Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2017, 187 S.
Franz-Tumler-Literaturpreis: Die Nominierungen - Teil 2 - Ein Buch wie ein Traum in vielen Episoden: Figuren, Szenen, Dialoge und Geschichten ziehen vorbei und Vorstellung und Wirklichkeit verschwimmen. Schauplatz und irgendwie auch Protagonist des Romans ist ein vierstöckiges Haus. Viele Bewohner beleben es, Familien, Paare wie Einzelpersonen, sie kommen und gehen und scheinen eine eigenartige Bindung zueinander und zum Haus aufzubauen. Da ist zum Beispiel Rita, eine Instanz im Haus, eine, die alle kennt, alles sieht und bemerkt. Dann gibt es noch Maia, oder es gab sie, das wird wie vieles in diesem Buch offenbleiben. Maia gräbt gerne Löcher in die Erde – und irgendwann ist sie in eines geschlüpft und verschwunden. Vielleicht. Ziemlich sicher ist Don, ein Bewohner, irgendwann zu einem Baum geworden: seine Frau pflegt ihn auf dem Balkon und er wächst und trägt Früchte und wird zum Erkennungsmerkmal des Hauses. Manche Bewohner sind so zurückhaltend, dass ihre Existenz in diesem Haus nur erahnt werden kann. Einiges ist mysteriös in diesem Haus: die rostfarbene Tür, die nicht alle sehen können, oder das Wesen Kasi, das bei Oscar im Bidetbecken lebt, bis es entdeckt wird. Eine Mieterfamilie zieht es vor, in Dunkelheit zu leben, Tom wählt als Wohnort den Aufzug, ein Kind lebt im Schrank. Die Kinder des Hauses haben überhaupt eine eigene Passion: sie verbrennen, was ihnen unter die Finger kommt und so tragen sie zum eigentümlichen Hausgeruch bei.
Wer Glück hat, darf sich im Haus verkriechen, doch einige werden vom Haus abgestoßen, sie müssen es tot oder lebendig verlassen. Der Roman verbirgt noch so manche geheimnisvolle Figur samt ihrer grotesken Geschichte – er lebt von Verwandlungen und vom vielstimmigen Erzählen. Mal begegnet dem Leser ein Bewohner in der Ich-Perspektive, dann sprechen die Bewohner miteinander und der Leser hört als Hausbesucher zu, oder ein personaler Erzähler schlüpft in die Rolle einer Figur. Die Geschichten wiederholen sich und der Leser findet nach ein paar Seiten wieder, was ihm aus einem andern Blickwinkel schon zugetragen wurde. So geht immer wieder ein Licht auf, ein Aha-Effekt stellt sich ein. Ein origineller Roman, in dem neben Heiter-Bizarrem auch Trauriges mitschwingt, denn das allmähliche Verschwinden zeigt sich auf schmerzliche Weise.
Lassen Sie sich ein auf das Gewusel, das sich in und um Haus Nr. 29 abspielt.
Maria Raffeiner
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