Neues Südtiroler Gletscherinventar – Gletscherschwund im Osten stärker ausgeprägt – Jahr 2025 zum Internationalen Jahr zur Erhaltung der Gletscher erklärt – 21. März seit heuer Welttag der Gletscher
BOZEN (LPA). Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher erklärt und den 21. März zum Welttag der Gletscher. Damit soll weltweit auf die fundamentale Rolle der Gletscher im globalen Klimasystem und ihre Bedeutung für den Wasserkreislauf hingewiesen werden. "Im Laufe dieses Jahres werden zahlreiche internationale, aber auch nationale und lokale Veranstaltungen die Aufmerksamkeit auf diese Themen lenken. In Südtirol werden zahlreiche Initiativen vom Landesamt für Hydrologie und Stauanlagen in der Agentur für Bevölkerungsschutz, der für Glaziologie zuständigen Stelle des Landes Südtirol, koordiniert", fasst der Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz Klaus Unterweger zusammen: Dazu gehört etwa die Neuauflage der Wanderausstellung Goodbye Glaciers, die in Zusammenarbeit mit Eurac Research, der Universität Innsbruck und dem Museum der Wissenschaften Muse in Trient erstellt wurde und im Sommer in Trient, Bozen und Innsbruck zu sehen ist. Zudem wurde der Weißbrunnferner symbolisch in die weltweite Liste der Opfer des Klimawandels aufgenommen: glaciercasualtylist.rice.edu. Im Ultental wird ein Lehrpfad eingerichtet, der sich mit der von den Gletschern geformten Landschaft und ihrer jüngsten Entwicklung befasst.
"Gletscher sind Seismographen für den Klimawandel", sagt Landeshauptmann und Bevölkerungsschutzlandesrat Arno Kompatscher und verweist auf Südtirols Klimaplan 2040: "Der Klimaplan ist ein wichtiger Wegweiser für eine zukunftsfähige Entwicklung. Er verknüpft zentrale Lebensbereiche wie Energie, Verkehr und Landwirtschaft auf dem Weg der notwendigen Veränderungen. In einem gemeinsamen gesellschaftlichen Prozess wird er kontinuierlich weiterentwickelt, damit wir unser Ziel, in 15 Jahren klimaneutral zu sein, auch erreichen."
Neues Südtiroler Gletscherinventar
"Seit dieser Woche liegen die vorläufigen Ergebnisse des neuen Südtiroler Gletscherinventars 2023 vor", berichtet der Direktor des Landesamtes für Hydrologie und Stauanlagen Roberto Dinale: "Erstellt hat ihn der österreichische Glaziologe Stephan Galos im Auftrag des Landesamtes für Hydrologie und Stauanlagen, ausgehend von zwischen dem 7. und 9. September 2023 aufgenommenen Luftaufnahmen und vor allem aus den Orthofotos und dem daraus abgeleiteten digitalen Geländemodell. Gleichzeitig wurden auch die Daten von 1997, 2005 und 2017 überarbeitet."
Im Jahr 2023 hat sich die Fläche der Südtiroler Gletscher auf 72 Quadratkilometer reduziert, während sie 2017 noch 85,9 Quadratkilometer und 1997 122 Quadratkilometer betrug, was eine Flächenreduktion von 16,2 beziehungsweise 41,0 Prozent bedeutet. Der Rückgang der Gletscherflächen hat seit 2003 rasant zugenommen, in den vergangenen zehn Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit. Und das, obwohl sich die Gletscher in immer höhere Lagen zurückziehen, was darauf hindeutet, dass sie von einem Gleichgewicht weit entfernt sind.
Zwei Gletscher sind bereits verschwunden
Der Gletscherschwund ist in ganz Südtirol signifikant, aber im Osten stärker ausgeprägt, wo die Gletscher im Durchschnitt dünner und weniger strukturiert sind als im Westen. Die einzige Ausnahme bildet die Texelgruppe, wo sehr kleine Gletscher schneller auf den Klimawandel reagieren. Genau in diesen Gebieten hat der neue Gletscherkataster auch das Verschwinden zweier Gletscher offiziell festgehalten: des Rotsteinferners in der Rieserfernergruppe und des Blaulackferners im Zieltal. Das Schwinden der Gletscher geht mit ihrer fortschreitenden Fragmentierung einher und mit einem Anstieg der Anzahl der Gletscherteile von 325 im Jahr 1997 auf 549 im Jahr 2017 und auf 729 im Jahr 2023 sowie einem Anstieg des Anteils der Gletscherfläche in der kleinsten Größenklasse (unter 0,1 Quadratkilometer) von 5 Prozent (1997) auf 10 Prozent (2023).
