„An vielen Stellen ist Handlungsbedarf“

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Sepp Noggler ist als Präsident des Landtages - nach der Halbzeitlegislatur - abgelöst worden. So will es das Autonomiestatut. Noggler wagt einen Rückblick auf seine Amtszeit und ermahnt den Bezirkspräsident und die Bürgermeister im Vinschgau, sich aktiver und gezielter einzubringen.

Vinschgerwind: Sie haben die erste Hälfte der Legislaturperiode als Präsident des Südtiroler Landtages amtiert. Nun ist es zum obligatorischen Wechsel zu einer italienischsprachigen Präsidentin gekommen. Gemeinsam mit Ihrem Bauernkollegen Manfred Vallazza sind Sie jetzt Vizepräsident. Geben Sie den Posten als Landtagspräsident mit Wehmut auf?
Sepp Noggler: Mah, Wehmut. Ich habe mich hineingearbeitet. Denn ich konnte mir ursprünglich nicht vorstellen, was da auf mich zukommt. Es ist dann doch gelungen, eine gute Arbeit zu machen. Ich hätte kein Problem damit gehabt, diese Präsidentschaft bis zum Ende der Legislatur weiterzuführen. Aber es war aufgrund des Autonomiestatutes von vornherein vorgesehen, dass meine Präsidentschaft nur eine halbe Legislaturperiode lang geht. Somit ist das ok.

Vinschgerwind: Viel Lob für Ihre Art den Landtag zu führen kam aus der Opposition. Die Opposition hat Sie dann aber doch nicht zum Vize gewählt. Und es gab im ersten Wahlgang auch zwei Heckenschützen aus der Mehrheit. Erklären Sie uns die Bozner Polit-Zustände?
Sepp Noggler: Das ist die Politik. Das Lob ist auch mit Vorsicht zu genießen. Aber es hat mich nicht nur die Opposition sondern auch der Sprecher der Volkspartei und die Lega gelobt. Es ist fast schon ungemütlich geworden, weil man es nicht gewohnt ist, so gelobt zu werden. Klar hat die Opposition einen eigenen Kandidaten aufgestellt und musste den natürlich auch wählen. Hätte die Opposition ihre Kandidatin nicht gewählt, wäre das wohl das größere Problem gewesen, als das Problem, dass ein Italiener aus der Mehrheit die Namen Noggler und Locher verwechselt hat. Eine Stimme hat dann letztlich gefehlt. Aber kein Problem.

Vinschgerwind: Der Grüne Riccardo Dello Sbarba hat gesagt: „Vielleicht muss man ein Anarchist aus dem Vinschgau sein, um einen solchen Sinn für Humor zu haben und zu wissen, wann man ihn einsetzen muss.“ Sie hätten mit Ihrem Humor an Zeit und an Vernunft gewonnen.
Sepp Noggler: Ach, den Dello Sbarba kenne ich schon lange. Wir haben die Debatte um die Energiegeschichte oft gemeinsam geführt. Er war in seiner ersten Periode Landtagspräsident und hat mit seiner Erfahrung mir des Öfteren die Geschäftsordnung des Landtages näher bringen wollen. Ich habe ihm dann meistens andere Antworten gegeben. Aber wir sind dann gut ausgekommen.

Vinschgerwind: Wenn Sie ihre Ihre Präsidentschaft Revue passieren lassen, was waren Ihre bemerkenswertesten Momente?
Sepp Noggler: Es hat einmal einen Moment gegeben, wo ich mich gefragt habe, was tue ich jetzt. Das war, als die Opposition geschlossen den Saal verlassen hat. Soll ich jetzt weitermachen, soll ich die Sitzung unterbrechen.
Vinschgerwind: Was war da los?
Sepp Noggler: Der Ploner Franz hat die Redezeit nicht einhalten wollen. Natürlich wissen die Neuen nicht, wie viel Zeit sie zur Verfügung haben. Es handelte sich damals um die Gegnerschaft zu Landesrat Thomas Widmann. Es herrschte zu Beginn der Coronazeit eine gewisse Nervosität im Landtag. Ich habe dem Ploner Franz zum Fortgang der Arbeiten nicht das Wort erteilt. Dass ich den Ploner Franz nicht weiterreden habe lassen, weil die Geschäftsordnung das so vorgesehen hat, das hat die Opposition nicht akzeptiert. Wenn man nicht auf die Geschäftsordnung pocht, hat man den Laden bald nicht mehr im Griff. Da ist Opposition verflucht geworden und hat geschlossen den Saal verlassen. Es wäre möglich gewesen, die Sitzung weiterzuführen. Ausschließlich mit SVP und Lega. Aber ich habe dann die Sitzung unterbrochen. Das waren solche Momente, wo ich mich gefragt habe, durchziehen und somit sagen, ich bin der Starke oder nachgeben und unterbrechen. Diese Entscheidung hatte allein ich als Landtagspräsident zu fällen.

