„Wos iatz nou kimmt, isch olz guat…“

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Roland Ruepp, geb. 1965, Schluderns.  Seine Sportmöglichkeiten sind derzeit durch die Coronakrise eingeschränkt. Roland Ruepp, geb. 1965, Schluderns. Seine Sportmöglichkeiten sind derzeit durch die Coronakrise eingeschränkt.

Roland Ruepp hat bei den Paralympics 2002 in Salt Lake City zweimal Gold und einmal Bronze gewonnen. Er wurde vom Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi mit der Auszeichnung „Commendatore al merito sportivo“ dekoriert. Und er speiste neben Premier Silvio Berlusconi am Tisch.

von Magdalena Dietl Sapelza

Rolands Leben veränderte sich von einer Sekunde auf die andere am Nachmittag des 19. August 1990. Als leidenschaftlicher Bergsteiger versuchte er ungesichert die neue Kletter-Übungswand nahe der Sesvennahütte zu erklimmen. Er hatte die Höhe schon fast erreicht, als er merkte, dass er dem Rand der Wand zu nahe gekommen war. Er wollte sich abdrehen. Als er sich an einem Felsvorsprung festkrallte, löste sich der Stein und Roland fiel zehn Meter in die Tiefe –kerzengerade einem Senkel gleich. „Miar hots zommgstaucht“, erklärt er.
„I hon di Fiaß nimmer gspürt unt hon schnell gwisst, dass in nimmer gean konn“. Seine Freundin Rosi, die das Ganze beobachtet hatte, rief verzweifelt um Hilfe. Sofort eilten der Hüttenwirt und andere Helfer herbei. Die Schmerzen waren unerträglich und Roland verlor das Bewusstsein. Erst im Krankenhaus Bozen kam er zu sich. Nach der Erstversorgung wurde er in einer Spezialklinik in Verona sofort operiert. Sein Rückenmark war nicht vollständig durchtrennt und konnte mit einer Schiene fixiert werden. Tage später war Roland mit der Diagnose „Inkomplette Querschnittlähmung“ konfrontiert. Er hielt sich am Wort „inkomplett“ fest und entschied zu kämpfen.
Bereits im September begann er mit der Therapie in Bad Häring. Sein Ziel war, die Fortbewegung mit Krücken zu erreichen. Rund 300 Meter könne er schaffen, das sei in seiner Situation realistisch. Das habe ihm sein Therapeut gesagt, erinnert sich Roland. Einen Rollstuhl würde er allerdings immer benötigen. Roland legte sich verbissen ins Zeug und konnte schon bald erste Schritte setzen. Viele Gedanken kreisten in seinem Kopf. Wie würde es weitergehen? Den Beruf als Elektriker kann er nie mehr ausüben, das war ihm klar. Seine Freundin besuchte ihn regelmäßig, genauso wie seine Mutter und seine vier Geschwister. Das gab ihm Halt. Die Familie sorgte auch für einen behindertengerechten Umbau seiner Wohnung. Nach der Rückkehr hatte Roland Mühe, sich zurecht zu finden. Mit seiner Einschränkung musste er erst leben lernen. Hilfreich war, dass er wenige Schritte mit Krücken machen konnte. Er übte und übte. „I bin schun poll weiter gongen, als miar der Therapeut prophezeit hot“, meint er. Doch der Rollstuhl blieb sein Begleiter. Auf Anregung eines Sozialbetreuer begann er mit sportlicher Betätigung. Zuerst drehte er seine Runden im einfachen Rollstuhl, dann in einem Sportrollstuhl. Er schloss sich einer Behindertensportgruppe an. Bei der Europameisterschaft 1993 in Deutschland hatte er seinen ersten großen Auftritt. Es lief jedoch enttäuschend, denn er beendete das Rennen als Vorletzter. Doch er ließ sich nicht entmutigen, trainierte entschlossen weiter. Wann immer sich die Gelegenheit bot, bestritt er Rennen im Langlauf und bald auch im Biathlon. Immer bessere Ergebnisse gaben ihm Auftrieb. „I hon miar olm a nuis Ziel gsetzt, sel isch mai Motivation gweesn“, erklärt er. Seine Freundin Rosi stand nach wie vor hinter ihm. 1994 wurde sie seine Frau und später die Mutter seiner zwei Kinder.
2002 ging er bei den Paralympics in Salt Lake City an den Start. Sein Olympia Debüt begann mit dem Biathlon-Bewerb. Auf Anhieb erreichte er den dritten Platz. Vom Druck befreit dachte er: „Wos iatz nou kimmt, isch olz guat, denn i hon mai Medaille.“ Als dann noch zwei Goldmedaillen in 5 und 10 Km Langlauf dazukamen, konnte er sein Glück kaum fassen. Roland wurde nicht nur daheim in Schluderns und bei Sportlergalas in Südtirol gefeiert, sondern er erhielt auch eine Einladung nach Rom in den Quirinal Palast. Dort ernannte ihn der Staatspräsident Ciampi zum „Commendatore al merito sportivo“. Anschließend genoss er ein Festessen neben Silvio Berlusconi am Tisch. Den Premier empfand Roland als sehr humorvoll und charismatisch. Ein hoher Sportfunktionär dekorierte ihn auch noch mit den CONI - Stern in Gold. „Olz viel Ehre, ober bei der Rente hon i nou nia nicht gspürt“, lacht er.
Dem Sport ist Roland bis heute treu geblieben. Auf dem Langlaufschlitten ist er im Winter unterwegs und mit dem Handbike im Sommer.
Er ist Vorstandsmitglied in der Sportgruppe für Körperbehinderte Südtirols und Sektionsleiter für Wintersport.
Roland liebt die Geselligkeit. Er ist um keinen Spaß verlegen. Ein Schmunzeln entlocken ihm jene, die ihn ironisch darauf aufmerksam machen, dass er den höchsten Titel in Schluderns trage, sogar den höheren als der Graf. Wichtiger als alle Titel ist ihm heute seine Gesundheit. Roland bemüht sich beweglich zu bleiben. Hie und da denkt er an seinen Sturz zurück und überlegt, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er nicht in die Wand gestiegen wäre.

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