Val Müstair ist für die Biosfera

geschrieben von
David Spinnler ist seit Juni 2018 Geschäftsführer des Naturparkes Biosfera Val Müstair. Die Münstertaler haben sich für weitere 10 Jahre Biosefera ausgesprochen David Spinnler ist seit Juni 2018 Geschäftsführer des Naturparkes Biosfera Val Müstair. Die Münstertaler haben sich für weitere 10 Jahre Biosefera ausgesprochen

Val Müstair - Seit David Spinnler Geschäftsführer des Naturparks Biosfera Val Müstair ist, laufen die Uhren im benachbarten Val Müstair wieder in Richtung Biosfera. Sichtbar wurde dies bei der Gemeindenversammlung am 8. Jänner in Müstair. Mit 273 Ja, einer Enthaltung und einer Gegenstimme wurde die neue Charta zum Naturpark Biosfera Val Müstair gutgeheißen.

von Erwin Bernhart

Der Naturpark Biosfera Val Müstair war vor drei Jahren dem Tod näher als dem Leben. Man wollte aufgeben, zu groß waren die Differenzen, die Meinungen gingen auseinander. Die Biosfera, 2011 mit dem Label regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung versehen, kam nicht in die Gänge, die Ideen waren nicht recht sichtbar. Damals hieß der Geschäftsführer Ulf Zimmermann. Zimmermann blieb nur ein Jahr im Val Müstair, dann schmiss er 2017 hin. Vom Bund und vom Kanton Graubünden kam die Rüge, man möge doch Ordnung in die Führung und in die Richtung der Biosfera bringen. Auch in der für die Biosfera zuständigen Kommission, deren Mitglieder sich in der Vergangenheit für die Biosfera engagiert hatten, herrschte Resignation.
Mit dem Wechsel in der Gemeindenstube, mit dem Antritt von Rico Lamprecht als Gemeindenvorstand, mit seinem neuen Team, kam auch ein Umdenken. Ein Masterplan für die Gemeinde Val Müstair solle die Frage beantworten, wohin sich das abgelegene Tal hinentwickeln soll. Und zwar inklusive Naturpark Biosfera. Vielleicht war das der entscheidende Wiederbelebungsversuch in der Biosfera-Diskussion. Derweil wurde die Stelle des Geschäftsführers nur interimsmäßig besetzt, eine Ausschreibung dieser Stelle wurde vom Kanton untersagt. Tom Gurtner, der ehemalige Geschäftsführer des Naturparks Gantrisch, fiel die Aufgabe zu, die Biosfera interimsmäßig zu leiten. Gurtner hat die Biosfera-Strukturen durchleuchtet und neu aufgestellt.
In den Gesprächen, in den rund 40 Interviews mit maßgeblichen Interessensvertretern im Tal ist herausgekommen, dass die Biosfera an sich eine gute Sache sei.
Das Signal, das Bekenntnis zur Biosfera, erreichte auch die Verantwortlichen im Kanton und im Bund. Eine Ausschreibung der Geschäftsführerstelle erhielt grünes Licht. Tom Gurtner wollte allerdings nicht weitermachen.
Auf die Stelle beworben hat sich dann David Spinnler, der seit Juni 2018 als Geschäftsführer des Naturparks Biosfera Val Müstair aktiv ist. Mit ihm kam ein gebürtiger Münstertaler ins Tal zurück. Sein Vater Peter Spinnler war 30 Jahre lang Arzt im Ospidal Val Müstair. David Spinnler, der Philosophie, Geschichte und romanische Sprachen studiert hat, erweist sich bald als zweiter Wiederbeleber der Biosfera. Spinnler sagt: „Die Geburtsphase des Naturparks Biosfera Val Müstair hat halt ein bisschen länger gedauert.“
Zentrales Element eines Naturparks und ein Wert an sich sei die Natur und die Landschaft. Aber vor allem erweist sich der Naturpark als starkes Regionalentwicklungselement, sagt Spinnler. Will man das Ganze auf Nachhaltigkeit ausrichten, dann sind Natur und Landschaft ein Bereich, die Wirtschaft ist ein Bereich, die Gesellschaft ist der dritte Bereich. Alle Bereiche sind gleichwertig. Als Biosfera werden Projekte in allen drei Bereichen entwickelt, in eine nachhaltige Richtung.
„Wenn wir Regionalprodukte herstellen und verarbeiten, dann ist das nachhaltig“, sagt Spinnler. Die neue Käserei sei etwas Nachhaltiges: das im Tal gewonnene Rohprodukt Milch wird in der Käserei verarbeitet und die Produkte dann verkauft. Die Wertschöpfung bleibt so im Tal.
