Andreas Nagl: „Zuerst zu den Einbußen. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Baugewerbe massive Einbußen, wir reden da immerhin von starken Rückgängen. Rückläufig waren auch die öffentlichen Aufträge im Kleinhandwerk. Das liegt ganz klar am Vergabegesetz, das jetzt zwar wieder anders ist, aber erst langsam greift. Die Kleinhandwerker sind im vergangenen Jahr bei größeren Bauvorhaben nur als Subunternehmen zum Zuge gekommen mit allen Vor- und Nachteilen. In der Zukunft eröffnen die Altbausanierung und die Sanierung der Dorfkerne den Handwerkern sicher neue Geschäftsfelder, hier liegt ganz sicher Potential für die Zukunft.
Altbau, Neubau: Wie ist momentan die Auftragslage des Handwerks aufgeteilt?
Andreas Nagl: Wir haben keine Daten diesbezüglich, aber die Neubauten machen ganz sicher mehr aus, als die Sanierungen von Altbauten. Die energetische Sanierung nimmt hingegen einen großen Stellenwert ein, weil einfach die Anreize von Seiten des Staates und des Landes groß sind.
Herr Joos, eine Einschätzung: Wie sind die Handwerker im Vinschgau fachmännisch aufgestellt, sind sie geschult, mit Altbausanierungen und energetischen Sanierungen vertraut?
Erhard Joos: Die Handwerker haben sich diesbezüglich weitergebildet und sind geschult, das ist gar kein Thema. Wir haben auch im Bezirk Obervinschgau über den LVH Informationsveranstaltungen zum Thema „Sanieren und energetische Sanierungen“ organisiert, u.z in Graun, Mals und Prad.
Andreas Nagl: Darf ich da noch was ergänzen. Wir haben da im Bezirk schon vorgesorgt, auf dieses Thema reagiert und zu Schulungen geladen. Einmal haben wir im vergangenen Jahr in Laas mit der Berufsschule Schlanders in der Steinmetzschule einen Kurs über Altbausanierung organisiert. Dann hat der LVH eine Kursreihe „Schlau gebaut“ ins Leben gerufen und in vielen Orten Südtirols zu Bauthemen – auch zum Thema Sanieren - informiert und heuer haben wir zusammen mit der Berufsschule wiederum das Thema Sanieren aufgegriffen. Also wir haben uns da schon auf den Weg gemacht. Vor allem dem vorherigen Laaser LVH-Obmann Josef Moser war dieses Thema ein Anliegen und er hat es zusammen mit der Berufsschule Schlanders vorangetrieben. Die Berufsschule, das muss man einmal sagen, hat immer ein offenes Ohr für eine Zusammenarbeit mit uns.
Wie waren die Resonanzen, wie hat man das Angebot angenommen?
Erhard Joos: Das Interesse war groß. Ich kann nur von jener Veranstaltung sprechen, die wir vom LVH gemeinsam mit der Gemeinde Graun organisiert haben. Da haben wir die gesamte Bevölkerung eingeladen, Planer, Techniker, Politiker, Handwerker, um sie mit dem Thema Sanieren vertraut zu machen.
Andreas Nagl: Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Gemeinden zu diesem Thema stehen. Es gibt Gemeinden, die sind sehr sensibel, Beispiel Laas, Beispiel Schluderns und es gibt Gemeinden, die keine Sensibilität haben, Beispiel Latsch. Es gibt aktive Gemeinden, die Häuser kaufen, sanieren und dem geförderten Wohnbau zuführen und andere, die auf diesem Gebiet nichts tun. Natürlich sind manche Gemeinden mehr von diesem Thema betroffen und andere weniger. Mals, Burgeis, Schluderns, Glurns, Laas haben sicher mehr alte Bausubstanz als andere Gemeinden.
Worin sehen Sie für die Handwerker die besonderen Herausforderungen im Altbau. Stichwort: Neue Techniken, alter Bestand, Klimahaustandards.
Erhard Joos: Man muss mit der alten Bausubstanz vorsichtig umgehen können, um nichts zu zerstören. Man muss mit alten Techniken vertraut sein und mit alten Materialien umgehen können. Wir haben da einige Vorzeigebetriebe auf diesem Gebiet im Vinschgau, die sich seit Jahren mit Sanierungen befassen.
Andreas Nagl: Wenn ich etwas dazu sagen darf, da hängt ganz viel von den Planern ab. Die Planungen speziell bei einem Altbau oder einer energetischen Sanierung sind eminent wichtig. Das unterschätzen viele Bauherren. Die Planung muss stimmen vor allem auch, wenn man bedenkt, dass eine Sanierung teurer sein kann, als ein Neubau.
