Spezial-Landwirtschaft: Edler Weinstock

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Werner Schönthaler macht Hanfziegel und zusammen mit seinem Vater Lois einen unverkennbaren Weißen.

Von Maria Raffeiner

 

Wie im Adlerhorst sitzt Werner Schönthaler bei einem Glas Wein auf Castelatsch („Gschlatsch“), seinem Bauernhof über dem Haufendorf Tschengls. Die Glasfront gibt den Blick frei bis nach Burgeis, schräg gegenüber liegt Eyrs. Da kommt der Weißwein her, der goldig im Glas schimmert. Auf dem Gelände der Firma Schönthaler Baustoffe werden bekanntlich Ziegel gepresst, aber auch Trauben kultiviert. Was als gesetzlich auferlegte Grünzone auf dem Gelände begann, wurde bald zur großen Leidenschaft von Lois Schönthaler, dem Seniorchef des Familienunternehmens. Mit seiner Pensionierung zog er sich aus dem Tagesgeschäft in den Weinberg zurück. Zuvor mussten die Voraussetzungen geschaffen werden, da es sich um flaches Gelände mit hohem Grundwasserspiegel handelt. Um sich an die Rebsorten anzupassen, musste mit sandigem Boden aufgefüllt werden. Danach kamen Flachwurzler in die Erde, die sich in der oberen Schicht ausbreiten. Seither steckt Lois Schönthaler sein Herzblut in dieses Projekt. Mit Sohn Werner besuchte er Weingüter, vertiefte sich in die Lektüre von Fachbüchern, etwa in die biodynamische Lehre von Rudolf Steiner, entfernte den Zweigelt und suchte die Zusammenarbeit mit Kellermeistern – was als Hobby begann, entspricht nun schon in drei Michelin Restaurants hohen Ansprüchen. Beratend zur Seite stand vor mehr als 15 Jahren Frans Van den Dries, der von Belgien nach Laatsch gezogen war und sich in der Weinwelt einen Namen machte. So kam es, dass in Eyrs auf einer Fläche von 1700 m die pilzresistenten Rebsorten Solaris und Muscaris und etwas Sauvignon Gris gepflanzt wurden.
Wir stoßen mit einem Gläschen an. Mit der Nase im Glas fachsimpeln wir über eine mögliche Pfirsich- und Litschinote. Werner erklärt die Komponenten: „Solaris wächst und schmeckt gut, hat aber wenig Farbe und Frucht. Muscaris kommt vom Muskateller und bringt das fruchtige Bouquet, während dem Sauvignon Gris die kräftige Farbe zu verdanken ist.“ Das sind noch nicht alle Besonderheiten vom Cuvée, denn ihm hat man Marmormehl beigemischt. Die Anregung kam vom Marmorkünstler Bernhard Grassl, da bereits die alten Römer ihrem Wein geriebenen Marmor zugesetzt hätten. Wozu? Das Calciumcarbonat nimmt dem Wein Säure und verleiht ihm Mineralität. Wenn im Winter die drei Sorten miteinander vermählt werden, geben die Winzer deshalb etwas Göflaner Marmorpulver dazu. Es sedimentiert und bleibt als Satz im Fass, wenn der Wein im darauffolgenden Herbst abgefüllt wird. „Wir haben es einfach ausprobiert“, lautet das Resümee, „bei der Größe von unserem Weinbetrieb gab es nichts zu verlieren.“ Das empfindet Werner als Freiheit, denn Mengenvergrößerung ist vorerst nicht sein Plan. 1500 Flaschen pro Jahrgang reichen, auch wenn die Nachfrage größer ist. Die Fachwelt äußert sich positiv über diesen besonderen Vinschger Rebensaft. Es war Sommelière Sonya Egger Trafoier (Kuppelrain), die dem „eschkolot“ zu Ansehen verhalf und Kontakte zu Weinkunden ermöglichte.
Jahrelang hatte Hilde van den Dries den Wein im Calvenschlössl ausgebaut. Da dort der Platz im Weinkeller knapp wurde, kommt er heuer erstmals von Hartmann Donà (Lana). Alle Schritte der Weinproduktion bis zum füllfertigen Wein laufen beim renommierten Önologen ab, wobei die Spontangärung beibehalten wird. Statt einem Hefezusatz bringt ein natürliches Traubenferment die Gärung in Gang, nur so erhalte das Endprodukt seinen Charakter.
Was in Familienhand bleibt, ist die Arbeit im Weinberg: Lois schneidet im Winter die Reben, geht im Sommer gegen das Unkraut vor, mäht und schwefelt, wenn es bei hohem Niederschlag notwendig ist. Der größte Aufwand entsteht beim Anbringen des Netzes. Werden die Weimer im Juli nicht eingepackt, lassen die Vögel nichts übrig, so arg stürzen sie sich im Obervinschgau auf die seltene Delikatesse. Die Traubenlese erfolgt je nach Sorte im Spätsommer/Herbst, auch beim Wimmen ist Lois mit 89 Jahren noch tatkräftig dabei. „Das ist richtig schön, mit 80 hat er sich ein iPad gekauft, um sich immer weiter in die Materie einzuarbeiten“, sagt Werner über seinen Vater.
Werners Aufgaben liegen im organisatorischen Bereich, er ist der Botschafter des Marmorweines. „Weinmachen hat Klasse, ein Weinberg ist etwas Edles“, ist er fasziniert vom Prozess, „es macht mir große Freude, wie sich das entwickelt hat und wie man im Kleinen etwas Großes schaffen kann.“ Von ihm hat der Verschnitt den vieldeutigen Namen „eschkolot“ erhalten. Die Bezeichnung kommt aus dem Hebräischen, bedeutet „Weintschaggl“ (ein Bündel Traubenbeeren, eine Traube), aber auch „Zusammenkunft“. Dem Weinstock kommt in der Thora bzw. im Alten Testament symbolische Bedeutung zu. Werners Auslegung: „Im Weinberg wird viel Aufwand betrieben, geschnitten und reduziert. Man arbeitet auf die Essenz hin, erst dann entfaltet sich die Qualität.“ Dem Begriff „eschkolot“ ist er bei den Jesuiten in der Schweiz begegnet, als er einen Kurs über die Kabbala, die mystische Tradition des Judentums, belegte. „Eschkolot klingt auch mit der etwas harten Vinschger Aussprache gut“, scherzt Werner und betont das K im Wort, „obwohl es nichts mit unserem Dialekt zu tun hat.“ Die feine Abbildung auf dem Weinetikett stammt von einer japanischen ZEN-Kalligraphin. Noch ein Cuvée also, bei Werner Schönthaler verschmelzen die Kulturen zu einem Gemischten Satz.
Momentan bleibt ihm keine Zeit, um einen Weinberg im steilen Gelände hinter seinem Hof in Tschengls anzulegen und das Winzerdasein auszubauen. Versuchsweise hat er jedoch schon einzelne Solaris Reben gepflanzt. Sie gedeihen gut. 

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