Noch vor etwa 20 Jahren war das Siegesdenkmal von einem schützenden Zaun umgeben, war also nicht betretbar. Zu oft hatte man versucht, das ungeliebte Ding zu sprengen oder zu beschmieren.
Das war keineswegs die Absicht des aus Bayern stammenden Künstlers Peter Sauerer. Er fand den Marmortempel anregend und hat schon vor etwa 20 Jahren begonnen, das Denkmal zu schnitzen. Liebevoll zerlegt in kleine, durchbohrte Holzteile, konnte man das Gebilde mit Fäden straff anziehen oder auch wieder in sich zurücksinken lassen. Fast so wie die kämpfenden Ritter im Puppentheater; und ein Spiel sollte es ja auch sein.
Begeistert haben einflussreiche Südtiroler dieses Kunstwerk erworben, privat oder für ihre Kanzlei. Es gibt davon mehrere Exemplare, allerdings sind sie ziemlich teuer. Jetzt konnte man das ungeliebte Denkmal versenken, ohne von der Polizei verfolgt zu werden. Und wieder auferstehen lassen.
Hier an diesem Platz, wo jetzt das Denkmal auf einer Anhörung steht, wurde 1917 mit dem Bau eines Kriegerdenkmals für die Kaiserjäger begonnen. Es wurde aber 1926 auf Befehl Mussolinis abgetragen; an seiner Stelle wurde nach Plänen des Architekten Marcello Piacentini das heutige Siegesdenkmal errichtet, gegen den Willen der Südtiroler und Bozner Bevölkerung. Sie wurden gar nicht gefragt. Sie durften sich nur ärgern, bis auf den heutigen Tag.
Seit dem Montag, 21. Juli 2014, ist das Denkmal wieder zugänglich ist, ergänzt durch ein großes Zentrum für historische Dokumentation in der Krypta, im unvermutet großen Unterbau. Das Denkmal selbst, das ewige Ärgernis, das übrigens von Hitler und vielen Nationalsozialisten sehr bewundert wurde, blieb unverändert, trägt nur an einer Säule eine Leuchtschrift mit dem Hinweis „BZ 1918- 1945“.
Wir reden also über das Denkmal, über die Informationsräume im Keller und darüber, dass die leidvolle faschistische Provokation eigentlich nur satirisch bewältigt werden kann. Und da die meisten Italiener - und auch andere Verehrer des Heroischen - dieses Denkmal für schön finden, kann man sich eigentlich nur ironisch äußern. Sehr frech und bissig hat sich in diesem Sinne H.P. Demetz in einer Karikatur der Zeitschrift FF vom 24. Juli gemeldet, wobei er die Säulenbündel, also die „Fasci“, als Spaghetti-Packtlen bezeichnet und die herausragenden Beile als Kochlöffel. Und da es den Italienern vor allem ums Essen geht - immer nach H.P. Demetz - sind die noch leerstehenden Nischen vorgesehen für die Büsten berühmter Südtiroler Hauben-Köche. Also eine Bewältigung der Geschichte und Versöhnung über das Essen. In diesem Sinne wurde dann auch der Vorschlag gemacht, das ganze unter dem Titel „Lo Strudel della Vittoria“ laufen zu lassen.
Der Strudel ist nämlich eine auch in Italien geschätzte Süßspeise, ist international und kommt aus dem alten Österreich. Versöhnung also mit den Kaiserjägern, die den italienischen Helden weichen mussten. Architektonisch gesehen ist der Strudel zu sehen im Querbalken des Denkmals, im Architrav, dort, wo die Siegesgöttin den Pfeil gegen Norden abschießt, mit dem Anspruch, dass von hier aus die anderen - das sind also wir und alle Deutschsprachigen, vielleicht auch die Ladiner - kultiviert wurden: durch Sprache, Gesetze und Künste. Oder lateinisch: HINC CETEROS EXCOLUIMUS LINGUA LEGIBUS ARTIBUS.
Besonders überzeugend der Anspruch, durch Gesetze auf die übrige Welt befruchtend gewirkt zu haben … das mag historisch stimmen, aber sicherlich wird damit nicht das heute überall um sich greifende „Mafiarecht“ gemeint sein.
Dazu noch ein Vorschlag, an dem auch die Gastronomie Gefallen finden dürfte. Es soll ein Wettbewerb gemacht werden, um festzustellen welcher Konditor das Siegesdenkmal am besten in Teig und Marmelade - möglichst serienmäßig - formen kann; auch Hausfrauen und Männer sind zugelassen. Dann kann durch geschichtsbewusstes Gastgewerbe das Siegesdenkmal in Kuchenform zum Frühstück gereicht werden. Als friedensfördender Gugelhupf.
Ich sehe schon historisch Ergrimmte den Zuckerguss und Kuchen zerschneiden. Säule für Säule zerlegend, den nackten Siegesengel genüsslich zerteilend, wie ein Brathuhn. Rache ist süß … die helmtragenden Mussoliniköpfe schmecken besonders gut, wie Rosinen im Teig.
Also bleiben wir beim Essen, beim Marmorkuchen, bei den Spaghetti, bei all den Dingen, die Gemeinschaft schaffen. Ziehen wir die Fäden an! Der Faschismus soll dienend seine Sünden büßen, indem er etwas Kaiserliches tragen muss, einen köstlichen Strudel.
Hans Wielander
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