Was haben das Queen-Victoria-Denkmal in London, die U-Bahn-Station im World Trade Center in New York und der Pallas-Athene-Brunnen in Wien gemeinsam? Alle Denkmäler sind gefertigt aus einem einzigartigen Naturstein, der im Örtchen Laas seinen Ursprung hat.
von Anna Alber
Marmor, vor Millionen Jahren entstanden, ist keineswegs ein kalter, alter Stein - sondern steckt voller Faszination, Geheimnis und historischer Bedeutung. Zusammen mit Fremdenführer, Buchautor und Künstler Franz Waldner begeben wir uns auf Marmor-Spurensuche.
Kunstvoll und ausdrucksstark
„In den Bildern meiner Kindheit sind alle Wege weiß. Marmorweiß.“ So beschreibt der gebürtige Laaser Künstler und Autor Luis Stefan Stecher seine prägendsten Kindheitserinnerungen. Wahrhaftig: Gehsteige sind mit dem edlen Material gepflastert, der Dorfplatz und Dorfbrunnen sind aus Marmor gestaltet und zahlreiche Denkmäler und Skulpturen schmücken die Ortschaft. Eine besonders beeindruckende Geschichte verbirgt sich hinter dem Werk „Mutter mit Kindern“, die vom Bildhauer Elmar Kopp im Rahmen der internationalen Steinbildhauersymposien von 1992 bis 1994 in Laas angefertigt wurde. Tag für Tag, stundenlange Knochenarbeit. Doch trotz des Verlustes der rechten Hand in seinen Jugendjahren schaffte es der Tiroler Künstler, den unerbittlichen Naturstein zu bearbeiten und das Werk zu vollenden.
Ein Kaiser im Schafstall
Im Gegenzug zur zeitgenössischen Bildhauerkunst von Elmar Kopp wirkt das Marmordenkmal des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. äußerst prunkvoll und anmutend. Die Portraitbüste samt Unterbau, die 1911 in der „K. k. Fachschule für Steinbearbeitung“ in Laas fertiggestellt wurde, ist Zeugnis der künstlerischen Blütezeit des Laaser Marmors unter dem habsburgischen Kaiserhof in Wien. Es ist erstaunlich, dass die jungen Bildhauer aus Laas bereits um die Jahrhundertwende zu einem solch präzisen Steinmetzhandwerk fähig waren. Auftraggeber sowie der genaue Auslieferungsort sind bis heute unbekannt. Nach dem ersten Weltkrieg musste das Denkmal vor der faschistischen Diktatur in Sicherheit gebracht werden und wurde zwischen blökenden Schafen in einem Schafstall versteckt. Dort geriet der Kaiser aus Marmor in Vergessenheit und wurde erst Jahrzehnte später entdeckt und öffentlich aufgestellt.
Hinter Mauern verborgen
Das Wertvollste, das Laas besitzt, ist allerdings ein anderes Schmuckstück. Handwerker staunten nicht schlecht, als sie im Zuge von Restaurierungsarbeiten an der St.-Johannes-Kirche in den 1970er-Jahren hinter den unscheinbaren Mauern der damaligen Sakristei auf zahlreiche Marmorrelikte stießen.
Il marmo di Lasa
„Nelle foto della mia infanzia, tutti i sentieri sono bianchi. Bianco marmo“. È così che l‘artista e autore Luis Stefan Stecher, nato a Lasa, descrive i suoi ricordi d‘infanzia più formativi. È vero: i marciapiedi sono pavimentati con il nobile materiale, la piazza e la fontana del villaggio sono in marmo e numerosi monumenti e sculture adornano il paese.
La cosa più preziosa che Lasa possiede, tuttavia, è un gioiello. Gli artigiani rimasero stupiti quando, nel corso dei lavori di restauro della chiesa di San Giovanni negli anni Settanta, si imbatterono in numerose reliquie in marmo dietro le pareti poco appariscenti dell‘ex sacrestia.
