Straßen, Bahnlinien und Autobahnen in den Haupttälern sind relativ jung, obwohl sie heute die Hauptverbindungswege darstellen. Es gibt in unserem Land viele Berge und Bergketten, zwei ragen international hervor. Einmal die Ortlergruppe mit dem Stilfserjoch Nationalpark im Westen und die Dolomiten als Weltnaturerbe im Osten des Landes. Den dritten Pol mit globaler Ausstrahlung zum Thema Berg bildet das Archäologiemuseum mit Ötzi als den berühmtesten Alpenbewohner, sowie das Bergmuseum MMM Firmian auf Schloss Sigmundskron bei Bozen. Reinhold Messner, vielleicht der bekannteste Bergsteiger der Welt, hat in seinem Bergmuseum, sowie den 5 Satelliten Juval, Dolomites, Ortles, Ripa und Corones die Auseinandersetzung Berg und Mensch thematisiert. Diese Auseinandersetzung hat unser Leben geprägt, eine bäuerliche Bergkultur und Überlebensstrategie hervorgebracht. Es waren vor allem die Männer, die diese Kultur geprägt haben. Sie haben das Holz, Metalle und andere Rohstoffe vom Berg geholt, das Vieh auf den Almen gehütet. Die ersten Bergsteiger waren Männer, Bergstraßen und Berghütten wurden von Männern gebaut.
Männer zog es in die Berge, Frauen in die Gärten
Während die Männer auf den Wiesen und Feldern arbeiteten, in den Wald und in die Berge gingen, war der Garten das Reich der Frauen. Die Gartenkultur ist eine weltweite Kultur, seit der Mensch sesshaft wurde. Im Arabischen steht das Wort Garten für Paradies. Aus dem Alten Testament kennen wir den Garten Eden. Der Garten gilt in vielen Darstellungen der Kunst als Überbleibsel vom Paradies, aus dem wir vertrieben wurden. Damit ist der Garten ein Ort der Fülle, der Ruhe und der Schönheit, ein Stück Land, in dem alles wächst und blüht, aber auch ein Rückzugsort, ein Ort zum Träumen und Innehalten. Als Hausgarten und Bauerngarten liefert er wichtige Nahrungsmittel, im Klostergarten wurden nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Kräuter und Blumen angebaut. Aus der Geschichte kennen wir die Hängenden Gärten der Semiramis, auch die Hängenden Gärten von Babylon genannt. Die französischen Barockgärten und die englischen Landschaftsgärten waren zwei unterschiedliche Wege der Landschaftsgestaltung. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg entstand im Umland der Städte eine Kleingartenbewegung, sogenannte Schrebergärten. Selbstversorgung, sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Entspannung in der Natur standen im Mittelpunkt. Der japanische Zengarten dient der Ruhe und Meditation. Heute gibt es viele verschiedene Gärten für Männer und Frauen: Obst- und Gemüsegärten, Wildnisgärten, Hochgärten, Zaubergärten, Steingärten, Ziergärten, Kunstgärten, Irrgärten, Lustgärten, Therapiegärten, Schulgärten, interkultureller Gärten, essbare Gärten. Besonders in den Städten ist in den letzten Jahren eine Gartenbewegung „Urban Gardening“ entstanden. Es gibt Dachgärten, vertikale Gärten, Kleingärten auf Balkonen und Gemeinschaftsgärten auf der Straße und in Parks. Es gibt sogar eine Bewegung „Gärten als Menschenrecht“.
Zwei besondere Gärten: Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff und der Hofgarten in Brixen
Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff sind die berühmtesten Gärten Südtirols. Der botanische Garten der Kurstadt Meran besteht aus 80 Gartenlandschaften aus aller Welt. Es gibt Waldgärten, Sonnengärten, Wasser- und Terrassengärten, sowie die verschiedenen Landschaften Südtirols. Neben Künstlerpavillons gibt es Erlebnisstationen und verschiedene Veranstaltungen wie die Gartennächte mit musikalischen Auftritten weltbekannter Künstler. Der Hofburggarten in Brixen ist der älteste nachweisbare, noch erhaltene Obstbaumgarten Europas. Seine Errichtung geht auf das 13. Jahrhundert zurück. 1256 wird zum ersten Mal ein Pomarium südlich der Hofburg genannt, ab 1576 wird der Ziergarten oder Herrengarten mit Brunnen, Orangerie, Fischteich, Voliere und Sommerhaus angelegt. Seit 1596 hat der Baumgarten eine Umfassungsmauer und zwei Ecktürme. André Heller, der Aktionskünstler und Kulturmanager aus Wien, hat am Gardasee einen Botanischen Garten angelegt. Südlich von Marrakesch in Marokko, schuf er mit „Anima“ sein ganz eigenes Garten-Projekt. Auch für die Umgestaltung des Hofgartens in Brixen hat er seine Entwürfe vorgelegt. Die einen sind begeistert, andere fürchten, dass es ein Eventgarten wird. Jedenfalls gibt es bei uns auch eine alte Gartenkultur mit besonderen Gärten, vielen Bauern-, Kloster und Hausgärten. Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff zählen schon heute zu den schönsten Gärten Italiens und Europas. Der Hofburggarten in Brixen kann zu einem außergewöhnlichen Garten im Alpenraum werden. Im Vinschgau wäre Platz für einen Garten mit einer Ausstrahlung weit über unser Tal hinaus.
Ein öffentlich zugänglicher Obst-, Gemüse- und Kräutergarten im
Vinschgau?
Der Vinschgau wird als Apfelgarten bezeichnet. Kritiker sagen, der ganze Vinschgau ist eine Apfelplantage oder sogar eine Apfelmonokultur. Tatsache ist, dass im Vinschgau viele Äpfel, Marillen, Birnen und Kirschen gedeihen, es eine lange Tradition des Obst- und Birnenanbaus gibt. Denken wir nur an die Marillen und Palabirnen. Die Obstgenossenschaften arbeiten mit modernsten Lagertechniken und Sortiertechniken, vermarkten die Produkte auf dem Weltmarkt. In Schlanders gibt es die Apfeltage. Vielleicht könnte man noch viel mehr machen. Warum gibt es keinen öffentlichen Apfelgarten oder Obstgarten mit verschiedenen Obstsorten, hochstämmigen Bäumen, wo die Geschichte und die Entwicklung des Obstanbaus sichtbar und erlebbar werden? Könnte man im Garten des Kapuzinerklosters in Schlanders nicht einen Obst-, Gemüse- und Kräutergarten anlegen? So könnte im Zentrum von Schlanders ein Ort der Stille, des Verweilens und der Begegnung werden, vielleicht auch ein Gemeinschaftsgarten oder viele Schrebergärten. Südtirol ist das Land der Berge und bleibt das Land der Berge. Südtirol hat aber auch schöne und interessante Gärten mit einer großen Ausstrahlung.
Heinrich Zoderer
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