Aus dem Gerichtssaal - Eigentlich wollte ich diesmal wieder über einen Kriminalfall schreiben, und zwar über einen Raubmord, dem zwischen 1850 und 1900 ein „schmattiger“ Wiener Juwelier in der Nähe der Rasass-Bergalm im hintersten Schlinigtal an der Grenze zum Uinatal zum Opfer fiel. An einem Tag im Sommer war der Wiener zu Fuß von Schlinig in Richtung Schweiz unterwegs. Er übernachtete auf der Rasass-Alm, auf der ein gewisser Kuen und ein Manes als Hirten tätig waren. Sie gestatteten dem Juwelier, neben ihnen auf der Pritsche zu schlafen. Dabei müssen sie wohl allerhand Reichtümer an ihm bemerkt haben, jedenfalls begleiteten sie ihn am nächsten Tag bis in die D’Uina- Schlucht. Aber anstatt ihm dort den Weg über die Grenze in die Schweiz zu weisen, erschlugen sie ihn, beraubten ihn und warfen ihn in den Bach hinunter, in der Absicht, das Ganze als einen Unfall erscheinen zu lassen. Über das mysteriöse Verschwinden des Juweliers berichteten alle Zeitungen der Monarchie. Die Kunde davon drang auch bis nach Meran. Und als kurz vor Weihnachten bei einem dortigen Uhrmacher zwei ländliche Gestalten auftauchten und ihm eine kostbare Uhr zum Kauf anboten, schöpfte er Verdacht. Er vertröstete die Beiden unter einem Vorwand auf den Nachmittag, verständigte in der Zwischenzeit die Polizei, welche die Hirten zum Reden und anschließend an den Galgen brachte. Weitere Einzelheiten der Geschichte, vor allem den Namen des Opfers, konnte ich nicht eruieren. Deshalb die Bitte an die Leser aus der Malser Gegend, mir bei meinen Nachforschungen behilflich zu sein.
Und so muss ich halt wohl oder übel auf die schier endlose Geschichte des Einkaufszentrums Herilu in Latsch zurückkommen, welches die Justiz nun schon seit bald fünfzehn Jahren beschäftigt. Wir haben darüber in diesem Blatt in der Vergangenheit unter verschiedenen Titeln wie: „Der Rechtsstaat lässt grüßen“, „Berlusconi hausgemacht“, „Der Latscher Osterhase“, „Ein moderner Ablasshandel“ und „Herilu – auf ein Neues!“ berichtet. Die Vorgeschichte dürfte bekannt sein: Auf dem Areal der vormaligen Fuchs-Säge wurde auf Antrag des Eigentümers Fuchs Heinz eine Wohnbauzone ausgewiesen. Auf deren frei verbaubarem Teil errichtete er das Einkaufszentrum Herilu, der dem geförderten Wohnbau reservierte wartet bis heute darauf, dass er seiner Zweckbestimmung zugeführt wird. Stattdessen bot Fuchs Heinz der Gemeinde Latsch einen Handel an: ihr befreit mich von der Sozialbindung, ich zahle euch im Rahmen eines Urbanistikvertrages den Betrag von Euro 230.000. Die Gemeinde unter dem damaligen Bürgermeister Karl Weiss willigte in dieses „Geschäft“ ein, das Land hob den Beschluss jedoch mit der Begründung auf, dass man gesetzliche Verpflichtungen nicht per Vertrag auflösen könne. Dagegen rekurrierte Fuchs, verlor vor dem Verwaltungsgericht in Bozen und nun auch vor dem Staatsrat in Rom. Womit die heiße Kartoffel wieder in die Gemeindestube von Latsch zurückgekehrt ist. Und der Fall wird wie ein sich ständig bewegendes Rad wohl noch eine weitere Generation von Juristen beschäftigen.
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
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