Die Zunahme der Schuttbedeckung der Gletscher ist ebenfalls offensichtlich, was auch mit Hilfe der neuen Fernerkundungsmethoden von Eurac Researchermittelt wurde. Die größten Masseverluste treten auf Gletschern mit geringerer Schuttbedeckung auf. Die durchschnittliche Masseabnahme der Südtiroler Gletscher seit dem letzten Inventar im Jahr 2017 beträgt minus 8,7 Meter, das sind etwa minus 1,4 Meter pro Jahr. Der Obere Ortler Ferner, der höchstgelegene Gletscher Südtirols, hat in nur sieben Jahren einen Masseverlust von nicht weniger als 5,1 Meter erfahren.
Zusatzinformationen
Südtiroler Gletscher gehören zu den am stärksten gefährdeten Gletschern
BOZEN (LPA). Auf der Grundlage aktueller Emissionsszenarien sagen Klimamodelle eine globale Erwärmung von 2,7 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 im Vergleich zur Zeit vor der Hochindustrialisierung (1850-1900) voraus. Im Alpenraum wird dieses Szenario zum Verschwinden von mehr als 95 Prozent der Gletscher bis zum Ende des Jahrhunderts führen, die meisten von ihnen werden bereits viel früher verschwinden. "Die Südtiroler Gletscher gehören zu den am stärksten gefährdeten Gletschern, da sie im Durchschnitt nicht sehr groß sind und sich auf geringer Meereshöhe am Südhang der Alpen befinden: Sie können daher nicht mehr gerettet werden", unterstreicht der Direktor des Landesamtes für Hydrologie und Stauanlagen Roberto Dinale: "Südtirols Gletscher werden daher ein Symbol für die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels sein." Eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius statt auf 2,7 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts würde bedeuten, dass über 100 Gletscher in den Westalpen erhalten bleiben.
"Auch wenn wir uns in jedem Fall von den Gletschern der Ostalpen verabschieden müssen, könnte durch eine deutliche Verringerung der Emissionen immer noch ein großer Teil des weltweiten Gletschervolumens erhalten werden", führt Amtsdirektor Dinale aus, "wie etwa die Gletscher im asiatischen Binnenland oder in den tropischen Anden, wo der Beitrag der Gletscher nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den Wasserhaushalt der Regionen ist, die von den von ihnen gespeisten Flüssen versorgt werden. Somit entwickeln sich die Gletscher auch immer mehr zu Indikatoren unseres Erfolges in der Begrenzung der globalen Erwärmung."
In Südtirol wird der Wasserkreislauf stattdessen von Niederschlägen und nivalen Akkumulations- und Schmelzprozessen bestimmt, während der durchschnittliche jährliche Beitrag der Gletscher im Vinschgau nur in heißen und trockenen Phasen signifikant ist, wie in der Vergangenheit in den Sommern 2022, 2017, 2007 oder 2003. In Zukunft werden solche Situationen häufiger auftreten und mit dem Rückzug der Gletscher auch potenziell kritischer werden, wenn keine wirksamen Klimaanpassungsmaßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ergriffen werden, unterstreicht Amtsdirektor Dinale.
Ein weiteres Problem des globalen Gletscherrückgangs ist der Einfluss auf den Anstieg des Meeresspiegels, zu dem das Abschmelzen der Gletscher mit mehr als vier Millimetern pro Jahr beiträgt.
Was die Gefahren durch Instabilitätsphänomene und die daraus resultierenden Massenbewegungen – Eis- oder Felsstürze, Erdrutsche und Murgänge – betrifft, so werden diese in glazialen und periglazialen Umgebungen zunehmen. Dies gilt vor allem in den Phasen und Gebieten mit den größten und schnellsten Veränderungen, auch im Hinblick auf das Auftauen des Permafrosts. Die Massenbewegungen werden abnehmen, wenn die Gletscher verschwinden oder den Folgen der zunehmenden Niederschlagsintensität und der immer höher werdenden Schneegrenzeweichen.
Was kann getan werden?
Das Abdecken von Gletschern mit Folien oder Kunstschnee verlangsamt das Abschmelzen des Eises, aber diese Ansätze sind teuer und nur in kleinem Maßstab durchführbar. Außerdem haben sie negative Auswirkungen auf die lokale Umwelt, etwa aufgrund des Abbaus von Kunststoffschutzmaterialien oder der Notwendigkeit, Speicherbecken zu bauen, die nicht immer leicht in die hochgelegene Landschaft zu integrieren sind. Für Amtsdirektor Dinale steht fest: "Die einzige Möglichkeit, den Gletscherrückgang wirksam zu beeinflussen, ist der Klimaschutzdurch die Reduzierung der Treibhausgasemissionen."
mac