Kultur: Courage!

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 Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Kirche  trafen sich vom 13. bis 15. Oktober zu den 26. Klausurgesprächen im Kloster Marienberg. Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Kirche trafen sich vom 13. bis 15. Oktober zu den 26. Klausurgesprächen im Kloster Marienberg.

Bei den 26. Marienberger Klausurgesprächen vom 13. bis 15. Oktober stand die Courage, die Ermutigung zum gemeinsamen Handeln für eine nachhaltigere, gerechtere Welt im Mittelpunkt der vielen Referate. In einer immer komplexer werdenden Welt mit großem Autoritätsverlust braucht es Mut zum Wandel, meinte Günther Andergassen, der Präsident vom Kuratorium Marienberger Klausurgespräche. Es geht darum, Analysen gegen „alternative Fakten“, Maßhalten gegen alle maßlosen Ismen, Verantwortung gegen Egoismus und Mut gegen Angst in einer Zeit des notwendigen Wandels zu entwickeln. Über drei Referate von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten möchten wir etwas ausführlicher berichten. Der Nordtiroler Bischof Hermann Glettler sprach am 13. Oktober zum Thema „Mut und Verwundbarkeit – mehr Herz ist gefragt“. Am zweiten Tag der Marienberger Klausurgespräche referierten am Vormittag zuerst die junge s26 221013 Glettler Spanier LintnerSozioökonomin Daria Habicher zum Thema „Mit Courage in eine neue Zeit – Südtirol 2030“ und anschließend die ehemalige österreichische Staatssekretärin und Industriemanagerin Brigitte Ederer über „Couragiert sein, couragiert bleiben – zwischen Ethik und Sachzwang“.

Mut, Verwundbarkeit und Herzensqualitäten

Wir leben in nervösen Zeiten, meinte der Nordtiroler Bischof Hermann Glettler. Die Empörungsbereitschaft steigt, genauso wie die Unberechenbarkeit. Man fühlt sich getrieben und unfrei. Die Zukunft taugt nicht als Versprechen. Deshalb gibt es viele Untergangsszenarien. Gab es früher einen starken Fortschrittsglauben, so ist heute die Zuversicht und damit auch die Zukunft beschädigt. Neben Verteilungskämpfen, muss man mit zunehmender Vereinsamung und Migrationsströmen rechnen. Es braucht Herz und Mut und mehr Verantwortung für das Gemeinwohl. Der Mensch ist vor allem ein Beziehungswesen. In der Selbstverwirklichung kann der Mensch sich auch verlieren. Es geht nach Grettler um eine Balance zwischen dem Ich und dem Wir. Die Egoagentur kennt keine Verantwortung für die Gemeinschaft. Mit Mut meinte der Bischof nicht Hochmut, sondern Großmut, Sanftmut, Demut und Langmut. Es braucht Geduld, um das Band der Einheit zu stärken, Mut zur Zärtlichkeit, Mut zur Begrenztheit, Mut, die eigene Meinung zurückzustecken und zuzuhören. Das sind Herzensqualitäten, die das Herz zu einem Resonanzraum, einen Marktplatz und Speicherplatz machen, der Spannungen aushält und nicht alles gleich haben will. Unsere Verwundbarkeit macht uns zu Menschen, die auch Schwäche zeigen können, so der Bischof. In der Pandemie haben wir gemerkt, dass nicht nur die Menschen, sondern ganze Systeme und Einrichtungen angreifbar und verwundbar sind. Je komplexer das System, umso verwundbarer ist es. Die nukleare Bedrohung ist real. Vulnerabilität, die Verwundbarkeit bzw. Verletzbarkeit ist Teil des Lebens. Sie kann auch zu Solidarität, zu Engagement führen und in uns Energien freisetzen. Der Aufstand der Frauen im Iran hat gezeigt, dass Herz und Mut etwas auslösen können, das zusammenschweißt und Kraft gibt, um gemeinsam für etwas zu kämpfen.