Vinschgerwind: Viel Kritik hat Ihnen eingebracht, als Sie als Vizepräsident des Regionalrates ausgerechnet mitten in der Covid-Zeit die Nachzahlungen der Regionalratsabgeordneten – den Inflationsausgleich der vergangenen 7 Jahre - ins Spiel gebracht haben.
Sepp Noggler: Logisch. Das ist ja noch nicht vorbei. Die Nachzahlungen hätten bereits seit 2012 gemacht werden sollen. Die bisherigen Regionalratspräsidenten und -vizepräsidenten haben das vor sich hergeschoben. Mittlerweile haben uns die Altmandatare geklagt, weil dieses Geld zurückbehalten wird. Das Gesetz sieht die Auszahlung vor. Das Gutachten der Staatsadvokatur sagt auch, dass das Geld auszuzahlen ist. Somit gibt es keinen Grund, das Geld zurückzuhalten. Die Inflationsangleichung an die Renten ist vor gut einem Jahr gemacht worden. Aber die ehemaligen Abgeordneten, die noch nicht in Rente sind, sind die Leidtragenden. Das Geld muss ausbezahlt werden. Pandemie hin, Pandemie her. Es geht um 200 Euro netto monatlich. Es braucht dafür nur ein unterschriebenes Dekret des Regionalratspräsidenten für die Auszahlung.

Vinschgerwind: Weil der Sepp Noggler nun mehr Zeit für die parlamentarische Arbeit hat, werden Sie wohl einige Vinschger Themen in die Hand nehmen. Nationalpark Stilfserjoch? Oder die möglichen Eisenbahnverbindungen? Oder mögliche Änderungen zum Gewässerschutzplan? Ihre Vorschläge?
Sepp Noggler: Das hört sich so an, als ob ich diese Themen nicht in Angriff genommen hätte. Ich hatte bisher als Landtagspräsident mehr Möglichkeiten gehabt, weil ich die ganze Struktur, wie das Rechtsamt usw., hinter mir gehabt habe. Ich habe viel für den Vinschgau durchgebracht, wenn auch viele Anträge nicht alle meinen Namen getragen haben. Ich bin ja nicht Mitglied der Gesetzgebungskommission.

Vinschgerwind: Welche Themen zum Beispiel?
Sepp Noggler: Jede Menge. Aktuell diskutieren wir die Einstufungen im Raumordnungsgesetz. Das klingt zwar technisch, ist aber für Bauwerber von großer Bedeutung. Derzeit ist es so, dass bei Abriss und Wiederaufbau die Einstufung in der Kategorie E erfolgt. Als ob es ein Neubau wäre. Das hat zur Folge, dass die 22 Prozent Mehrwertsteuer zu bezahlen sind. Wenn aber Abriss und Neubau in die Kategorie D eingestuft würden, dann zahlt man 10 bzw. 4 Prozent Mehrwertsteuer. Zudem hat man die Möglichkeit für den Superbonus anzusuchen. Das hat man in der Kategorie E eben nicht. Das ist ein Änderungsantrag zum Raumordnungsgesetz. Ich habe diesen Antrag an Helmuth Tauber weitergeleitet, weil er Mitglied des Gesetzgebungsausschusses ist. Ich kann diese Änderung nicht einbringen, weil ich als Landtagspräsident eben nicht Mitglied des Gesetzgebungsausschusses bin. Auch im landwirtschaftlichen Bereich, was das Höfegesetz anbelangt, was Abänderung von Kubaturen usw. scheint mein Name nicht auf. Das kann sich in Zukunft ändern.
Vinschgerwind: Haben Sie die Themen, Nationalpark oder Eisenbahn oder anderes auf dem Schirm?
Sepp Noggler: Das sind die großen Themen, die in erster Linie vom SVP Bezirk Vinschgau verfolgt werden. Es gibt regelmäßigen Austausch mit dem Landeshauptmann, mit den zuständigen Landesräten. Diese Themen betreut der SVP-Bezirksobmann Albrecht Plangger. Etwa auch die Schnellbusverbindung Mals-Landeck. Seit der Vinschgerzug in Betrieb ist, also seit 2005 ist das ein Anliegen. Es gab bisher kein Einlenken auf österreichischer Seite. Nun könnte es mit dem neuen Fahrplan gelingen. Da scheint nie mein Name auf. Etwa bei der Flugrettung auch, bei der Stationierung des Rettungshubschraubers in Laas. In der letzten Legislatur hatte ich mit der zuständigen Landesrätin Martha Stocker diesbezüglich einige Hick-Hacks. Mit Landesrat Thomas Widman ist es dann rasch gegangen. Mir geht es nicht darum, dass mein Name draufsteht, sondern dass umgesetzt wird, was notwendig ist und was es braucht. Beim Thema Zug bin ich dabei, seit ich in Mals BM geworden bin.

