Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Matthias, 24. Februar 2025
Im abgelaufenen Monat Februar ist der (erste) Situationsbericht zu den Großraubtieren in Südtirol veröffentlicht worden. Die Zuständigkeit für das Monitoring der Großraubtiere (Wolf, Bär, Goldschakal und Luchs) in der Autonomen Provinz Bozen liegt bei der Abteilung Forstwirtschaft, wobei das Amt für Wildtiermanagement die Koordinierung, Auswertung und Berichtlegung übernimmt. Das operative Monitoring wird von den einzelnen Forststationen in Zusammenarbeit mit den hauptberuflichen Jagdaufsehern und Freiwilligen durchgeführt.
Zwei Formen des Monitorings
Vom Methodischen werden bei der Überwachung der Großraubtiere in Südtirol grundsätzlich zwei Formen unterschieden:
1. das opportunistische Monitoring
2. das systematische Monitoring
Das opportunistische Monitoring umfasst die zufällige Sammlung von Nachweisen, wie von Rissen von Nutz- und Wildtieren, Losung, Spuren, Haaren oder Sichtungen (Direktsichtungen, Fotos, Videos). Dieses Monitoring erfolgt aufgrund von Meldungen. Es erfolgen Verifizierungen und die Archivierung der Daten in der provinzeigenen Datenbank.
Das systematische Monitoring des Wolfes wird während der Wintermonate in regelmäßigen Abständen nach einer standardisierten Methode durchgeführt. Die Schneedecke erleichtert das Auffinden von Spuren und biologischem Probenmaterial. Das Monitoring des Goldschakals (Canis aureus) erfolgt im Rahmen der Monitoring-Aktivitäten zum Wolf. Das systematische Monitoring des Braunbären wird in den Frühlings- und Sommermonaten durchgeführt. Der Bär ist ja ein Winterschläfer. Für das systematische Bären-Monitoring werden Haarfallen aufgestellt, welche systematisch im potentiellen Bärengebiet verteilt sind.
Die Analyse der gesammelten genetischen Proben ermöglicht es, die Mindestanzahl der Individuen einer Tierart zu bestimmen. Das genetische Monitoring spielt bei der Erhebung sämtlicher Wildarten und vor allem auch des Großraubwildes eine immer größere Rolle. Durch die Analyse von DNA-Proben ist es zunächst möglich, im so genannten „Haplotyp“ die Tierart und die Herkunftspopulation des Tieres zu bestimmen. Dann kann die Probe auch Aufschluss über ein einzelnes Individuum geben (Genotyp). Ebenso können eventuelle Hybridisierungen nachgewiesen werden. Die Analyse der DNA-Proben von Großraubtieren in Südtirol werden in den Laboren der Stiftung Edmund Mach (FEM) in San Michele
all´ Adige durchgeführt. Aufwand und Zeitbedarf für die genetischen Analysen sind auch der Grund, warum die Berichte zu den Großraubtieren nicht in Echtzeit, sondern mit einer bestimmten zeitlichen Verzögerung veröffentlicht werden.
Einteilung der Nachweise
Die einzelnen Nachweise und Proben werden in drei verschiedenen Kategorien klassifiziert. Die zwei Zuteilungskriterien zu einer dieser Kategorien sind dabei die Überprüfbarkeit und die Zuverlässigkeit. Die Zuordnung zu einer Kategorie erfolgt anhand von international anerkannten Bewertungsparametern. Die drei Kategorien sind:
• C1 – eindeutiger Nachweis, das sind z.B. Lebendfang, Totfund, genetischer Nachweis, Foto, Ortung mittels Telemetrie);
• C2 – bestätigter Nachweis. Ein von einer erfahrenen Person überprüfter Hinweis (z.B. Spur, Riss), bei dem ein Wolf,
Goldschakal, Luchs oder Braunbär als Verursacher bestätigt werden konnte.
• C3 – unbestätigter Nachweis. In diese Kategorie fallen alle Hinweise, bei denen die Präsenz eines Großraubwildes als Verursacher aufgrund mangelnder Indizien auch von einer erfahrenen Person weder bestätigt, noch ausgeschlossen werden konnte.
Ergebnisse des Monitorings
In der Statistik des Landesberichtes wird zwischen Ereignissen und Nachweisen unterschieden. Beispielsweise können bei einem Ereignis (Nutz- oder Wildtierriss, Sichtung, Transekt-Begehung usw.) mehrere Nachweise (DNA-Probe aus Speichel, Kot, Spuren, Urin oder Haare, Foto usw.) gesammelt werden.
Im Jahr 2022 wurden vom Amt für Wildtiermanagement der Autonomen Provinz Bozen 601 Nachweise von Großraubtieren registriert. Diese gehen auf insgesamt 433 Ereignisse und Beobachtungen von Wölfen (Canis lupus) zurück.
Im Jahr 2023 wurden 656 Einzelnachweise registriert, die auf 470 Ereignisse und Beobachtungen zurückgehen.
Aus den Ergebnissen der genetischen Analysen aller Proben mit biologischem Material, welche gesammelt werden konnten und in der Kombination mit den Fotos, Videos und den direkten Sichtungen konnte für die zwei Berichtsjahre 2022 und 2023 die Präsenz des Wolfes in unserem Land Südtirol aufgezeigt werden. Zur Abbildung der Landeskarte mit den Punkten zur Wolfspräsenz sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die kartographische Darstellung ein Abbild der gesammelten Informationen ist, aber nicht die reale Verbreitung des Wolfes in unserem Land wiedergibt.
