... schafft Familie Gruber Platz für mancherlei Gemüsesorten. Weil es Spaß macht, Zufriedenheit gibt und gut ankommt. Ein Rundgang bei Sunnfolt im Kortscher Raut.
Von Maria Raffeiner
Irgendwann hatten sie genug. Oder war es umgekehrt und sie spürten vor drei Jahren, dass sie auf ihrem Hof eben nicht genug hatten? Nicht genug Bandbreite, nicht genügend Sortenvielfalt. Die Initiative ging von Sohn Andreas aus, allmählich steckte er mit seiner Vision alle an. Zunächst sprossen zwischen den Apfelreihen probeweise Gemüsesorten. Das sei zwar nicht besonders praktisch gewesen, sind sich Vater Kurt und Andreas heute einig, aber ein erster Schritt weg vom konzentrierten Obstbau. Da die Mischkulturgruppe von Bioland Südtirol manche Anregung bereithielt und die Neugier bei Betriebsbesichtigungen im ganzen Land wuchs, wagte Familie Gruber den nächsten Schritt: Im Herbst 2021 begann sie mit kleinparzelligen Rodungen. „Schon mit einem mulmigen Gefühl“, gibt Kurt unumwunden zu. Dort, wo heute ein selbst gebauter Folientunnel aus den Kortscher Steïln ragt, hat der Gemüseanbau begonnen. Aktuell gedeihen zwischen 20 und 30 Kulturen auf einem halben Hektar, ein Teil davon liegt auf der anderen Talseite, in Morter. Dort wachsen auch Dinkel und Polentamais. „Der Wunsch war eigentlich schon immer in mir,“ begründet Andreas das schrittweise Umsatteln. „Es ist die Freude am Anbauen und an den sich verändernden Pflanzen, die uns motiviert.“
Vom Wohnhaus geht es durch einen alten Kastanienhain steil bergauf. Der Wind rauscht ungemütlich durch die dichten Baumkronen, noch halten sich die hellgrünen Igel in den Ästen. Kurt, Andreas und Renate gehen mehrmals täglich auf und ab. Ihr neues Standbein erfüllt sie, bedarf aber genauer Planung. Zu viel Gemüse bringt zu hohe Arbeitsintensität. Und der Absatz muss natürlich auch stimmen. Ihre wichtigsten Kunden sind Hotels und Restaurants in der Umgebung, sie beliefern auch einzelne Bio-Geschäfte. Glücklicherweise stellt sich die Kundschaft auf die variierenden Mengen ein und weiß die unbehandelten Produkte vom Betrieb Sunnfolt zu schätzen. Die Grubers setzen auf den direkten Kontakt. Sie gehen zu potenziellen Kunden hin, erklären Anbauweise und Produkte und laden auf den Hof ein. Lokales Gemüse auf der Speisekarte ist ein Plus für alle, neben den Land- und Gastwirt:innen profitieren die Gäste. „Das klappt gut“, blickt das Trio auf einen erfolgreichen Sommer zurück und der Herbsternte entgegen. Zwar war die Sommersaison etwas kürzer, dafür hielt sich die Bewässerung in Grenzen. Zwischen den Trockenmauern kann die Bodentemperatur ganz schön ansteigen. Kurt sagt, man könne hier Spiegeleier braten, während er einen Mauerstein berührt.
Damit sie auch ihr Obstsortiment erweitern können, wird bald wieder Platz gemacht. Auf der Wunschliste stehen Tafeltrauben, Pfirsiche und anderes Steinobst. Wir müssen die Pflanzen an den Boden anpassen, hier ist kein guter Gemüseplatz“, deutet Renate an eine Stelle in Richtung Steinmauern, die die Kortscher Steïln charakterisieren und terrassenförmig einteilen. Es geht weiter zum nächsten kleinen Acker, dort duckt sich manches Pflänzchen windbeleidigt. „Es kann schon mal vorkommen, dass etwas schiefgeht“, gesteht Andreas, „doch die meisten Pflanzen entwickeln sich ordentlich.“ Erst kürzlich nachgepflanzte, sattgrüne Salatkopfreihen bestätigen das. Üppige Rosmarin- und Salbeistauden bilden eine natürliche Absperrung am Ende der Nutzfläche, wo es einige Meter nach unten geht. Dank der vielen Kulturen bleiben Kurt, Andreas und Renate bei Ausfällen gelassen.
