„Da geht es um Vorwürfe, die wir uns nicht gefallen lassen.“

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Landesrat Arnold Schuler hat gegen den Buchautor Alexander Schiebel, gegen Karl Bär vom eingetragenen Verein „Umweltinstitut München“ und gegen den Verleger Jacob Rodloff Anzeige wegen übler Nachrede erstattet. Schuler hat rund 1.600 Bauern mit im Boot: „Da geht es nicht mehr um Kritik, sondern da geht es um Vorwürfe, die wir uns nicht gefallen lassen müssen“, sagt Schuler. Landesrat Arnold Schuler hat gegen den Buchautor Alexander Schiebel, gegen Karl Bär vom eingetragenen Verein „Umweltinstitut München“ und gegen den Verleger Jacob Rodloff Anzeige wegen übler Nachrede erstattet. Schuler hat rund 1.600 Bauern mit im Boot: „Da geht es nicht mehr um Kritik, sondern da geht es um Vorwürfe, die wir uns nicht gefallen lassen müssen“, sagt Schuler.

Wo alles „z’ammrennt“ - da ist Landesrat Arnold Schuler. Der Landesrat für Zivilschutz, der Landesrat für Landwirtschaft und der Landesrat für Tourismus hat alle Hände voll zu tun. Wie Schuler mit Kritik und mit Krisen umgeht, welche Stimmungen er in Bauerskreisen und in der Bevölkerung ortet, gibt er im Vinschgerwind-Interview Auskunft.

Interview: Erwin Bernhart

Vinschgerwind: Als Landesrat für Zivilschutz dürften Ihnen die Haare zu Berge stehen. Wie ist der Zivilschutz in der Corona-Krise involviert?
Arnold Schuler: Die Rolle des Zivilschutzes in der Corona-Krise, welche in erster Linie den Gesundheitsbereich betrifft, bezieht sich auf die Unterstützung des Sanitätsbetriebes was die Logistik anbelangt, der vom Staat gelieferten Schutzmaterialien, dem Betrieb der Quarantäneeinrichtungen, wie jene in Gossensass und das Bürgertelefon, bei dem jeder Interessierte Antworten auf seine Fragen in Bezug auf Corona erhält. Weiters hat es alleine über die erste Phase dieser Krise mit dem Landeshauptmann, der der zuständige Sonderbeauftragte ist und nicht wie in anderen Regionen der Regierungskommissar und dem Sanitätslandesrat über 150 Videokonferenzen gegeben, bei denen wir uns zwei Mal Täglich auch am Wochenende die aktuellen Informationen ausgetauscht haben. Vinschgerwind: Die Frage deshalb, weil sich mit zunehmenden Corona-Fällen die Klagen darüber häufen, dass Corona-Meldungen zu spät einlangen...
Arnold Schuler: Weil es sich um höchstsensible medizinische Daten handelt, dürfen nur die direkt involvierten Mitarbeiter des Sanitätsbetrieben die Daten freigeben, sobald sie gesichert sind.

Vinschgerwind: Als Landesrat für Landwirtschaft dürften Ihnen ebenfalls die Haare zu Berge stehen. Sie haben kürzlich Post von der Grünen und ehemaligen Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast erhalten. Künast fordert Sie auf, alle Anzeigen gegen Alexander Schiebel, dem Verleger Jacob Radloff und Karl Bär zurückzuziehen. Wie gehen Sie damit um?
Arnold Schuler: Mit großer Verwunderung habe ich diesen Brief zur Kenntnis genommen. Wir brauchen uns zum Einen gegenüber der deutschen Landwirtschaft nicht zu verstecken. Wir sind in weiten Strecken weit voraus. Zum Anderen: Renate Künast hat selbst wegen Verleumdung geklagt. Richtigerweise. Weil sie in den sozialen Medien beschimpft worden ist. Zu klagen ist ihr gutes Recht. Dasselbe Recht muss den Südtiroler Bäuerinnen und Bauern zugestanden werden.
Vinschgerwind: Von den rund 1.600 Bauern, die Ihre Anzeige gegen Schiebel und Bär mitunterschrieben haben, sind fast die Hälfte aus dem Vinschgau. Und es haben auch Biobauern unterschrieben.
Arnold Schuler: Weil man die Aussagen als generellen Angriff auf die Südtiroler Landwirtschaft sieht. Das ist in der Kommunikation etwas untergegangen, weil die Anklage versucht hat, die Klage als Angriff auf die Meinungsfreiheit darzustellen. Das wär’ ja noch schöner. Kritik kann durchaus befruchtend sein. Es geht nicht um die Meinungsfreiheit, es geht um bestimmte Äußerungen...
Vinschgerwind: ...es geht laut Ihrer Klage um Verleumdung...
Arnold Schuler: Es geht um Verleumdung. Wenn man uns vorsätzliches Töten vorwirft, wenn man sagt, dass wir Südtiroler eine Kultur der Kriecher und Heuchler hätten, dass wir Kinder auf Spielplätzen vergiften und dergleichen. Da geht es nicht mehr um Kritik, sondern da geht es um Vorwürfe, die wir uns nicht gefallen lassen müssen.
Vinschgerwind: Haben Sie Momente, in denen Ihnen diese Anzeige reut?
Arnold Schuler: In der Nachbetrachtung ist vieles anders. Wir haben die Anzeige vor drei Jahren gemacht. Damals war die Stimmung so, dass ein Bauer fast Angst haben musste, mit dem Sprüher in die Felder zu fahren. Heute ist die Stimmung, so empfinde ich es, eine andere. Wir haben uns in den letzten Jahren um ein stärkeres Miteinander bemüht. Die Anzeige hat integriert arbeitende Bauern und Biobauern noch mehr zusammengeschweißt. Auch in weiten Teilen der Bevölkerung, so mein Eindruck, besteht die Auffassung, dass es so wie es diese Kritiker machen, nicht geht.
Vinschgerwind: Sie haben den Versuch unternommen, die Anzeige zurückzuziehen. Bedingung war offenbar, dass Schiebel und Bär die Daten aus den Betriebsheften nicht verwenden dürfen...
Arnold Schuler: Das stimmt eben nicht. Das wird jetzt so dargestellt. Was wir verlangt haben, ist ganz einfach. Wir ziehen zurück und fordern künftig einen respektvollen Umgang miteinander, so war die Aussage. Dafür hätten wir aber eine bestimmte Zeit benötigt, weil wir die Unterschriften von 1.600 Bauern hätten einsammeln müssen. Mehr wollten wir nicht, nicht einmal eine Entschuldigung.