Politiker müssen etwas wollen

Brigitte Ederer war EU-Staatssekretärin im österreichischen Bundeskanzleramt zu der Zeit, als sich Österreich auf den EU-Beitritt vorbereitete und später Wiener Finanzstadträtin. Nach der politischen Tätigkeit ging sie in die Wirtschaft, war Vorstandsmitglied der Siemens AG und im Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesbahnen. Die ehemalige SPÖ Politikerin berichtete über die Widerstände bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt Österreichs, über Drohbriefe und niederschmetternde Berichte s26 habicher edererin den Medien. Als Politiker muss man etwas wollen, ein klares Ziel haben, meinte Ederer. Und man muss Spannungen aushalten. Wer große Entscheidungen trifft, ist oft einsam, wird auf Widerstand stoßen und Narben davontragen. Man muss schauen, dass diese wieder zuwachsen. Wer verändern will, braucht viel Energie und muss sich klar sein, dass man auch scheitern kann. Deshalb muss man einen Plan B haben, um nicht Gefangener seiner selbst zu sein, so die ehemalige Staatssekretärin. Bei ihrem Referat in Marienberg rief sie aber auch dazu auf, die Jungen zu ermutigen, damit sie sich engagieren. Die jungen Politiker:innen dürfen aber nicht nur Posten besetzen und sich ausschließlich an Meinungsumfragen orientieren, sie müssen klare Ziele haben und eine gewissen Hartnäckigkeit an den Tag legen. Die schwierigste Aufgabe in ihrem Leben war es 3.000 von insgesamt 18.000 Beschäftigte abzubauen. Das rüttelt an den eigenen Grundwerten, meinte die Sozialdemokratin. Ethisches Handeln ist nicht immer leicht, vor allem wenn man vor Sachzwängen und schwierigen Alternativen steht, wenn die Gefahr besteht, dass Großaufträge verloren gehen und dadurch Arbeitsplätze abgebaut werden. Dabei den ethischen Kompass nicht zu verlieren und sich nicht durch kurzfristige Gewinne täuschen zu lassen, das erfordert nicht nur Mut, sondern auch tiefe Überzeugungen. Wir sind auf Erfolg getrimmt. Dabei wäre es besonders für Jugendliche wichtig, zu lernen, dass man auch scheitern kann. Und zu lernen mit dem Scheitern umzugehen und nicht zu verzagen, so die ehemalige Politikerin.

Zukunftsvisionen: Südtirol 2030

Die Wissenschaftlerin Daria Habicher hat als Projektleiterin vier „Zukunftsszenarien für ein nachhaltiges Südtirol 2030+“ zusammen mit einem wissenschaftlichen Team der EURAC erarbeitete. Es geht bei den erarbeiteten Szenarien um den Grad der Transformation und eine Kultur der Zusammenarbeit auf regionaler bzw. globaler Ebene. Szenario I betont das regionale Bewusstsein und die Stärke der Tradition, Szenario II das globale Denken und lokales Handeln, Szenario III die individuellen Freiheiten und Szenario IV grüne Innovationen durch technische Lösungen. Habicher eröffnete ihre Ausführungen mit fünf Thesen zur globalen Lage. Wir haben die Grenzen ökologischer Belastungen erreicht. Die Klimakrise, die Ozeanversauerung und die Unversehrtheit der Biodiversität sind die Folgen. Wir leben auf zu großem Fuß und verbrauchen zu viele Ressourcen. Die Einkommensungleichheit zwischen den Ländern im Norden und Süden wird immer größer. Das Wirtschaftswachstum hat ausgedient und kann nicht weiter gesteigert werden. Immer mehr Menschen leiden an Depressionen, Burnout und psychischen Belastungen. Deshalb stehen wir heute vor dem dritten großen Transformationsprozess, der Nachhaltigkeitsrevolution. Nach der neolithische Revolution und der Sesshaftigkeit des Menschen, sowie der Industriellen Revolution, stehen wir vor den dritten großen Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte, so Habicher. Dazu braucht es Mut und Zivilcourage, um die Weichen richtig zu stellen. Standen bisher die Wirtschaft, das Wirtschaftswachstum und die Gewinnmaximierung im Vordergrund, die Menschen und die Umwelt eher im Hintergrund, so braucht es auch diesbezüglich ein Umdenken. Die Umweltsituation ist die Basis für eine nachhaltige Wirtschaft und ein nachhaltiges Sozialgefüge, meinte Habicher. Allein durch die Technik wird es nicht gehen. Wir müssen unser Konsumverhalten hinterfragen und den Lebensstil ändern. Durch den Klimaplan „Südtirol 2040“ der Landesregierung und verschiedene Strategiepapiere sind wir in Südtirol auf dem Papier auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Nun geht es um die Umsetzung hin zu einer nachhaltigen Lebensweise und Wirtschaftsweise, so die Wissenschaftlerin.
Heinrich Zoderer

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