Der Apfel, den Kurt in die Hand nimmt, weist braune Schorfstellen auf. Wären sie allein beim Obstanbau geblieben, würde die Ernte heuer qualitativ schlecht ausfallen. Ohne Pflanzenschutzmittel entsteht kaum ein makelloses Produkt. „Unsere Arbeit hat sich verändert, da wir mehr Bezug zum Boden haben. Wir brauchen hier keinen Traktor. Bis auf eine kleine Handfräse kommen keine Maschinen zum Einsatz, wie beim Market Gardening üblich,“ vergleicht Andreas die Anbausysteme. Positive Begleiterscheinungen seien deutlich weniger Druck und mehr Zufriedenheit, besonders geschätzt werden die direkten Rückmeldungen. Der Weltmarkt ruft nämlich nicht an, um sich für die schmackhafte Ware zu bedanken.
Sunnfolt ist die Verschmelzung von Sonnenberg und Vielfalt, an der Marke haben Andreas und sein Bruder Manuel, der in Salzburg lebt, getüftelt. Wie Sunnfolt sich weiterentwickeln kann, diskutiert Familie Gruber auch in diversen Netzwerken wie Bioland oder mit den Farmfluencern. Aus dem Tomatentunnel strömt ein letzter Sommerduft, daneben macht sich unter einer aufgelassenen Materialseilbahn Schwarzkohl breit. Wir befinden uns unterhalb vom Oberdörfer Scheibenpichl, von wo aus am ersten Fastensonntag die glühenden Holzscheiben talwärts fliegen. Heute sind es die roten Topaz, die leuchtend auf ihre Ernte warten.
Während Vater und Sohn zuhause auf den Feldern arbeiten, geht Mutter Renate halbtags auswärts arbeiten. Zudem packt sie im Betrieb mit an. Bei Überschüssen ist sie es, die das Gemüse einkocht und den Speiseplan umstellt: „Ich richte mich genau danach, was wir gerade haben. Ob Peperoni oder Schwarzkohl, ich mache etwas daraus“. Obwohl häufig Gemüse auf den Tisch kommt, lehnen die Bauersleute Fleisch nicht ab. „Speck essen wir schon“, lacht Kurt, „auch anderes Fleisch kommt von Höfen aus dem Tal, das ist uns wichtig.“
Die Tiere, mit denen sie sich heuer am meisten befasst haben, sind die Schnecken. Gefräßig fielen sie über die Pflanzen her, sodass man sie einsammeln und aussetzen musste. „Mal geht das eine Gemüse gut, mal das andere schlecht,“ erinnert sich Andreas an schwankende Erfolge im Mischkulturenanbau und gefressene Salatköpfe, „das gleicht sich aus“. Ein Auf und Ab eben.
Von März bis November vergeht kaum ein Tag, an dem nicht im Freien gearbeitet wird. Sobald es winterlich wird, beginnt die Planung. Wovon wird wie viel wo angepflanzt, welcher Kunde hat welche Wünsche geäußert, all das gilt es in ein Konzept zu bringen.
Während sie abwechselnd die Produktpalette aufzählen - sie reicht von A wie Artischocke bis Z wie Zucchini – steigen wir über Steinstufen zu Peperoni und Gurken hinab. Ein bisschen Schafwolle lugt noch unter den Pflanzen hervor, weil sie düngt und Feuchtigkeit speichert. Weiter geht es durch das Dickicht, das die Pastinaken vom Vorjahr hinterlassen haben. Alles piekfein aufzuräumen, sei weder naturnah noch sinnvoll. Viel eher wolle man der biologischen Vielfalt zuarbeiten, damit viele Tierarten Lebensräume finden. Deshalb gibt es auf dem Areal Totholz, Sträucher und einen Teich. Unter den Galaapfelbäumen blüht die Stockrose, gegenüber baumeln Kürbisse von der Mauer herab. Etwas zaghaft ragen die Vulkanspargeln (Puntarelle) in die Höhe, sichtlich mitgenommen vom Sturm.
Abschließend schauen wir am Eingang des Zalimtales beim Federvieh vorbei. Trude, Erna, Fips, Willi, Maja, Mena und die anderen haben sich schon in den Hühnerstall zurückgezogen. Sie bewohnen ein schattiges Waldstück, in dessen Nähe dunkelviolette Starkäpfel die Äste nach unten ziehen und saftige Lauchstangen nach oben wachsen. Sunnfolt, 2023 als Bioland Leitbetrieb ausgezeichnet, besitzt sogar einen Palmengarten. Im schwächer gewordenen Wind wedeln die Palmkohlblätter. Renate schließt den Hühnerstall, bevor alle abwärts gehen. Außer Katze Saphira, die bricht noch zu einer Abendrunde auf.