Erhard Joos: Es gibt da einige Planer im Vinschgau, die Profis sind auf diesem Gebiet und im ganzen Land bekannt für ihre Sanierungen.
Steuerliche Anreize, die früher oder später auslaufen, machen Sanierungen attraktiv. Welche Rahmenbedingungen erträumen sie sich von der Politik in Zukunft, welche dürften Realität sein.
Erhard Joos: Die MwSt.-Reduzierungen laufen noch lange nicht aus. Traum ist, dass die Anreize und Förderungen weitergehen.
Andreas Nagl: Mein Traum wäre, dass wir von den Förderungen weggehen und für die Leute, die bauen, Sparsituationen schaffen. Bauspar-Modelle schweben mir vor.
Bausparkassen?
Andreas Nagl: Genau eine Form von Bausparkasse. Und dann, wenn wir schon bei den Träumen sind, dann reden wir auch einmal von Rechtssicherheit. Die Leute werden mit den Fristen für die steuerlichen Anreize gerade für Sanierungen ständig unter Druck gesetzt. Bis zu bestimmten, eng gesetzten Terminen müssen die Arbeiten fertig gestellt werden und die Ansuchen gemacht sein. Bis zum Schluss geht alles auf Spitz und Knopf. Alle stehen unter Druck, die Handwerker, die Planer und vor allem die Bauherren.
Stichwort Druck. Worunter leiden die Handwerker momentan am meisten?
Erhard Joos: Unter der enormen Bürokratie und die ganzen Auflagen, sei es Arbeitssicherheit, Kurse usw. Die bürokratische Belastung für die Betriebe ist mit einem Zeitaufwand von 460 Stunden verbunden. Das entspricht 22 Prozent der jährlichen Arbeitsleistung einer Vollzeitkraft.
Bürokratie ist ein Wort, worunter man sich wenig vorstellen kann: zwei, drei Beispiele.
Erhard Joos: Wenn ich auf einer neuen Baustelle anfange, brauch ich den Einsatzplan, den sogenannten Arbeitssicherheitseinsatzplan, wo ich erklären muss, dass ich sämtliche Kurse gemacht habe. Das ist ein halbes Buch: Arbeitssicherheit, Erste Hilfe, Brandschutz und ich muss erklären, dass die Arbeiter alle Arbeitssicherheitskurse absolviert haben. Das sind mindestens 30 Zettel und erst, wenn ich das alles ausgefüllt habe, darf ich überhaupt einen Schraubenzieher in die Hand nehmen. Und bei jeder Baustelle fängt alles wieder von vorn an.
Herr Joos, vor allem in den Dörfern von Laas aufwärts zerfällt viel alte Bausubstanz. Initiativen und Diskussionen sind gestartet. Wie hat sich das Handwerk hier eingebracht?
Erhard Joos: Wie gesagt mit Kursen, Weiterbildungen und Informationsveranstaltungen.
Gibt es in der Praxis Kooperationen zwischen Beratern auf dem Gebiet der energetischen Sanierungen und Altbausanierungen und dem Handwerk?
Andreas Nagl: Es gibt ja zahlreiche Beratungen und Körperschaften, beim Amt für Energieeinsparung angefangen über die Eurac bis hin zum EnergieForum. Ich habe oft bei Versammlungen den Eindruck gehabt: Man spricht von Netzwerken und jeder kocht sein eigenes Süppchen. Die Verbindungen sind nicht hergestellt, jeder hat seine Ideen, seine Vorschriften und die Bürger stehen wie ein Ochs vor dem Berg und kennen sich im Dschungel der Beratungen und Initiativen nicht aus. Die Bauherren sind überfordert. In Laas hat man eine Beratung für die Beratung gemacht. Einmal im Monat gibt es eine Beratung, damit die Leute sich im Dschungel der Beratungen zurecht finden. Und unter den Beratern findet man noch dazu Konkurrenzdenken. Aber um zurück auf die Frage zu kommen, eine konkrete Kooperation zwischen Beratern und Handwerk gibt’s noch nicht.
Gerd Lanz sagte jüngst bei der LVH-Versammlung, das Handwerk müsse verstärkt nach außen kommunizieren. Braucht es gerade zum Thema Sanierungen ein eigenes Marketingkonzept? Braucht es eine Offensive?
Erhard Joos: Ja, das wird man gerade bei diesem Thema tun müssen.