Vinschgerwind: Haben die Spritzmittelhefte tatsächlich keine Rolle gespeilt?
Arnold Schuler: Nein, die haben keine Rolle gespielt. Wir haben gesagt, dass man in der Zeit, die wir für ein Zurückziehen der Anklage benötigen, auf weitere Kampagnen verzichtet und dass in dieser Zeit keine weiteren Unterlagen eigefordert werden sollen. Ich kann nicht von einem Bauern die Rücknahme seiner Unterschrift fordern und gleichzeitig werden neue Unterlagen angefragt. Nur das hätten wir uns erwartet.
Vinschgerwind: Warum ist das gescheitert?
Arnold Schuler: Der Wille unsererseits wäre da gewesen. Von den Angeklagten bzw. deren Anwälte gab es keine Bereitschaft für das Zustandekommen einer Vergleichsvereinbarung. Weiters haben Aktionen sowie E-Mails und Videos der Angeklagten, welche während der Vergleichsgespräche zwischen den Anwälten, medial verbreitet wurden, darauf schließen lassen, dass eine außergerichtliche Einigung im Grunde nicht gewollt ist. Man hat es vorgezogen, am Tag nach unserer mündlichen Einigung, teure Kampagnen über Meinungsfreiheit in den italienischen Medien zu schalten.
Vinschgerwind: Jetzt geht es in den Prozess. Den deutschen Medien, die den Prozess verfolgen werden, und damit einhergehend den deutschen Konsumenten die Südtiroler Landwirtschaft zu erklären dürfte schwierig werden.
Arnold Schuler: Dieses Problem hatten wir bisher auch schon. Das betrifft nicht nur die Südtiroler Landwirtschaft. In ganz Europa wird es immer schwieriger, die Landwirtschaft der nichtbäuerllichen Bevölökerung zu erklären. Es waren bereits in der ersten Phase einige deutsche Sender bei uns, erinnern wir uns an die Bombardierung mit Mails an den Landeshauptmann.
Vinschgerwind: Wir gehen davon aus, dass Sie als Landesrat und die Bauern eine gute Kommunkationsstrategie in der Tasche haben.
Arnold Schuler: Das Problem ist bei solch emotionalen Themen, dass man sich mit Fakten hart tut. Das ist leider so. Ich glaube, dass es keinen anderen Teil der Landwirtschaft gibt, der so stark kontrolliert wird, wie die Obstwirtschaft. Nicht annähernd. Alles wird dokumentiert, alles wird mehrfach überprüft. Die Betriebe werden mit internen und externen Audits kontrolliert.
Vinschgerwind: Das sind interne Kontrollen, um ein reines Produkt Apfel auf dem Markt bringen zu können. Bei der Pestiziddebatte geht es aber um eine Diskussion über die Anbauweise, um eine Diskussion zwischen Bevölkerung und Landwirtschaft.
Arnold Schuler: Wir sind unterwegs, um eine Art neuen Gesellschaftsvertrag zu machen. Das betrifft nicht nur die Obstwirtschaft, sondern generell die Landwirtschaft. Die Fragen, was man sich von der Landwirtschaft erwartet und was die Landwirtschaft leisten muss, wird man stellen und beantworten müssen. Bauer bleibt der wichtigste Beruf der Welt. Denn, wer produziert die Lebensmittel? Gerade in der Corona-Zeit hat man das gesehen. Was ich mir gerade auch als Erkenntnis aus dieser Krise erwarte, ist, dass man die Arbeit der Bauern mehr schätzt - man sieht ja, wie schnell die Regale leer sind - und zum Zweiten, dass man der Wissenschaft mehr Gehör schenkt. In dieser Corona-Zeit sieht man, dass man der Wissenschaft große Beachtung schenkt, Die Virologen geben die Richtung vor. Wenn man so etwas in der Landwirtschaft erreichen würde, dass man den vorhandenen Institutionen mehr Glauben schenken würde, täten sich die Bauern leichter.
Vinschgerwind: Sie wissen aber auch, dass Teile der Wissenschaft, etwa die europäische Zulassungsstelle EFSA, die für die Zulassung von Pestiziden zuständig ist, in der Kritik stehen...
Arnold Schuler: Das sind vor allem Verschwörungstheorien. Denen schenke ich nicht viel Aufmerksamkeit. Ich denke etwa an das Bundesinstitut für Risikovorsorge. Dieses Institut hat Renate Künast für die Suche nach den Ursachen des Rinderwahns als unabhängige und neutrale Forschungsstelle eingerichtet. Diesem Institut vertraut man in allen Fragen. Aber wenn es sich um Glyphosat handelt, dann nicht mehr. Ich glaube, dass man den Institutionen vermehrt vertrauen sollte.
Vinschgerwind: Trotzdem wird man sich der Kritik von außen, gerade in der Landwirtschaft, stellen müssen.
Arnold Schuler: Ja logisch. Das tun wir auch. Vielleicht hat man das in der Vergangenheit zu wenig getan. Das muss man offen sagen.
Vinschgerwind: Man hat aber eher das Gefühl, dass die Landwirtschaft auf Herkömmliches beharrt und einen Status verteidigt.
Arnold Schuler: Das würde ich so nicht behaupten. Als Beispiel Mals: Wir haben die Abdrift-Probleme zwischen Grünlandwirtschaft und Obstbau in den vergangenen Jahren weitgehend gelöst. Man hört von den Konflikten nur mehr wenig. So kann es funktionieren. Es ist zwar mühsam, weil viele Gespräche und ein Zusammenraufen nötig sind, aber dafür sind die Lösungen nachhaltig. Aber auch in Mals nähert man sich nur schrittweise einer gemeinsamen Lösung. Nachhaltig sind Sachen, die man miteinander ausmacht.
Vinschgerwind: Gibt es einen Unterschied zwischen Nichts-Mehr-Hören und Nicht-Kommunizieren?
Arnold Schuler: Das Dilemma ist, dass konfliktgeladene Situationen eher Schlagzeilen machen als andere. Im Fall der Gemeinde Mals ging es einigen in der Berichterstattung nachweislich nicht nur um die Sache, sondern auch um den Konflikt.