Im Jahr 2022 wurden insgesamt 171 biologische Proben analysiert. Dabei ergaben 26,3% (n=45) kein Ergebnis = „0“ oder „negativ“ (d.h. Art nicht nachgewiesen oder Qualität/Quantität des genetischen Materials nicht ausreichend für die Bestimmung). In 73,7% der Fälle (n=126) war es möglich, die Art zu identifizieren. 63,7% der Fälle (n=109) ergaben die Art „Wolf“ (Canis lupus), 7,0% (n=12) „Hund“ und 3,0% (n=5) der analysierten Proben die Art Goldschakal (Canis aureus).
Im Jahr 2023 konnten im Rahmen des durchgeführten Wolfsmonitorings 234 biologische Proben an das genetische Labor versandt werden. 22,2% (n=52) dieser Proben ergaben kein Ergebnis („0“ oder „negativ“), während 77,8% der Proben (n= 182) einer Art zugeordnet werden konnten. In 72,2% der Fälle (n=169) konnte die Art „Wolf“ (Canis lupus) nachgewiesen werden, 4,3% der Fälle (n=10) ergaben die Art Hund (Canis familiaris) und in 1,3% der Fälle (n=3) wurde der Goldschakal (Canis aureus) identifiziert.
Entwicklung der Wolfspopulation in Südtirol
Der erste bestätigte Nachweis eines Wolfes in Südtirol fällt in das Jahr 2010. Das opportunistische Monitoring ermöglicht die Feststellung der Mindestanzahl an Wölfen, die in der Autonomen Provinz Bozen anwesend sind. Gleichzeitig erlauben dieselben Daten eine Abschätzung des lokalen Wolfbestandes. Es muss davon ausgegangen werden, dass durch den Ansatz des opportunistischen Monitorings der lokale Wolfsbestand um mindestens 50% unterschätzt wird. Basierend auf dieser Vermutung und anlehnend an das genetische Monitoring kann im Jahr 2020 von einer Mindestanzahl von mehr als 58 Wölfen ausgegangen werden. Für das Jahr 2023 spricht der Landesbericht von einer Anzahl von mehr als 78 Wölfen, was einem Anstieg von 34,5% zum Referenzjahr entspricht.
Im gesamten Zeitraum der vergangenen 14 Jahre (2011- Mai 2024) konnten 115 verschiedene Individuen genetisch nachgewiesen werden, davon waren 75 Wölfe männliche Individuen (65,2%) und 40 Wölfe weibliche (34,8%) Individuen.
Rudelbildung
Die Ausbildung der ersten Wolfsrudel erfolgte anfänglich entlang der Provinzgrenze zu Trient, im zentralwestlichen Teil der Provinz Bozen. Diese Rudelbildung erfolgte höchstwahrscheinlich im Zeitraum zwischen dem Jahr 2015 und 2016 im Gebiet des Deutschnonsbergs (Oberes Nonstal). Zur Ausweisung und der Bestätigung eines Rudels werden international festgelegte, technische Kriterien herangezogen, die ein Rudel definieren. Im Jahr 2022 konnten auf Provinzebene 5 Rudel und 6 Wolfspaare festgestellt werden, in zwei Gebieten war es nicht möglich ein Paar oder ein Rudel zweifelsfrei zu bestätigen. Im Jahr 2023 konnten wiederum insgesamt 7 Rudel und 4 Wolfspaare festgestellt werden, in weiteren 4 Gebieten war es nicht möglich, ein Paar oder ein Wolfsrudel zweifelsfrei zu bestätigen.
Schadensabgeltung
Der Beschluss der Landesregierung Nr. 415 vom 16. Mai 2023 regelt unter anderem die Entschädigung für Schäden durch geschützte Wildtiere an landwirtschaftlichen Kulturen und an Nutztierbeständen. Die Grundvoraussetzungen für die Entschädigung sind: 1. Umgehende Meldung von fehlenden oder gerissenen Tieren an die zuständige Behörde (Notruf 112). 2. Amtliche Bewertung/Beurteilung der Sachlage bzw. Übergriffe/Risse. 3. Von der Amtsperson bestätigter Riss durch Großraubwild bzw. über Genetik. 4. Im Kausalzusammenhang stehende Verluste werden auch vergütet. Die durch Großraubwild verursachten Schäden in Weideschutzgebieten oder in Gebieten mit Herdenschutz werden zu 100 % entschädigt. Die Richtpreise für die Entschädigung werden jährlich von der Abteilung Landwirtschaft festgelegt.
Im Zeitraum 2010-2023 wurden insgesamt folgende Anzahlen von Wolfrissen an Nutztieren erfasst und gemeldet: Schafrisse 1.540 (davon allein in den letzten drei Jahren 2021-2023: 1.201), Risse von Ziegen: 93, vom Wolf getötete Rinder: 25, Risse an Gehegetieren: 56.
Die Gesamtsumme der anerkannten Schäden durch Wolfrisse betrug im Zeitraum 2010 – 2023 372.773 Euro, die Schadensabgeltung im gleichen Zeitraum ebenfalls 372.773 Euro (davon in den letzten drei Jahren 2021-2023 293.209 Euro).