-Parlament in Brüssel mit einer knappen Mehrheit von 324 Ja- zu 312 Nein-Stimmen das sogenannte Renaturierungsgesetz verabschiedet. Das Gesetz soll einen bedeutender Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der Biodiversität bringen, wenn es dann Rechtskraft erreicht.
Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Die EU-Kommission hatte 2022 den Gesetzesvorschlag ausgearbeitet und nunmehr dem Parlament vorgelegt. Nach Plänen der EU-Kommission soll es bis zum Jahr 2030 im Rahmen des European Green Deal für mindestens 20% der Land- und Meeresgebiete der EU-Mitgliedsstaaten sogenannte Wiederherstellungsmaßnahmen geben.
Konkret geht es um die Wiederaufforstung von Wäldern, die Begrünung von Städten sowie um die Renaturierung von Mooren, die trockengelegt wurden. Geplant sind Wiederbewässerungen, Renaturierungen von Flussabschnitten und die Reduzierung von Pestiziden.
Umweltschützer fordern ein ambitioniertes Naturschutzgesetz; Landwirte protestieren dagegen und sehen ihre Flächen gefährdet. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei hat im EU-Parlament die Position der Landwirtschaft vertreten. Hunderte von Forschern und Wissenschaftlern haben im Vorfeld der Parlamentsdebatte Überzeugungsarbeit und Lobbyismus für die Verabschiedung des Gesetzes gemacht.
Die Vertreter der Landwirtschaft haben als Gegenargument zum Gesetz unter anderem vorgebracht, dass die Produktion von Lebensmitteln in ausreichenden Mengen gesichert bleiben muss. Dem kann entgegengehalten werden, dass wir in der EU pro Jahr 88 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwenden und verwerfen. Dies entspricht umgerechnet einer Menge von 173 Kilogramm pro Person und Jahr. (Quellen: Eurobarometer und FAO, 2017).
Warum sollen Moore renaturiert werden?
Weil intakte Moore insgesamt doppelt so viel Kohlenstoffdioxid speichern wie alle Wälder der Erde. Moore sind unerlässlich für den Klimaschutz. Nur: In Deutschland, zum Beispiel, sind 95 Prozent der Moore trockengelegt. Durch die Trockenlegung werden Moore zu Emittenten von Treib-hausgasen: Trockengelegte Moore setzen rund 7 Prozent der CO2-Gesamtemission frei. Im vernässten Zustand sind Moore hingegen Treibhaussenken.
Das Wiedervernässen ist daher für Klima, Umwelt und Biodiversität zwingend notwendig.
Dass degradierte Moore für 5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, ist weniger bekannt. In Deutschland stammen rund 7 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden, das entspricht ca. 53 Mio. t Kohlenstoffdioxidäquivalenten im Jahr – weit mehr als der gesamte Flugverkehr in Deutschland freisetzt.
Das stimmenmehrheitlich vom EU-Parlament genehmigte Renaturierungsgesetz sieht ebensolche Renaturierungsmaßnahmen nicht nur auf Flächen im öffentlichen Eigentum vor, sondern auch auf Flächen, die im privaten Eigentum stehen. Immer wenn Auflagen im Interesse der Gemeinschaft und im übergeordneten Interesse das Privateigentum betreffen, berühren sie einen kritischen Bereich. Oft wird dann das Argumentieren schwierig und von den unterschiedlichen Zielen konditioniert: Hier das Allgemeinwohl z.B. als Beitrag zur Eingrenzung des Klimawandels und andrerseits die Erwartung, dass das private Eigentum respektiert wird. Allzuleicht kippt die Diskussion dann in fundamentalistische Extrempositionen, die keine gemeinsame Diskussionsebene und keine Kompromissfindung akzeptieren und zulassen. Beispiele aus den letzten Jahren und Monaten gibt es mehrere: die Covidmaßnahmen, die Einwanderungsproblematik, den Ukrainekrieg, die Wolfs- und Bärenproblematik, um nur einige zu nennen. Gegenseitiger Respekt, konsensfähige Diskussionskultur, die Sicht auf das globale Ganze, gemeinschaftsorientiertes Handeln zu echter Nachhaltigkeit sind gefragt und notwendig.
Mit dem Entscheid im EU-Parlament ist das Europäische Renaturierungsgesetz noch nicht in Kraft. Aber die EU-Kommission ist beauftragt, mit den Mitgliedsländern Verhandlungen zur konkreten Umsetzung des Gesetzes zu führen. Bis zur Rechtskraft werden dann hoffentlich auch noch taugliche Lösungen für einen Vertragsnaturschutz gefunden, welche ökologische Nachhaltigkeit, Erhalt der Biodiversität und effizienten Klimaschutz zulassen. Den Bauern könnten mit dem Instrument des Vertragsnaturschutzes ihre Beiträge für Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität abgegolten werden. Die im Rahmen des Interreg Programmes VA Italien – Österreich 2014-2020 schon umgesetzten Maßnahmen auf 215 Hektaren Wiesen von 83 landwirtschaftlichen Betrieben für spätere Mahd zum Schutz der bodenbrütenden Vogelarten sind nur ein Beispiel für einen solchen Vertragsnaturschutz.