Solche Projekte sind die Zukunft. Im Tourismus etwa. „Wir suchen Gäste, die die intakte Natur suchen“, sagt Spinnler. Ob man denn den Ausbau des Skigebietes Minschuns in diese Richtung einbinden könne?
Es habe tatsächlich Einsprachen gegen das Ressort „La Sassa“ von Naturschutzorganisationen gegeben. „Diese Einsprachen haben mit dem Naturpark nichts zu tun“, wehrt sich Spinnler gegen Vorwürfe im Tal, dass der Naturpark gegen „La Sassa“ und gegen die neue Bahn sei.
Der Naturpark sei für alle touristische Player da. Nicht für Einzelne. Wir machen die touristische Angebotsentwicklung. Was allerdings im Zusammenhang mit „La Sassa“ und mit dem geplanten Lift von Tschierv nach Minschuns falsch gemacht worden ist, sagt Spinnler, ist, dass man nicht von Anfang an an einem Tisch gesessen sei. Das hätte man 2013 oder 2014 machen müssen. Im Masterplan der Gemeinde Val Müstair sei deshalb enthalten, dass größere Projekte, das kann ein Hotel sein oder ein großer Handwerksbetrieb usw., einer Nachhaltigkeitsprüfung unterzogen werden solle. Diese Instrumente gebe es bereits auf kantonaler Ebene. Mit anderen Worten, so Spinnler, könne eine gute Idee in die Nachhaltigkeitsphilosophie des Naturparkes eingeflochten werden. „Damit würden wir kein Projekt verhindert, sondern Projekte verstärken“, sagt Spinnler, „wir sind als Region nur stark, wenn wir uns klar in Richtung Nachhaltigkeit positionieren. Wir wollen damit bekannt sein, dass man sagt, im Val Müstair legt man Wert auf Nachhaltigkeit, die haben gute Projekte, das interessiert mich, da will ich hin.“ Spinnler glaubt, dass es genügend Leute in den Zentren in Zürich, in St. Gallen usw. gibt, die das schätzen. „Dann werden wir auch wirtschaftlich Erfolg haben.“ Spinnler sagt, man habe sich in der Geburtsphase der Biosfera zu wenig klar positioniert. Das Problem war, dass die Bevölkerung nicht mitgegangen sei.
Aldo Pitsch, von der Gemeinde Val Müstair als Koordinator für das Projekt „La Sassa - Minschuns“ ernannt, lobt den Naturpark. Der sei nun personell gut aufgestellt und mit finanziellen Mitteln etwa doppelt so gut ausgestattet wie in den vergangenen 10 Jahren. Den Naturpark sieht Pitsch durchaus als Chance. Vor allem im ersten Sektor, in der Landwirtschaft, bewege der Naturpark vieles. Allerdings, so Pitsch, finden sich in diesem Sektor laut Managementplan der Gemeinde Val Müstair nur rund 12 Prozent der Arbeitsplätze im Val Müstair. Im Sektor zwei, in der Industrie und im Gewerbe, seien es 31 Prozent und im Tourismus und in den Dienstleistungen 58 Prozent der Arbeitsplätze. „Aus meiner Sicht sind diese zwei Sektoren zu wenig im Fokus“, sagt Pitsch dem Vinschgerwind, und: „Wir sind eine wirtschaftsschwache Region, im Schweizer Regionen-Ranking auf einem der hintersten Plätzen. Da wäre es notwendig, wenn die Ökonomie, die Sicherung und Schaffung von nachhaltigen Arbeitsplätzen, mehr berücksichtigt würde.“ Aldo Pitsch sagt, dass sich das Projekt „La Sassa Minschuns“ gegen die drohende Entvölkerung im Tal richte, dass qualifizierte Arbeitsplätze entstehen würden. Die Wertschöpfung im Tal sei wichtig. Das Projekt sei vom Bundesamt für Umwelt als Gesamtkonzept definiert worden und es sei als mit dem Naturpark durchaus kompatibles Projekt bezeichnet worden. „Zwischen Ideologie und Ökonomie muss ein Bezug sein“, sagt Pitsch. Man hätte sich erwarten können, dass das Projekt „La Sassa“ in der Naturpark-Charta einen angemessenen Niederschlag gefunden hätte. Vor allem auch, weil das Projekt im Tal von einer breiten Mehrheit getragen werde. Pitsch sagt, er habe trotzdem für die Charta und damit für den Naturpark Biosfera Val Müstair gestimmt.