Vinschgerwind: Als Landesrat für Tourismus dürften Ihnen ebenfalls die Haare zu Berge stehen. Sie stehen auch da an vorderster Front und dürfen den deutschen Gästen das Funktionieren der Südtiroler Landwirtschaft mit all den Pflanzenschutzmitteln erklären. Und zum Anderen ist es die Corona-Krise.
Arnold Schuler: Nicht nur. Letztes Jahr hatten wir das Thema Overtourism. Da ist genau jenes Phänomen aufgetreten wie in der Landwirtschaft. Es geht nämlich um die Akzeptanz in der Bevölkerung. Im Tourismus hat sich heuer aufgrund der Coronakrise komplett der gegenteilige Effekt manifestiert. Im Frühjahr wurde mit der Schließung der Beherbergungsbetriebe der gesamte Bereich heruntergefahren. Die Frage der Zukunft wird sein, wohin wollen wir. Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes fußt auf mehreren Säulen. Neben dem Handwerk und der Industrie sind das vor allem der Tourismus und die Landwirtschaft. Bei der Milch haben wir die Höchstmengen erreicht. Die Milchleistung pro Kuh ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, der Preis für die Milch nur moderat. Ebenso ist die Höchstmenge an Äpfel erreicht worden. Auch beim Tourismus stoßen wir an unsere Grenzen.
Vinschgerwind: Auf EU-Ebene werden Gedanken laut, die besagen, dass bis 2030 25% der Landfläche Bio sein soll, dass man auf 30 Prozent Kunstdünger verzichten soll und dass man den Pflanzenschutz um 50% reduzieren soll.
Arnold Schuler: In Südtirol werden heute auf 82% der Agrarfläche weder Kunstdünger noch Pflanzenschutzmittel ausgebracht, dort, wo solche ausgebracht werden, sind wir bemüht, diese weiter zu reduzieren. Es ist wichtig, dass Ziele formuliert werden. Aber welche Maßnahmen werden für das Erreichen dieser Ziele vorgesehen? Im Rahmen der Ausarbeitung unseres Landwirtschaftskonzeptes „Landwirtschaft 2030“ versuchen wir nicht nur Ziele, sondern die konkreten Maßnahmen dazu zu formulieren.

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