Da die Marmorstücke zum größten Teil geborgen werden konnten, ist es gelungen, ein wahres Zeugnis des Hochmittelalters zu rekonstruieren: eine romanische Rundapsis aus dem 12. Jahrhundert aus feinstem Marmor. Verziert mit Rundbögen und ausdrucksstarken Tierreliefs wirkt der Prachtbau sehr gegensätzlich zur schlicht und schmucklos gestalteten St.-Marx-Kirche an der Südseite der Pfarrkirche. „Beim Markus ist immer was los“, erzählt Franz Waldner schmunzelnd und erläutert, dass die Markuskirche im Laufe der Zeit vielfältige Verwendung fand: als Unterrichtsraum für Fachschüler der Steinbearbeitung, Probelokal der Musikkapelle oder als örtliche Milchsammelstelle. Während im Frühmittelalter noch überwiegend Findlinge für sakrale Bauten und Kunstwerke verwendet wurden, begann Jahrhunderte später der systematische Abbau des edlen Natursteins.
Vom Knecht zum Millionär
Josef Lechner, bekannt als der „Marmor-Lechner“, stieg im großen Stil ins Marmorgeschäft ein und schaffte es, durch zähes und weitblickendendes Handeln vom Bauernknecht zum reichsten Marmorunternehmen seiner Zeit. Durch harte Arbeit und einfache Technik wurde der Naturstein aus dem Berg gebrochen und als Rohmaterial in die ganze Welt verkauft oder von Steinmetzen zu kunstvollen Grabsteinen und Denkmälern verarbeitet. Während früher noch mehrere hundert Mann im Einsatz waren, um das weiße Gold ins Tal zu befördern, reichen heute eine Hand voll Mitarbeiter und ausgeklügelte Technik aus, um den wertvollen Stein im Weißwasserbruch auf 1.567 m Meereshöhe untertage abzubauen. Ein technisches Meisterwerk ist die Laaser Marmorbahn, die vor über 92 Jahren erbaut wurde. Leider ist die Schrägbahnanlage trotz voller Funktionstüchtigkeit aus Sanierungsgründen nicht mehr im Einsatz. Der „Schrägbahnsteig“ lädt Wanderbegeisterte ein, die Einzelanfertigung, die über Jahrzehnte hinweg die schweren Marmorblöcke zum Marmorwerk beförderte, zu besichtigen.
Heimlicher Exportschlager
Das weiße Kalkgestein, seit jeher edler Werkstoff kunstfertiger Steinmetze, wird nun einer breiten Produktpalette zugeführt. Als klassische Rohplatte, Außenverkleidung oder Sonderanfertigung tritt der Laaser Marmor seinen Siegeszug an und begeistert Geschäftskunden weltweit. Wien, New York, Abu Dhabi und viele weitere Metropolen schmücken sich mit dem kühlen weißen Stein aus Laas. Auch in Griechenland, China, Brasilien oder Carrara wird das weiße Kalkgestein abgebaut. „Warum unser Marmor der Beste ist? Der Laaser Marmor ist extrem hart, widerstandsfähig und wetterbeständig“, erklärt Waldner. Dazu ist jeder Stein ein Unikat und überzeugt durch eine feine kristalline Körnung, die dem Marmor einen glitzernden Schimmer verleiht. Schneeweiß, marmoriert, geschliffen oder unbearbeitet. Marmor prägt das Dorfbild, aber – Sie werden sehen – auch die Menschen, die mit diesem einzigartigen Naturstein in Berührung treten.
Il marmo di Lasa
La pietra calcarea bianca, da sempre materiale nobile per abili scalpellini, viene ora introdotta in un‘ampia gamma di prodotti. Come lastra grezza classica, rivestimento esterno o prodotto su misura, il marmo di Lasa sta iniziando il suo corteo trionfale e delizia i clienti commerciali di tutto il mondo. Vienna, New York, Abu Dhabi e molte altre metropoli si adornano con la fresca pietra bianca di Lasa.