Mit der Genehmigung der neuen Charta für den Naturpark Biosfera Val Müstair bei der Gemeindeversammlung am 8. Jänner 2020 hat die Bevölkerung ein klares Bekenntnis abgegeben. Damit wird eine neue zehnjährige Betriebsphase des Parks eingeläutet. Noch steht die Genehmigung aus Chur und aus Bern aus, aber Spinnler rechnet fest damit, so dass mit dem 1.1.2021 mit dem Label „regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung“ durchgestartet werden kann.
Mit einem Budget von 1,5 Millionen Franken pro Jahr (1,2 Millionen kommen vom Bund und vom Kanton und 240.000 Franken zahlt die Gemeinde Val Müstair pro Jahr) arbeitet die Verwaltung des Naturparkes. „Das Gemeindebudget ist von der Bevölkerung verabschiedet und ist ein starkes Signal in Richtung Naturpark“, freut sich Spinnler. Andere Naturparke in der Schweiz werden von den jeweiligen Gemeinden weniger bezuschusst.
Wie wurde die Bevölkerung für den Naturpark sensibilisiert, so dass eine derart große Mehrheit von 99% für die Charta gestimmt hat? Spinnler stellt sich vor seine Mannschaft, vor das 9-köpfige Naturpark-Team. Alle haben sich um Kontakte mit den verschiedenen Interessensgruppen bemüht, mit den Hoteliers, mit den Gewerbetreibenden, mit der Schule, mit Kulturtreibenden usw.

Im vergangenen Jahr hat man den „Food Trail“ ins Leben gerufen. Da wurden verschiedene touristische Player mit lokalen Produzenten wie die Bäckerei und die Käserei miteinander verzahnt und die Gäste haben in Form einer Schnitzeljagd Informationen über das Korn im Val Müstair erfahren und die Gäste konnten lokale Produkte verkosten. 500 Leute haben dieses Angebot zwischen Juli und Oktober in Anspruch genommen. „Das ist sehr viel für das kleine Tal“, sagt Spinnler. Und obwohl das Angebot mit 50 Franken recht teuer war, waren auch viele Südtiroler davon begeistert.

Im Bereich Landwirtschaft wurde mit dem Regionalentwicklungsprojekt die Käserei verwirklicht. Hinzu kommen sollen noch ein Schlachthof und ein Kornspeicher. Milch, Fleisch und Korn - das sind die drei wichtigen Aspekte, die im Val Müstair das landwirtschaftliche Fundament bilden.
„Wir haben den Aufbau des Marketings für die Käserei und für die Agriculura Val Müstair unterstützen können“, sagt Spinnler. Der Start muss gut gelingen, dann müsse es sich selbst tragen.
Für den Kornspeicher hat der Naturpark einen Kostenvoranschlag eingeholt und hilft dabei, Finanzierungsquellen zu suchen.

Gelesen 4001 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.