Vinschgerwind: Wo brennt’s im Vinschgau Ihrer Meinung nach am meisten? Wo ist Handlungsbedarf?
Sepp Noggler: Momentan ist aufgrund der Corona-Geschichte in vielen Orten Handlungsbedarf. In der Gastronomie etwa wird man sich Gedanken machen müssen, wie es weitergeht. Es wird einige Betriebe geben, die Probleme haben werden. Auch in der Landwirtschaft ist eine Entwicklung im Gange in Richtung Vermarktung lokaler Produkte.

Vinschgerwind: Bleiben wir bei der Landwirtschaft: Sie sind Bauernvertreter. Ihr Kollege Schuler ist Bauern-Landesrat. Macht Schuler alles richtig?
Sepp Noggler: Alles richtig macht niemand. Schuler bemüht sich. Ein Hauptproblem in der Berglandwirtschaft sind der Wolf und der Bär und in diesem Bereich sind ihm die Hände gebunden. Die Situation in Brüssel bzw. in Rom ist, dass der Schutzstatus nicht wegzubekommen ist. Schuler versucht auch Akzente zwischen Landwirtschaft und Tourismus zu setzen. Das geht aber nicht so schnell, das ist eine Entwicklung. Also Schuler macht nicht alles richtig, aber er bemüht sich.

Vinschgerwind: : Ein Blick aus Ihrer Optik auf den Landeshauptmann: Wie beurteilen Sie die Arbeit von LH Arno Kompatscher und nimmt der LH die Vinschger Themen ernst?
Sepp Noggler: Der LH ist ein intelligenter Mensch und er weiß, was er macht. Zurzeit hat er es nicht leicht, im Gegenteil. Weil man bestimmte Entscheidungen in der Coronakrise oft nicht nachvollziehen kann. Ich habe das Gefühl, dass der LH die Vinschger Problemtiken ernst nimmt, auch weil wir ihn ständig darauf hinweisen. Wenn man aber die Bezirke vergleicht, wo Tätigkeiten geplant und in Angriff genommen werden, dann ist der Vinschgau nicht an vorderster Front. Die Probleme und die Projekte, die wir gelöst haben wollen, werden auf die lange Bank geschoben.
Vinschgerwind: Machen Sie ein Beispiel.
Sepp Noggler: Die ganze Jochgeschichte, die Entwicklung dort, die Stilfserjochstraße, der gesamte Nationalpark, die Geschichte der Weißkugelhütte. Überall werden die Hütten saniert, die Weißkugelhütte bleibt stecken. Man hat mir versprochen, dass im Laufe der Legislaturperiode etwas passieren soll. Oft fällt es schon schwer, wenn man sieht, dass im ganzen Land Maßnahmen ergriffen werden, die im Vinschgau auch notwendig wären, aber hier aufgeschoben werden.
Vinschgerwind: Aus dem Vinschgau kommt kaum Druck in Richtung Bozen?
Sepp Noggler: Es sind die Bürgermeister, die da teilhaben müssten. Etwa bei der Thematik rund um die Trockenzonen. Ich habe dem Bezirkspräsidenten gesagt, dass da die Bürgermeister den Schritt nach vorne machen müssten. Das haben wir früher auch gemacht. Wenn die Verwalter im Bezirk wissen, dass es bei den Trockenzonen andere Maßnahmen braucht, müssen sie das proaktiv betreiben. Unsere Unterstützung haben sie. Es hilft nichts, wenn Albrecht Plangger und ich immer mit den gleichen Geschichten in Bozen aufkreuzen und die Bürgermeister rühren sich nicht. Etwa auch beim Heim für die Sportoberschule in Mals. Ich weiß nicht, wie oft ich das in Bozen schon angemahnt habe. Und es passiert nicht. Das ist schon etwas deprimierend.

Vinschgerwind: Was ärgert Sie politisch am meisten, wenn Sie sich in Ihrer Heimatgemeinde Mals umsehen?
Sepp Noggler: Da ärgert mich gar nichts. Ich habe keine Zuständigkeiten, weder in Vereinen noch in Verbänden. Da ärgert mich gar nichts.

Interview: Erwin Bernhart

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